Interview mit The Staves

Die drei Schwestern Emily, Jessica und Camille Staveley-Taylor verbinden in ihrer eigenen Interpretation der englischen Folk-Musik feenhaften Gesang mit Norwegerpullover-hafter Bodenständigkeit und sympathischem, britischem Humor. Aktuell sind die drei, bekannt als The Staves, auf Tour und heute Abend live in Berlin zu bewundern. Wir haben die Gelegenheit genutzt vorab eine Runde mit Emily zu plaudern und in Erfahrung zu bringen, was uns heute Abend erwartet.

Ich habe diese kleine Dokumentation gesehen, darüber wie Du und Deine Schwestern euer Album bei Justin Vernon im Studio aufgenommen habt. Ganz ehrlich, das sieht alles fast zu schön aus um wahr zu sein. 

Ok, dann erzähle ich Dir jetzt die wahre Geschichte. Er ist so ein Arschloch… (lacht)

Genau! Enthülle die ganze Wahrheit! (Gelächter) Nein ernsthaft, wenn man das sieht, möchte man sofort mit seinen Schwestern eine Folkband gründen, zu ihm fahren und mit ihm ein Album aufnehmen. In dem Video sagt ihr am Ende, dass ihr Euch nicht vorstellen könnt, wie es sein soll wieder nach Hause zu kommen. Wie war es tatsächlich? 

Es war seltsam. Etwa so wie wenn man aus einem unglaublichen Urlaub zurück kommt und sich wieder an die Realität gewöhnen muss. Ich bin froh, dass wir diese Dokumentation haben, es war schwierig unseren Freunden hinterher zu erzählen was wir erlebt haben, so dass sie es wirklich verstehen konnten. So konnten wir es ihnen ein bisschen zeigen. Als wir zurück gekommen sind mussten wir uns um den ganzen Business Kram kümmern, der leider auch dazu gehört. Wenn man ein Album fertig stellt verbringt man Monate mit dem Mixen, Mastering, Abnahmen… Man kreiert das Artwork, Videos, macht die Buchhaltung… Viel langweiliges Zeug das man gerne vergisst, wenn man eine Band gründet (lacht). Es sind tatsächlich ein paar Monate vergangen, bis jetzt, bis wir uns endlich wieder an die Musik erinnert haben, uns hingesetzt und unser Album angehört haben und uns dran erinnert haben, dass genau das der Grund ist, warum wir das alles machen. Trotzdem war es auch gut den Abstand zu kriegen, dadurch wissen wir die Musik heute wieder viel besser zu schätzen.

Ist das Album denn komplett dort entstanden? Oder hattet ihr die Songs vorher schon fertig und habt sie dort nur aufgenommen?

Es war eine Mischung aus beidem. Justin hatte uns eingeladen, er meinte, wenn ihr Zeit habt und nicht auf Tour seid, kommt einfach vorbei und hängt ein bisschen bei mir im Haus ab. Er meinte: lasst uns ein bisschen Gesang aufnehmen, ich habe ein paar neue Mikros, die ich gerne austesten würde… Ansonsten entspannt euch. Wir haben niemandem erzählt dass wir hin fahren und hatten überhaupt keine Erwartungen. Eigentlich wollten wir nur ein Bier mit ihm trinken, aber dann gab es diese vielen unfertigen Songs, Riffs, die man über Jahre hinweg immer wieder gespielt hat, Fragmente von Texten, die man im Hinterkopf hatte und am Ende kam dort alles zusammen. Es waren vielleicht zehn, zwölf Tage dort, aber ein derartig kreatives Momentum hatten wir vorher noch nie erlebt. Am Ende hatten wir acht fertige Songs. Bis dahin hatten wir immer so gearbeitet, dass wir einen Song geschrieben haben und mit ihm dann ins Studio gegangen sind. Dort war es so, dass wir im Studio eine Idee hatten und Justin meinte, lass sie uns direkt aufnehmen. Nimm die Stimmung auf, den Vibe. Es macht nichts, wenn es noch keinen Text dazu gibt. Das war cool für uns, ein völlig neues Experiment.

Das muss toll sein, wenn man jemanden trifft, mit dem man künstlerisch sofort klickt, der aber trotzdem die Art wie man arbeitet noch einmal neu aufrüttelt.

Ja! Ich weiß nicht ob es wirklich so selten und besonders ist, aber es hat sich so angefühlt. Man möchte das Gefühl gar nicht gehen lassen. So soll Musik sein! Diese Mischung aus Vertrauen und Respekt, dass jemand sich dir nicht aus der typischen Produzenten Perspektive nähert. Eher wie ein freundschaftlicher Kollege. Einerseits hat er uns gepusht, andererseits war er so offen gegenüber allem was wir wollten. Was auch immer für verrückte Ideen hatten, er war sofort bereit sie auszuprobieren (lacht).

Ist das Coverfoto auch dort entstanden? Ihr drei, wie ihr durch den Schnee lauft?

Ja! Das war ein ziemlich cooler Moment. Justin hat ganz viele alte Polaroid Kameras und hat die ganze Zeit Fotos gemacht. Das ganze Album Artwork ist aus diesen Fotos entstanden. Das Coverfoto haben wie am allerletzten Tag gemacht, als wir noch einmal durch die Gegend gefahren sind. Es gibt eine Straße in der Nähe seines Hauses. Er meinte holy shit, sieht das hier gerade großartig aus. Sofort raus aus dem Auto mit Euch! Und sobald das Bild entwickelt war meinten wir alle sofort: das ist unser Cover! Das war seltsam, aber es hat sich einfach richtig angefühlt.

Würdest du sagen, dass dieser besondere Ort auch Einfluss auf den Sound eures Albums hatte? Ich kann mir nicht helfen, ich muss immer an Schnee denken wenn ich die Platte höre.

(lacht) Da ist auf jeden Fall etwas dran. Mich persönlich beeinflusst Wetter und die Umgebung in der ich mich befinde extrem. Mir geht es ähnlich, viele der Songs lassen mich an Schnee und Sturm denken. Bei „Blood I Bled“ fühle ich mich immer als würde ich auf der Spitze eines Berges stehen und dabei zusehen, wie ein Sturm sich zusammenbraut. Wir haben noch nie so viel Schnee und so klirrende Kälte wie in Wisconsin erlebt. Wenn man auf diese unendliche, weiße Weite schaut… Das macht etwas mit einem. Es ist unfassbar schön, so pur, und gleichzeitig ist etwas in Dir, das möchte, dass du hinaus rennst und es zerstörst, einmal quer durch die Ebene läufst und deine Fußspuren hinterlässt. All diese seltsamen Gefühle, die mit dem Wetter dort verbunden sind, sind auf jeden Fall mit in das Album geflossen.

Jetzt, da ihr mit den Songs auf Tour seid, was dürfen wir erwarten? Seid es nur ihr drei auf der Bühne?

Nein, wir haben diesmal eine richtige Band, das ist so aufregend! Wir haben drei Jungs dabei, die Schlagzeug, Bass und Synthesizer spielen. Wir haben sehr lang an unseren Songs geübt (lacht). Es ist ein richtig voller Sound entstanden. Wir wollten nicht einfach nur die Songs auf dem Album nachspielen und versuchen den Sound genau nachzustellen. Sie sind nicht völlig anders geworden, aber so, als würden wir sie aus einem anderen Blickwinkel sehen. Das hält es lebendig, für das Publikum sowie für die Musiker.

Ich habe mich schon gefragt wie ihr es macht, da der Sound auf „If I Was“ doch etwas opulenter ist als auf „Dead And Born And Grown“.

Absolut. Und gefragt haben wir uns das definitiv auch (lacht). Die Songs auf „Dead Born and Grown“ haben wir vorher schon so oft live gespielt und wollten, dass sich die Aufnahmen anhören, als würde man in dem Moment mit uns im selben Raum sitzen und zuhören wie wir sie spielen. Jetzt, bei diesem Album, waren wir in einem Studio und wollten die Möglichkeiten voll ausschöpfen, die wir dort hatten. Von daher war es diesmal nicht so leicht die Songs live umzusetzen. Aber ich glaube, es ist uns gelungen (lacht).

Wer sich davon überzeugen möchte, kann dies heute Abend beim Konzert der Staves im Berliner Heimathafen tun. Tickets gibt es an der Abendkasse.

Interview: Gabi Rudolph