Lilabungalow: Shut Up And Shuffle!

Ein Lieblingsalbum für 2015 ist bereits gefunden: „Peace for Gold“ des Erfurter Trios Lilabungalow. Es erscheint zwar erst am 27. Februar, aber hier läuft es schon seit Wochen hoch und runter. Hach, die süßen Vorteile des Musikjournalismus. Lilabungalow bieten dem geneigten Hörer facettenreichen Pop an – mal zum ein bisschen Tanzen, mal zum richtigen Ausflippen. Sänger und Chameur aller erster Güte, Patrick Foellmer, hat für uns sein Abspielgerät angeworfen und gibt uns einen kleinen Einblick in seinen Musikgeschmack anhand der ersten zehn zufällig aufgetauchten Liedern. Wunderbar erzählten Geschichten gibt es noch gratis obendrauf.

Andrew Bird
Album: Oh! The Grandeur
Song:  Candy Shop

Der Song kam 1999 raus. Richtig durchgehört habe ich ihn erst 2009. Das erste mal hat mich Andrews „old fashioned“ Style im Zug erwischt. Ich war gerade auf dem Weg in die Schule, es muss also irgend etwas zwischen 4.30 Uhr und 6.30 Uhr gewesen sein. Und wenn man so im Zug sitzt mit all den Anderen, die grau vor sich hin ihrer Arbeit entgegen starren, zündet dieser Song dich an. Egal wie schlaftrunken du bist, du gehst in deine erste Klasse und mischst den Laden auf. Neben all den elektronisch beeinflussten Werken, die ich in dieser Zeit gehört habe, hat mich „Candy Shop“ immer wieder in die Welt der einfachen und zutiefst energetischen Songs gebracht.

Yuppie Flu
Album: Toast Masters (2005 Homesleep)
Song: Our Nature

Mein Freund Paolo, eben noch als Journalist auf der Flucht vor der Mafia, jetzt schon in unserer Kleinstadt ein Musikjournalist mit Booker Ambitionen. Er drückt mir im Frühjahr 2006 die Scheibe in die Hand und was mich zuerst anspringt ist der Song „Our Nature“. So oft wie ich den Song auf den Ohren hatte so oft habe ich ihn fast Live gesehen. 2007 sind wir mit Yuppie Flu auf Tour und die Band spielt uns jeden Abend an die Wand. Nicht dass das ihr Plan gewesen wäre, aber die 4 verschmelzen gerade bei „Our Nature“ derartig auf der Bühne, dass ich jedes mal das Gefühl hatte es wäre nur noch eine Person anwesend. „Our Nature“ ist der Soundtrack für eine der schönsten Support Erfahrungen.

Bibio
Album: Ambivalence Avenue (2009, Warp Records)
Song: Haikuesque (When She Laughs)

Die Scheibenwischer schieben freundlich den Spätsommerregen über die Frontscheibe. Ich bin auf dem Rückweg von einer Paddeltour mit meinem Faltboot. Die körperliche Ermattung von einer Woche Paddeln, die Ruhe der Landstraße zwischen den Feldern und Dörfern und dieser Song machen mich angenehm sprachlos. In der Musik gibt es Momente die Menschen verbinden können, und ich meine damit nicht die Massenveranstaltungen a la Helene Fischer sondern die feinen emotionalen Botschaften, die Musiker in ihre Tonträger einweben und die wie Schlüssel in die Türen der Geschichte des Zuhörers passen. In dem Fall bin ich der Zuhörer und „When She Loves“ schließt mich auf sehr gefühlvolle Weise aus.

Arvo Pärt
Album: Tabula Rase
Song: Fratres

Ich habe selten etwas so Zerbrechliches und gleichzeitig Störrisches in der Musik gehört. Mir ist relativ egal aus welchem Genre die Musik kommt. Wenn sie eigen ist und ihr Wesen mir nicht verschlossen bleibt, dann kann ich mich ihr gar nicht entziehen. So geht es mir mit diesem Werk. Und es ist ein Werk. Darauf zu hören Musiker aus einem der besten Orchester der Welt mit einer Energie, die einer Band in nichts nach steht.

Danger Mouse & Sparklehorse
Album: Dark Night of the Soul
Song: Revenge – feat. flaming Lips

Revenge ist der Opener auf diesem besonderen Album. Besonders ist der Track durch seine Wärme, die klingenden Räume, die Sattheit und dazu noch die sehr besonderen Flaming Lips. In meiner Geschichte ist er der Soundtrack zu einigen der glücklichsten Momente meines Lebens. Auch wenn manch einer sagen würde, dass der Song mit Melancholie durchwoben ist; zwischen den weißen Laken, im morgendlichen Sonnenschein, mit dem dem Schattenwurf der Blätter des Baumes vor ihrem Fenster, war ich das erste mal wirklich wunschlos. Daneben hat das ganze Album diese sehr schöne Veröffentlichungsgeschichte. Es besteht fast nur aus Kooperationen und wurde deshalb von vielen Plattenfirmen nicht frei gegeben. Zur Veröffentlichung konnte man ein Booklet gestaltet von David Lynch mit einem CD-Rohling erwerben und wie von Geisterhand war die Musik im Netz zu finden.

Devendra Banhart
Album: What Will We Be
Song: Brindo

Meine Freundin Romy lädt mich 2010 zu einer schönen kleinen Runde zu sich nach Hause ein. Irgendwann im Laufe des Abends wandert das Gespräch von Frauen zu Männern, von Familie zu Sex und ich bekomme einen Brillenwerbespot präsentiert, der eher wie ein Musikvideo anmutet. In einer sommerlichen Szenerie begegnen sich eine wunderschöne Frau und ein Don Juan auf einer Terrasse, in einer Badewanne und natürlich im Bett. In jeder Szene steht extrem sinnliche Interaktion im Vordergrund. Das Spiel der Geschlechter nimmt seinen Lauf und durchaus sehr schöne Sonnenbrillen zieren die beiden Protagonisten und werden mit in das Spiel verflochten. Unter allem läuft luftig leicht der Song Brindo.

Jan Roth
Album: LOW
Song: Regen

Die Kleinstadt aus der wir kommen ist nicht für Vieles berühmt. Wir haben ein Schulmassaker und den ein oder anderen Deutschen Popstar zu bieten. Das ist oberflächlich gesehen nicht viel. Doch bewegt man sich in dem Mikrokosmos in die tieferen Schichten, stößt man auch auf Jan Roth. Jan ist einer der begnadetsten Trommler die ich kenne und einer der wenigen, dem ich Jazz am Schlagwerk abnehme. Vielleicht deswegen hat er 2013 ein Klavieralbum aufgenommen, auf dem auch der Song Regen zu finden ist. Mich hat der Song im Schuffle Modus erwischt als ich gerade des Nächtens durch unser mittelalterliches Städtchen schlenderte und ich war berührt. Ich sitze immer noch an dem Remix.

N.E.R.D
Album: Nothing
Song: Nothing On You

Was macht er denn da? Das war mein erster Gedanke als ich den Song auf die Ohren bekam. „Nothing On You“ ist ein Popsong durch und durch, der mir einmal mehr zeigt, daß dieses Genre nicht belanglose Perlen zu Tage fördern muss. Und irgendwann möchte ich auch mal so gut sein und so leicht eine solche Perle züchten.

Modeselektor
Album: Monkeytown
Song: Berlin

Meine Mutter und ich fahren nach Berlin. Es geht zum Radiohead Konzert in die Wuhlheide. Mutter war tief berührt vom „Ok Computer“ Album und wollte seitdem schon immer ein Konzert sehen. Ich platziere sie sorgfältig im Zuschauerrang gegenüber der Bühne und begebe mich in die Massen. Radiohead haben nicht nur zwei doppelte Bassreihen über 30 Meter Breite mit im Gepäck sondern auch Modeselektor als Support. Beides bekomme ich per Infraschall sofort zu spüren. Die Menge wogt, der Sound ist nicht zu laut und drückt wie die Hölle. Als ich heute „Berlin“ von Modeselktor höre stehe ich wieder in der Menge und bin geflasht, obwohl die körperliche Erfahrung der Musik fehlt.

Deus
Album: The ideal Crash
Song: instant Street

„Instant Street“ – Der Titelsong zu dem Album, das dafür verantwortlich ist, dass ich Musik mache. Zu dEUS und dem Song gibt es mehr als eine Geschichte. Die schönste ist vielleicht, wie wir zu dritt nach Nijmegen in Holland zum ersten Konzert der Band nach 3 Jahren Pause fahren. Keiner hat eine Karte. Wir versuchen es auf gut Glück. Angekommen stellen wir fest, dass es keine Abendkasse gibt. Wir nehmen im angrenzenden Cafe platz und stellen uns darauf ein, dass wir das Konzert in Liegestühlen, die wir extra eingepackt haben, vor der Tür am Entlass verfolgen werden. Dann spielt uns der Zufall in die Hand. Die Band kommt raus auf die Terrasse zum Essen. Kurz entschlossen gehe ich auf Tom Barmann, den Sänger zu, stammle in gebrochenem Französisch, dass wir die größten Fans sind, lange gefahren und ob es da noch eine Möglichkeit gibt. Tom grinst über mein sprachliches Handicap und gibt mir Fakenamen auf der Gästeliste. Mein Freund Basti war an dem Abend Gilbert Becaud und ich Kim de Hert.

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