So war’s beim Reeperbahn Festival 2017

Festival Village © Nina Ivanov

Es ist wieder einmal Reeperbahn Festival Zeit! Und wie könnte man die besser starten als mit All Time Favourite Ray Cokes? Wie jedes Jahr ist die Schlange vorm Schmidt Theater auch am ersten Festival Tag sehr lang, da viele sich Tipps vom Altmeister bei seiner täglichen Show „Ray’s Reeperbahn Revue“ abholen wollen, um den zuvor ausgewählten Timetable eventuell um weitere Acts zu erweitern. Am Mittwoch zu Gast sind bei ihm Vök aus Island, Alice Merton, Current Swell sowie Faber. Weiter geht es im Anschluss für mich zur Türsteher Lesung, die auch bereits seit mehreren Jahren fester Bestandteil des Festivals ist und im Imperial Theater ein Zuhause gefunden hat.

Bei Suff Daddy & The Lunch Birds im Mojo werden dann Hip Hop und Jazz-artige Töne angeschlagen und bei Dispatch, die in den Staaten eine beachtliche Anhängerschaft haben, gibt es Station Rock zu hören. Auch Kritikerliebling Faber weiß das Publikum an diesem Tag zu überzeugen, doch zu Gunsten von den Leoniden kann ich dieses Konzert nicht zu Ende sehen. Die Kieler Indie Band hat mit dem gleichnamig betitelten Debütalbum, das Anfang des Jahres erschienen ist, nicht nur die Presse begeistert. Bereits seit einigen Jahren habe ich diese Band immer Mal wieder live gesehen und es ist wirklich beachtlich, wie sie sich und ihre live Qualitäten stets verbessern konnte. Eine sehr mitreißende und energische Show zum Abschluss des ersten Tages.

Alice Merton © Björn Buddenholm

Donnerstag nehme ich das neu geschaffene Festival Village auf dem Spielbudenplatz mal näher unter die Lupe. Es bietet neben dem Ticketdesk einige Promo Stände, Kunst, sowie kleine Spielorte, die auch ohne Festivalticket besucht werden können. Danach richte ich mich im Docks ein und schaue mir zuerst Alice Merton an, die mit dem Song „No Roots“ bereits einen großen Hit hatte. Eine wirklich sympathische Künstlerin, was ich schon bei Ray feststellen konnte, die eine wirklich tolle Stimme vorzuweisen hat. Welshy Arms, die mit „Legendary“ ebenfalls einen Radiohit vorweisen können, überzeugen mich im Anschluss leider nicht. Dass sie gerne die nächsten Kings of Leon werden möchten wird schnell deutlich, doch mit Rocker Attitude Ansagen zu schreien tröstet nicht über die lieblose und eher lahme Show hinweg. Ganz anders hingegen geht es im Anschluss mit Maximo Park weiter. Die Engländer, deren absolute Glanzzeit schon ein paar Jahre zurück liegt, wissen einfach wie der Hase läuft. Paul Smith ist der geborene Frontmann der weiß, wie man sich bewegt und die Show damit vollkommen macht. Sie spielen an diesem Abend zwar viele Songs vom aktuellen Album „Risk To Exist“, doch auch alte Lieblinge wie „Books From Boxes“, „Apply some preassure“ oder „By the Monument“ dürfen nicht fehlen. Glücksgefühle pur, die mich selig schlafen lassen.

So wie der Donnerstag geendet hat beginnt dann auch der Freitag, nämlich mit Rock aus UK. To Kill A King liefern ein solides Set ab und heizen das Publikum fürs bevorstehende Wochenende an. Danach folgen The Drums aus New York. Der einstige Hype um die Band hat inzwischen etwas nachgelassen, doch es ist dennoch sehr voll beim Konzert. Sänger Jonny Pierce hat sehr interessante Dancemoves dabei sowie eine kleine emotionale Rede zum Thema Selbstliebe.

Maximo Park © Florian Trykowski

Da es am ersten Tag des Wochenendes schon spürbar voller in den Clubs ist muss genau überlegt werden, welche Konzerte man sich ansehen möchte um sich rechtzeitig vorher anzustellen. Den großen Secret Act Liam Gallagher lasse ich links liegen und entscheide mich für Special Nummer zwei. Death from Above (jetzt ohne 1979) haben sich spontan für ein sehr spätes Konzert um 01:30 Uhr im Molotow angesagt, das ich nicht verpassen möchte. Das frühe Anstellen für diese Band lohnt sich wirklich, da man sie zum einen nur noch selten in so kleinen Clubs zu sehen bekommt und die neue Platte zum anderen live wirklich knallt. Dies ist das eigentliche Freitag Abend Highlight statt des egozentrisch Rockstars aus UK.

So wie ich das Festival begonnen habe, lasse ich es auch am Samstag ausklingen, mit Ray Cokes im Schmidts. Wieder gibt es Bands zu sehen, die ich mir im Anschluss tatsächlich noch in voller Länge ansehen werde. Sowohl die Band The Districts als auch Meute entpuppen sich als wirklich gute Empfehlung. Doch zuerst geht es zu Lygo ins Molotow, der Tag sollte ein bisschen im Zeichen des Punk stehen. Das Bonner Trio kommt im Stil von Turbostaat und ähnlichen Deutschpunk Bands daher und hat in Sachen Energie einiges zu liefern. Selbiges habe ich mir auch für die nächste Band erhofft, zu der ich vor ein paar Jahren beim Reeperbahn Festival im alten Molotow nicht mehr reingekommen bin. The King Blues aus UK, die vor einiger Zeit sehr gehypt wurden, sich aufgelöst und schließlich wieder zusammen gefunden haben, sind mit ihrem neuen Album „The Gospel Truth“ am Start. Im Prinzip liefern sie ein wirklich gutes Konzert ab, doch leider will im Publikum keine richtige Stimmung aufkommen, immer eine Gefahr bei so einem Clubfestival mit sehr gemischtem Publikum. Ich habe mich wirklich gefreut die Band endlich Mal live zu sehen, doch irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen und auch muss man leider sagen, dass viele Songs auf Platte wirklich besser funktionieren.

Das Stimmungsthema zieht sich dann leider auch zur nächsten Band Love A weiter. Beim ersten Set am Vortag kam ich leider nicht rein, sodass es nun also diese größere Show in der Großen Freiheit 36 geworden ist. Diese ist scheinbar etwas zu groß für die Band, denn es ist nicht komplett voll, und das am Samstag Abend. Und auch die Stimmung lässt zu wünschen übrig. Wo normalerweise Pogo vor der Bühne angesagt ist werden nur vereinzelt Hände gehoben und mitgesungen.

Bei Portugal. The Man muss ich leider vor der großen Schlange kapitulieren, sodass spontan zu Kat Frankie in die St. Pauli Kirche gewechselt wird. Eine dieser kleinen Perlen unter den Locations beim Reeperbahn Festival. Die Akustik ist hier natürlich besonders, Bier wird unter normalen Umständen auch keines getrunken und so manch einer dürfte sich bei den unbequemen Bänken an seine Zeit im Konfirmanden- oder Kommunionsunterricht zurück versetzt fühlen.

Nach den eher ruhigen Klängen geht es dann zum Abschluss nochmal zu The Districts, einer jungen Band aus Philadelphia, die sogar schon als Support von den Rolling Stones gespielt hat. Warum mir diese Band vorher kein Begriff war ist wirklich fraglich! Ich fühle mich an die frühen Strokes erinnert – was für eine tolle Entdeckung! Schon fast auf dem Heimweg mache ich noch einen kleinen Abstecher zu Meute, einer Blaskapelle oder auch Techno-Marching-Band, wie sie sich selbst nennen, die bekannte Songs mit Tuba, Posaune und co. umsetzt. Klassisch im Look einer Blaskapelle mit Vereinsjacken machen die Hamburger richtig Stimmung. Ein Konzept das voll aufzugehen scheint aber natürlich von live Auftritten lebt.

Ray Cokes © Florian Trykowski

Wie in jedem Jahr gab es auf dem Reeperbahn Festival so einiges zu entdecken, was mir zumindest in Ansätzen auch geglückt sein dürfte. Mit dem neuen Festival Village ist das Zentrum zwar etwas vom Kiez gerückt, hat dafür aber einen weiteren kleinen Anlaufpunkt neben der sonst so hektischen Reeperbahn bekommen. Die Organisation war wie immer gut und auch die meisten Benachrichtigungen über Einlassstops an Locations kamen rechtzeitig über die App. Viele tolle Bands, coole Locations und ein bunter Mix aus Programmpunkten machen das #rbf weiterhin zu einem absoluten Lieblings Festival!

War dabei: Samira Szago

www.reeperbahnfestival.com