Son Lux im Interview: Gleichzeitig vollkommen fremd und vollkommen vertraut

“Brighter Wounds” ist heute endlich erschienen. Der neuste Streich von Son Lux ist an musikalischem Feintuning kaum zu überbieten und in vielen Belangen so aufregend vielseitig – und vor allem erweckt es den Eindruck, das Trio entwickele sich kontinuierlich weiter. Im Interview mit Gründer Ryan Lott und Gitarristen Rafiq Bhatia haben wir etwas über den Entstehungsprozess, das Konzept des Albums und die Zukunftsplanung von Son Lux erfahren.

“Brighter Wounds” ist euer zweites Album als Trio. Wie schafft ihr es, alle Ideen zusammen zu führen und Kompromisse zu finden? Habt ihr drei viel zusammen im Studio zur selben Zeit gearbeitet?

Bhatia: Insgesamt verbringt jeder auch viel Zeit mit der Musik allein, zumindest in den frühen Phasen. Viele Songs des Albums hat Ryan begonnen, aber auch manche Ausschnitte aus Proben und Soundchecks von uns drei aus der Vergangenheit, über die wir ein Verzeichnis führen, haben ihren Weg in den Pool gefunden. Beim Prozess des Albums schicken wir Ideen hin und her, tauschen uns darüber aus und überdenken die nächsten Schritte. Ich weiß nicht, wie das Ganze ohne Dropbox klappen würde. Zusätzlich verbringen wir natürlich auch gemeinsam Zeit im Studio, um intensiv am Album zu arbeiten. Es gab aber auch drei Perioden, die jeweils eine oder zwei Wochen gedauert haben und in denen kontinuierlich einzelnd gearbeitet wurde. Meistens geht es bei uns gar nicht darum, Kompromisse zu finden – wenn wir uns auf etwas nicht einigen können, glauben wir für gewöhnlich, dass es eine bessere Idee gibt, die wir noch nicht entdeckt haben. Dann suchen wir solange weiter, bis alle glücklich sind.

Eure Art des Songwritings ist bemerkenswert. Die Songs scheinen von einem leidenschaftlich-neugierigen Kind komponiert worden zu sein, das sich noch überhaupt nicht mit geläufigen Songstrukturen auskennt. Wie bekommt ihr es hin, euch beim Musik machen einen solch freien Geist zu bewahren?

Lott: Danke sehr! Eine der ursprünglichen Ziele des Son Lux-Projekts, das vor 12 Jahren so richtig begonnen hat, war es “Popmusik” zu machen, die aber nicht auf traditionellen Songmustern basiert. Es freut mich also zu hören, dass du denkst, das ist uns gelungen! Das Überaschungselement ist etwas, das ich an Musik sehr schätze. Es ist ein Effekt, den ich schon oft benutzt habe, um eine Balance zwischen erwarteten und unerwarteten musikalischen Geschehnissen zu erzeugen.

Das Album beeindruckt mich mit seinem breiten Soundspektrum. Wie viele Musiker haben an dem Album mitgewirkt?

Bhatia: Viele! Abgesehen von uns hört man auf dem Album zwei Chöre, ein achtköpfiger Erwachsenenchor und ein großer Kinderchor, das von unserem Kumpel Arrington de Dionyso gerade erst erfundene physikalische Instrument Bromeophon, ein karnatisches Streicher-Trio und eine Menge anderer Musiker. Aber wie das so ist mit der Musik von Son Lux, wird viel davon beim Durchlaufen der Produktion gefiltert und manipuliert, bis es sich in die Welt unserer Musik eingliedert.

Gab es eine spezielle Episode in deinem Leben, an die du dich zurückerinnert hast, als du “Dream State” geschrieben hast?

Lott: Nein, die Erinnerung, über die der Song handelt, ist mehr ein Gefühl als ein Ereignis. Oft ist der Wert einer Fotografie, dass sie ein Gefühl einfängt und nicht nur das Ereignis an sich. Wir können auf ein Bild unserer selbst blicken und wenn wir Glück haben, uns daran erinnern, wie wir uns in dem abgebildeten Moment gefühlt haben. Manchmal realisieren wir dann zusätzlich zu dieser Erfahrung, dass uns dieses damals noch vertraute Gefühl fremd geworden ist.

Was bringt euch dazu, wie ihr in eurem Song „Dream State“ sagt, “out of the dark day” fliehen zu wollen?

Lott: Donald Trump.

Wenn du dir ein Gefühl heraussuchen müsstest, das “Brighter Wounds” beim Hörer hervorrufen soll, welches wäre das?

Lott: Darf ich schummeln und zwei auswählen? Ich würde mir wünschen, dass es sich gleichermaßen vollkommen fremd und vollkommen vetraut anfühlt.

Ihr habt schon so viel mit eurer Musik erreicht. Gibt es Ziele für die Zukunft oder so etwas wie eine guideline für Son Lux?

Bhatia: Dankeschön! Es fühlt sich für uns permanent so an, als würden wir nur an der Oberfläche kratzen. Eine Sache, die wir uns vorgenommen haben, ist der Versuch großartige Musiker aus einigen musikalischen Bewegungen zu finden, die sich von unserer unterscheiden, um mit ihnen eine Zusammenarbeit von wahrer Tiefe zu begründen.

„Brighter Wounds“ von Son Lux erscheint heute auf City Slang. Im Februar kommen Son Lux auf Tour, die Termine findet ihr hier

Interview: Finn Hackenberg

http://music.sonluxmusic.com