Primavera Sound 2017: Wiedersehen mit Broken Social Scene

Es war schon ein Wiedersehen der besonderen Art. Sieben Jahre ist es her, dass Broken Social Scene ihr letztes Album „Forgiveness Rock Record“ veröffentlicht haben. Im selben Jahr haben wir die kanadischen Indie-Rocker zum letzten Mal in Berlin live gesehen. Irgendwann wurde es dann, neben sporadischen Auftritten in Kanada, eher ruhig um das Musikerkollektiv. Gründungsmitglied Feist ging überaus erfolgreich ihrer Wege. Kevin Drew brachte 2013 sein Soloalbum „Darlings“ heraus, Brendan Canning wanderte erst letztes Jahr mit „Home Wrecking Years“ ebenfalls auf Solopfaden, aber auf Live Auftritte von Broken Social Scene in voller Besetzung musste man lange verzichten. Es ist nunmal kein Leichtes, eine aus je nach Besetzung um die zehn Mitglieder zählende Indie-Band über den großen Teich und auf die Bühne zu bringen.
Umso freudiger las sich die Nachricht, dass Broken Social Scene dieses Jahr mit „Hug of Thunder“ ein neues Album raus bringen und vorab für ein paar wenige Shows nach Europa kommen werden. Die erste Single „Halfway Home“ beweist, dass Broken Social Scene immer noch für all das stehen, was die Band seit nun fast 20 Jahren ausmacht. Ehrlicher, emotionaler, hymnischer Indie-Rock in großer musikalischer Besetzung. Was das angeht, sind Broken Social Scene auch heute noch nahezu unschlagbar.
Beim Primavera Sound Festival in Barcelona stand dann auch schon wieder die letzte Show der kurzen Europatournee an. Die beiden Masterminds Kevin Drew und Brendan Canning fanden sich vorab in der schwitzig warmen Presselounge zum Gespräch ein. Die Stimme schon ein bisschen kratzig, noch einmal die letzten Kräfte mobilisieren, bevor es schon am nächsten Tag zurück nach Kanada ging. Broken Social Scene sind wieder da, auf ihrer Mission, die Kevin Drew kurz und treffend mit „making memories“ betitelt. Dafür, dass sie jetzt überhaupt wieder dort sitzen, zeichnet Brendan Canning verantwortlich, sagt Drew. Er war die treibende Kraft, die alle wieder zusammen getrieben hat. Es sei wunderbar gewesen, endlich wieder zusammen zu kommen und auszufechten, was man miteinander anstellen wolle. Aber eine Band wie Broken Social Scene ist auch ein logistischer Alptraum, erzählt Drew, durch die vielen verschiedenen Mitglieder, die alle auch ihre eigene Agenda verfolgen, wie zum Beispiel Feist, die auf „Hug of Thunder“ wieder dabei ist und gerade selbst ihr neues Album „Pleasure“ veröffentlicht hat. Oder Amy Millan und Emily Haines, die auch in ihren Bands Stars und Metric aktiv sind. Das Album hätte eigentlich schon lange fertig sein sollen, aber alleine sich zu entscheiden, welche Songs letztendlich darauf sein sollen, sei ein langwieriger Prozess gewesen. Und alle Termine für eine gemeinsame Tour zu koordinieren, kann einen organisatorisch schon mal an seine Grenzen bringen. Aber bei Broken Social Scene geht es neben der Musik auch immer um Freundschaft. Emily Haines von Metric zum Beispiel entschloss sich erst kurzfristig, mit nach Europa auf Tournee zu gehen und man gewährte ihr gerne einen Platz im Tourbus.
Die Art wie Brendan Canning und Kevin Drew über die Band reden, zeigt deutlich, wie sehr das Projekt trotz dieser Schwierigkeiten allen am Herzen liegt. Es geht um Freundschaft, um Liebe, um offene Arme – Hugs of Thunder, eben. Aber wie fühlt sich so ein Hug of Thunder eigentlich genau an? Das gilt es herauszufinden, meint Drew, jeder für sich selbst. Aber was die Message hinter „Hug of Thunder“ ist, wie wichtig es ist, einander in diesen seltsamen Zeiten nah zu sein, daran lässt er abschließend keinen Zweifel.

„I just think it is such a force of a title. So many bands right now are trying to be impactful. We are talking about that all we have right now is each other. And we are taking an urgency behind that. Right now we are all struggeling. There are all new forms of depression and all new forms of anxiety. We have to remind each other that there are such things as touch, feel and eye contact. You don’t need to know all this shit that is going on out there. It’s good to know what your family members or close friends are doing. But you don’t need to know other people’s recipes or whatever. It’s not important! Your brain cannot process all that information. So you gotta rely on the classic thing, which is the Patrick Swayze heartbeat. Gagong!“

Der Patrick Swayze Heartbeat. Davon gibt es ganz viel, wenn Broken Social Scene auf die Bühne gehen und mit viel Herzblut gegen den nebenan stattfindenden Überraschungsgig ihrer kanadischen Landsmänner und Bandkollegen Arcade Fire anspielen. Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Wenn Kevin Drew sein Publikum bittet, gemeinsam mit ihm Bonnie Tylers „Total Eclypse Of The Heart“ anzustimmen, fließen die Herzen über, während die Beine sich im Takt bewegen. Bitte, Jungs und Mädels, lasst euch auch in Zukunft nicht von eurem Organisationsalptraum aufhalten. Kommt ganz bald wieder nach Europa, für mehr Musik, Liebe und jede Menge Hugs of Thunder.

„Hug of Thunder“ erscheint am 7. Juli 2017 auf City Slang.

Live Fotos: Garbine Irizar / Primavera Sound
Foto Pressekonferenz: Kate Rock

http://brokensocialscene.ca