Reverend And The Makers im Interview

Reverend and the MakersIn ihrer Heimat England wird die Band aus Sheffield häufig in einem Atemzug mit den Lokal-Kollegen Arctic Monkeys genannt, sie waren Vorband bei renommierten Acts wie Oasis, Red Hot Chili Peppers und The Verve. Dort haben sie sich auch eine extrem treue Fangemeinde erarbeitet. Ihre Alben landen regelmäßig unter den Top 20. Leider haben es Reverend And The Makers bisher noch nicht geschafft, sich hierzulande einen ähnlich angemessenen Bekanntheitsgrad zu erarbeiten.
Dabei sind ihr Platten – vor allem das letzte Album „Mirrors“- überaus hörenswert und auch live ist ihre energetische Performance mit schrammeligen Gitarren und schönen Melodien absolut sehens- und mithüpfenswert. Momentan touren sie mit The Libertines durch Europa und erschließen sich als großartige Einheizer hoffentlich auch hier ein treues Publikum. Verdient hätten sie es! Wir haben die Gelegenheit beim Berlin Konzert in der Columbia Halle genutzt und uns im Tourbus mit Frontmann Jon McClure aka The Reverend, der von seinen Fans nur liebevoll Rev genannt wird, unterhalten.

Vor der Halle ist ja schon ordentlich was los. Es ist gerade mal früher Nachmittag und draußen stehen schon einige Fans an und warten.

Oh ja habe ich auch gerade gesehen. Das sind die The Libertines Fans. Die sind besessen, das ist ähnlich wie bei den Smiths Fans damals.

Da scheinen ja auch einige aus England zu kommen. Ich habe heute auf Twitter ein paar gesehen, die angekündigt haben, dass sie extra zum Konzert kommen. Ihr habt heute also wahrscheinlich ein sehr gemischtes Publikum.

Das ist der helle Wahnsinn. Ich denke aber es liegt daran, dass The Libertines noch richtig echte Songtexte schreiben. In England haben wir viele verrückte Fans, die wirklich eine Obsession mit den Lyrics haben. Die können sich total mit den Texten identifizieren. Deshalb sind The Libertines auch so ein coole Band. Mit Tanzmusik schafft man es eher nicht, Leute so besessen von der Musik zu machen. Wir hoffen sehr, dass von der Stimmung heute Abend auch etwas auf uns über schwappt und wir ein positives Feedback bekommen. Die Columbia Halle scheint ja eine super Location zu sein, das ist mein erstes Mal in Berlin.

Du hast heute schon Bilder auf Instagram gepostet, ihr habt ein bisschen Sightseeing gemacht.

(lacht) Ja, wir haben uns ein paar typische Touristensachen angeschaut, wie die Eastside Gallery und das Brandenburger Tor. Wir hatten leider nur ein paar Stunden, ich würde hier gerne mehr Zeit hier verbringen. Berlin gefällt mir, die Stadt ist cool. Mein Bruder hat hier viel Zeit verbracht.

Ihr seid hier in Deutschland im Vergleich zu Eurer Heimat England gar nicht so bekannt.

Ja, wir haben ein bisschen das Momentum bei unserer ersten Platte verpasst. Danach wird es dann schwierig. Wir hatten hier nie unsere eigenen Shows. Jetzt läuft unser aktuelles Album in England so gut, dass wir hoffen, dass wir auch in Europa ein paar neue Fans dazu gewinnen können.

Wie würdest Du Eure Musik beschreiben, für Leute, die Euch nicht kennen?

Ursprünglich war es eine Mischung aus Rock‘n Roll und Dance Music. Jetzt weiß ich noch nicht mal wie ich unseren Stil richtig beschreiben soll. Es hat etwas psychedelisches und ist irgendwie ein bisschen wie ein verrückter magischer Rock‘n Roll Zirkus. Das neue Album unterscheidet sich ziemlich von den vorhergehenden.

Ich finde es ist sehr abwechslungsreich – krachende Tempo Songs und dann wieder ganz ruhige Akustik Versionen.

Oh ja, das stimmt. Wenn man an die Beatles denkt, die haben so unterschiedliche Songs gemacht. Heute gibt es einfach sehr viele Bands, die ihrem ewig gleichen Stil treu bleiben. Das wird dann auch schnell mal langweilig. Bei uns sind die Songtexte unglaublich wichtig. Selbst wenn Englisch nicht Muttersprache ist, glaube ich, dass man spürt was wir ausdrücken wollen. Ich singe ja auch wie ich spreche mit meinem Nord-Englischen Akzent. Da haben selbst einige Engländer Probleme und verstehen nicht alles.

Da bin ich ja froh, ich dachte schon ich bin die Einzige, die nicht so viel versteht.

Ich finde es authentischer, wenn man so singt, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Es ist ehrlicher, Musik kann dich nicht hinters Licht führen. Fuck it, wenn Sänger aus Deutschland oder England versuchen wie Amerikaner zu klingen. Das ist total scheiße, das finde ich echt ganz schlimm. Gerade in der Musik muss man doch wahrhaft und authentisch sein. Deshalb gibt es auch viele dieser Bands heute nicht mehr. Wir kamen so ungefähr drei Jahre nach The Libertines, wir hatten Höhen und Tiefen aber uns gibt es noch. Und jetzt würden wir gerne auch in anderen Ländern das erreichen, was wir in England erreicht haben.

Noel Gallagher hat sich extrem positiv über Euer Album „Mirrors“ geäußert. Ist man da stolz drauf oder ist euch so was eigentlich egal?

Nein, das ist sehr cool. Ich mag seine Songs schon immer, wenn er dann auch meine mag und das sogar öffentlich äußert, ist das ein echtes Kompliment. Als kleiner Junge hatte ich überall an der Wand Oasis Poster, wenn Du Deine Idole später triffst und sie dann auch noch Deine Musik mögen, dann ist das Wahnsinn. Wenn man so tut, als wäre es einem egal, dann ist man doch nicht ehrlich. Warum sollte man da cool tun? Fuck that.

Was erwartet ihr vom Deutschen Publikum? Es ist doch sicherlich ganz anders, wenn man zu Hause spielt und alle jede Songzeile mitsingen können oder wenn man vor einem Publikum spielt, das die Songs gar nicht kennt?

Ehrlich gesagt bin ich davon überzeugt, dass wir live so gut sind, dass das Publikum unsere Show lieben wird. Ich habe so nicht immer gedacht, das hat sich erst in den letzten drei Jahren entwickelt. Früher wollte ich immer intellektuell sein und den Leuten irgendwas Politisches predigen, aber lass uns doch mal ehrlich sein, am Ende geht es darum, dass wir alle Spaß haben. Das heißt nicht, dass man nicht auch mal etwas Ernstes ansprechen kann. Ich glaube die Tour wird super. Ich habe früher auch nicht so gerne vor großen Mengen gespielt, jetzt könnte ich das jeden Abend machen. Außerdem ist das Touren immer wichtiger geworden. Das Problem in England ist, dass kaum noch Musik wie von uns oder The Libertines im Radio gespielt wird, da muss man eben anders im Gespräch bleiben.

Wirklich? Ich dachte, dass wäre nur in Deutschland so schlimm. Ich finde England was Musik angeht so viel besser. Da läuft selbst auf dem Klo in Heathrow anständige Musik.

Es ist katastrophal. Das Radio in England ist total am Ende. Mittlerweile schreibt die Regierung den Radiosendern vor, was sie spielen sollen, weil sie die 13jährigen für sich gewinnen wollen. Für unser Alter spielen sie nichts mehr. Es läuft nur noch so ein grausames Zeug wie Justin Bieber oder Calvin Harris. Es ist zum Kotzen.

Das heißt Konzerte sind dann fast der einzige Weg, Fans noch richtig zu erreichen.

Ja, absolut. Ich suche immer nach Möglichkeiten, die einen im Gespräch halten. Ich habe mal eine ganze Tour gemacht, da habe ich nur in den Häusern von Fans gespielt. Das war großartig. Da spielst Du vor 50 Leuten aber danach kannst Du sicher sein, es wissen alle. Und es ist total cool, du bist so nah dran, du hängst da nicht nur irgendwo auf einem Plakat.

Wie ist das, wenn man plötzlich zu Fans nach Hause kommt?

Es ist jedes Mal ganz anders. Ich hatte alles, von selbst gebackenem Brot und frisch gebrautem Bier bis zu eingeschlagenen Fenstern, wo die Polizei kommen musste. Ich mag das total, das nimmt das unnahbare und mystische weg was früher Rock `n Roll hatte. Deshalb mag ich auch glaube ich die Libertines so gerne. Das ist eine der wenigen Bands, die auch so etwas machen und ihre Fans so nah ran lassen. Heutzutage ist doch eh alles transparent durch das Internet. Also treibe ich es auf die Spitze und versuche hyper-real zu sein. Die Leute können mich ruhig anfassen und mit mir reden.

Du twitterst ja auch gerne mal mit Fans.

Ja, absolut. Ich versuche immer zu antworten. Ich finde Twitter ist eine Revolution. In England brauche ich die Magazine oder das Radio gar nicht mehr, da reicht mir Twitter. Wir spielen vor ca. 2.000 Leuten, um das hin zu bekommen, brauche ich eigentlich nur Twitter. Das ist so cool heutzutage. Es ist ein bisschen wie Punkrock, Du kannst Dein eigenes Ding machen.

Der enge Kontakt mit den Fans scheint Dir wirklich sehr viel Spaß zu machen. Du spielst ja auch häufiger Mal Akustik-Sets vor einer Halle, in der Ihr auftretet.

Ja, das mache ich aber nur, wenn es mein eigenes Konzert ist, nicht wenn wir als Vorband spielen. Das würde ich aus Respekt niemals machen. Das ist, wie wenn Du in einem fremden Haus zu Besuch bist. Bei unseren eigenen Gigs zieht manchmal das ganze Publikum mit mir vor die Halle und wir machen dort weiter. Ich mache das nicht immer, damit es eine Überraschung bleibt und nicht etwas Erwartetes. Ich liebe das. Solche Dinge bleiben doch viel länger in Erinnerung, als wenn Du in irgendeiner anonymen Halle spielst. Es gibt so viele Dinge heutzutage, die im nächsten Moment schon wieder vergessen sind. Wir haben das mal in Amsterdam vor dem Paradiso gemacht, ich habe einen Typen getroffen, der mir total aus dem Häuschen von dem Gig erzählt hat, das war 10 Jahre später.

So was gibt ja auch den Fans viel mehr zurück, als ein Gig, der einfach nur so runter gespielt wird.

Du glaubst, gar nicht, wie viele Bands das nur wegen der Kohle machen. Die sind nicht mehr authentisch und machen das nicht weil sie Musik lieben oder ihre Fans. Du hast zwei Möglichkeiten, wenn es um Musik geht. Entweder Du bist der Erste, der einen neuen musikalischen Weg geht, wie zum Beispiel Kraftwerk oder Du bist derjenige der einen Sound hat, den man schon mal irgendwo gehört hat. Dann hat man nur die Möglichkeit, dies mit größtmöglicher Leidenschaft zu machen, dabei kommt es auf die Art an, wie man die Botschaft und die Musik transportiert. Punk hat einen Spirit, Reggae hat einen Spirit. Schau Dir die Libertines an, natürlich hat man schon mal irgendwo diese Art von Musik gehört, man hat aber noch nie in dieser Art die Lyrics und die Botschaft dahinter gehört. Das macht es dann wieder neu und einzigartig. Ich liebe den Spirit, mit dem man Musik transportieren kann, das kommt bei mir aus tiefstem Herzen und das merken dann auch die Fans (klopft sich dabei mit der Faust auf die Brust).

Ihr nennt Eure Fans die Revarmy. Wie kam es dazu? Stehen sie wie eine Arme hinter euch in guten und in schlechten Zeiten?

Das ist mittlerweile so eine Art Kult geworden. Wir haben nach unserem zweiten Album erst mal aufgehört, weil ich ein bisschen abgedreht bin. Wir haben uns dann am Riemen gerissen und sind wieder zurück gekommen. Kaum zu glauben, unsere Fans waren immer noch da – das war unglaublich. Und mit jedem Album verkaufen wir mehr, ich glaube das schafft auch kaum eine Band, konstant auf einem Niveau über Jahre. So was geht ohne die Fans gar nicht, sie sind manchmal ein bisschen besessen, sie lieben uns einfach. Wir lieben sie auch, das ist absolut gegenseitig. Einer hat mir mal erzählt, er hat seinen Hund nach mir benannt, der heißt jetzt Rev. Oder bei einem der Haus-Gigs hat mich einer gefragt ob ich ihm helfen kann seiner Miss einen Heiratsantrag zu machen. Das ist doch großartig, wenn Du so ein Teil von ihnen wirst, total romantisch und einzigartig. Das macht mich manchmal echt stolz. Ich hatte einen harten Job, bevor ich mit der Musik angefangen habe. Ich weiß wie das ist, wenn Du jeden Tag schuftest. Da ist es doch das tollste Geschenk, wenn Du mit Musik das Leben von anderen Menschen ein bisschen heller und freundlicher machen kannst. Deshalb versuche ich auch alles zu geben, um es besonders für die Menschen zu machen, ich hoffe das kommt auch genau so an. Und wenn nicht. Fuck it. Ich glaube deshalb gibt es uns auch noch, andere Bands haben ihre Daseinsberechtigung verloren, die wissen nicht mehr warum sie überhaupt Musik machen. Ich weiß genau warum ich das mache und werde das für immer tun.