King Krule, 04.12.2017, Astra Berlin

Vielmehr Klischee des Englischen Arbeiterklasse Proletariats als Archy Marshall aka King Krule kann man kaum verkörpern. Schmächtig, blass und rothaarig ist er das Ebenbild einer jeden Vorurteils-Schublade. Umso erstaunlicher ist die Präsenz, die der junge Engländer auf der Bühne hat. Dazu eine Stimme, die vor Lebenserfahrung nur so zu strotzen scheint. Woher Archy mit 23 Jahren diese Tiefe nimmt weiß man nicht, es kommt auf jeden Fall von ganz tief innen. Sehnsucht, Verzweiflung, Anklage, alles schwingt in seinen Songs mit. Und das mit so einer Intensität, dass er manchmal taumelnd vor dem Mikrofonständer steht und nur noch die Gitarre ihm scheinbar Halt bieten kann.
Die Atmosphäre auf der Bühne des Astra Kulturhaus ist von Anfang an düster, das liegt nicht nur am Licht, sondern auch an den Worten: King Krule singt bereits im ersten Song „This Is Hit“ vom grauen Himmel und wenig später von Borderline Syndromen. Trotzdem hört sich alles irgendwie wie Poesie an. Dass man nicht vollends in Depressionen verfällt, liegt an den Tempowechsel der Songs. So wirbelt das Schlagzeug von lethargisch zu treibend, alles in einem Song. Nicht nur King Krule merkt man seine musikalische Kompetenz an, die er an der Brit School Of Music erworben hat, die einzige Ausbildung, die er konsequent zu Ende gebracht hat. Auch die Band wirkt überaus versiert, ein Saxophon für die jazzigen Anklänge, TripHop Beats auf dem Keyboard oder eine punkige Gitarre. Es wird an Stilrichtungen alles geboten und das mit einer vermeintlichen Leichtigkeit. Nicht nur einmal fühlt man sich während des Konzert an die Pogues erinnert, die es auch meisterhaft beherrschten, den rauen Abgrund gleichzeitig rotzig und zärtlich klingen zu lassen. So wirken die Songs nie vollends hoffnungslos. Wer anfangs Bedenken hatte, dass das aktuelle Album „The OOZ“ live aufgrund der ruhigen Klänge eher ein Downer werden könnte, wurde eines Besseren belehrt. So mancher Song wurde für die Bühne neu arrangiert, so dass sie wesentlich knackiger wirken, ohne die schleppend langatmigen Parts, die die Platte in Teilen etwas mühsam macht. Archy selbst verliert nicht viele Worte zwischen seinen Stücken. Die Aussage liegt in den Songs selbst und brauchen keine großen Worte oder Gesten. Nach einer knappen Stunde ist der Zauber dann auch schon vorbei. Gefühlt stolpert man heraus aus einem englischen Club im Londoner Norden, rein in die dunkle kalte Berliner Nacht, nicht ohne dass das Konzert noch ein wenig nachhallt, frei nach dem Motto: „… and easy come and easy go…“

War dabei: Kate Rock

http://kingkrule.co.uk