Interview mit Shara Nova von My Brightest Diamond

tumblr_o3upri3tig1r3ykubo1_1280Die Vorbereitung für das Endless Nameless Festival, wohl das ungewöhnlichste Musikspektakel, das je in dieser Form auf die Beine gestellt wurde, laufen auf Hochtouren. Zusammen mit den befreundeten Musikern Aaron und Bryce Dessner, Justin Vernon, Brandon Reid, André de Ridder, Vincent Moon und Ryan Olson sind Nadine May und Tom Michelberger vom Berliner Michelberger Hotel die Initiatoren dieses einzigartigen Happenings. Eine Woche lang werden über 80 Musiker in das legendäre Berliner Funkhaus zusammen gebracht um  zu kollaborieren. Das Ergebnis wird dem Publikum an zwei Tagen präsentiert. Dass es sich dabei um eine Wundertüte voller Überraschungen, sowohl für die Künstler als auch für das Publikum handelt und dass es durchaus mutig ist dabei mit zu machen, wurde in meinem Gespräch mit Shara Nova von My Brightest Diamond klar.

Du bist eigentlich gerade hier um dein neues Album aufzunehmen. Warum ausgerechnet in Berlin?

Mein Schlagzeuger Earl Harvin lebt hier, das ist der Grund.

Läuft es gut?

Ja, ich bin so wahnsinnig glücklich. In den letzten drei Tagen habe ich all die schweren Songs gemacht und mir die leichten für den heutigen letzten Tag aufgehoben. Allerdings war dann ein Stück schwieriger als gedacht. Daher ist es im Studio dann auch länger geworden als erwartet. Jetzt sind wir fertig und ich bin absolut zufrieden mit dem Ergebnis.

Du bist wahrscheinlich durch einen super spannenden Prozess gegangen, bis du an dem jetzigen Punkt angekommen bist?

Absolut, ich arbeite schon seit zwei Jahren an dem Material und bin daran fast gescheitert. Ich habe mehr Songs als jemals zuvor für dieses Album geschrieben. Vor anderthalb Wochen hatte ich allerdings gerade mal zwei Songs, die ich wirklich mochte und einen riesen Stapel an angefangenem Material. Plötzlich war es aber fast magisch. Ich habe in den letzten anderthalb Wochen sieben Songs geschrieben. Es ist wirklich verrückt. Und jetzt mag ich sie alle. Ich glaube es hat all die Missversuche gebraucht,  um dort anzukommen, wo ich jetzt bin.

Erzähl mir ein bisschen von dem geplanten Festival. Das hört sich unglaublich spannend an.

Das ist wirklich einzigartig. Ich kann mich an nichts erinnern, was in diese Richtung geht. Die Kurzform davon ist, dass Künstler für eine Woche in einen Raum gesperrt werden (lacht), ein bisschen was vorbereitet haben, vielleicht die ein oder andere Idee mitbringen und sich dann von dem Flow treiben lassen. Oder man sieht einfach jemanden der einen inspiriert und dann fragt man, ob man was zusammen machen kann. So stelle ich mir das vor.

Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Ich glaube Tom und Nadine wollten einen Raum für Kollaborationen schaffen und so ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Es ist ein bisschen wie in einem Labor. Man mixt etwas zusammen und  schaut, was dabei heraus kommt.  Normalerweise kauft man ein Ticket für ein Konzert eines Künstlers und weiß ziemlich genau, was einen erwartet. Also eine vorhersehbare Versuchsanordnung. In diesem Fall müssen sich die Zuschauer voll darauf einlassen, dass sie etwas Neues, Unerwartetes hören. Es wird nicht der eine große Hit gespielt, auf den alle warten. Trotzdem kann man ein einzigartiges Konzerterlebnis erwarten, was es so nicht mehr geben wird. Es ist ein einmaliges Erlebnis für uns und das Publikum.

Wussten sie, dass du hier bist und haben dich gefragt, ob du mitmachen möchtest?

Ja, ich war bereits beim ersten Mystery Festival hier im Michelberger dabei. Ich kenne Bryce und Aaron, die das Festival mitorganisieren schon ewig aus New York. Die beiden haben es über die Jahre geschafft, eine unglaubliche Musik-Kultur zu kreieren, die wahnsinnig kollaborativ ist. Sie haben nicht nur The National als Band an sich geschaffen, sie haben eine musikalische Plattformen geschaffen, mit all diesen unterschiedlichen Festivals  wie z. B. Crossing Boarders, Euax Claires, Music Now. Oder Red Hot and Indie, dort habe ich zum ersten Mal Justin von Bon Iver getroffen. Das war so ein tolles Erlebnis. Wir hatten vorher Zeit gemeinsam zu proben, jeder hat beim anderen auf unterschiedlichen Stücken mit gesungen. Bon Iver war Gast bei allen anderen Künstlern. Ich habe dieses Festival damals mit einem unglaublich bereichernden Gefühl verlassen. Es war nicht einfach nur so ein Gastauftritt, es war ein einzigartiger Spirit, es ging einzig und alleine um die Sache, gemeinsam seine Stimme zu erheben um Aufmerksamkeit für das Thema Aids zu schaffen. Dieses Gemeinsamkeits-Gefühl war unglaublich. Deshalb habe ich auch so einen großen Respekt vor diesen Musikern. Und wenn sie zu mir sagen „bist du dabei“ sage ich sofort „ja, wann muss ich wo sein“ (lacht). Wenn  man gemeinsam etwas kreieren kann, ist das eine wunderbare Erfahrung für einen Künstler. Ich hoffe aber auch, wir können etwas davon an die Zuhörer weiter geben und es wird auch für sie etwas einzigartiges, ungewöhnliches.

Durch die Aufnahmen zu deinem neuen Album hast du dich sehr intensiv mit deinen eigenen Sachen beschäftigt. Wie schaffst du es den Switch zu dieser Kollaboration zu machen, wo du gar nicht weißt, was auf dich zu kommt?

Meine Vorstellung davon ist wie ein Camp (lacht). Zudem zeigt man sich bei so etwas von seiner verletzlichen Seite. Es ist doch so viel einfacher wenn man genau weiß, was einen erwartet und man gut vorbereitet ist. Hier geht man das Risiko ein, dass man vielleicht einen glorreichen Moment hat, aber auch dass man auf die Schnauze fallen kann und sich vor einer Menge Leute ganz schön blamiert. Für mich persönlich ist das eine ganz schöne Herausforderung. Ich bin mir sicher ich kann etwas über mich lernen, wenn ich mich dieser Angreifbarkeit und Verletzlichkeit aussetze. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich das Gefühl habe, ich hätte nicht mein Bestes gegeben.

Das heißt, dieser Event ist für dich ein Experiment, der dich aus deiner Comfort-Zone raus bringt?

Ja, total! Und genau das macht mich auch ganz schön nervös. Im positiven Sinne. Ich bin nicht so spontan wie man denkt.

Ein paar der anderen Künstler kennst du gut, einige wiederum überhaupt nicht. Es sind ja mittlerweile über 80 Musiker. Da weiß man im Vorfeld gar nicht genau, was und wer einen erwartet. Weißt du schon mit wem du arbeiten wirst oder werdet ihr ganz zufällig zusammen gewürfelt?

Wir haben eine Liste bekommen mit den ganzen Teilnehmern. Seitdem schicken wir uns Mails hin und her mit Ideen. Auf dem Eaux Claires Festival habe ich Lisa Hannigan getroffen. Da kam die Idee auf, dass wir einen Frauenchor machen, ich habe schon öfter mit Gemeinde-Chören gearbeitet. Daran basteln wir jetzt und tauschen erste Gedanken aus, wir haben eine Dropbox, in der wir bereits Ideen austauschen, dadurch  entsteht jetzt schon ein richtig guter Spirit.

drummers-square-image-1200x1200Das hört sich toll an. Ihr seid also schon mitten drinnen?

Ja, zumindest ist das schon mal eine Richtung, die wir im Kopf haben. Ob wir das dann wirklich umsetzen werden sehen wir dann vor Ort. Wahrscheinlich treibt es uns dann in eine ganz andere Richtung.

Die Idee mit dem Frauenchor passt auch super zu Stargaze, finde ich. Ich habe Stargaze mit Richard Reed Parry von Arcade Fire mit seinem „Music For Heart And Breath“ vor zwei Jahren gesehen, das hat mich förmlich umgehauen, so schön war das.

Das stimmt, das würde in der Tat gut passen. Ich habe mit ihnen schon öfter zusammen gearbeitet. Ich mag sie sehr gerne, vielleicht kann ich sie ja auch für die Idee begeistern. Richard ist auch ein guter Freund. Das ist wunderbar, was er da gemacht hat. Stargaze ist für so eine Art von Musik wirklich toll.

Ich stelle es mir auch als eine Herausforderung vor, dass es so viele starke Persönlichkeiten sind, die normalerweise individuell oder in kleinen Teams arbeiten. Da muss man doch sein Ego an der Tür abgeben und das auch noch eine Woche alle zusammen auf einen Fleck?

Da bin ich wirklich auch gespannt, wie das funktioniert. Da sich aber alle auf die Idee einlassen ist schon von vorne herein klar, dass es nicht um Individuen geht. Aber man weiss ja nie was passiert. Deshalb mag ich die Choridee auch so gerne, wir lernen die Stücke der anderen und singen sie gemeinsam. Dabei ist das Ego ganz aussen vor.

Du hast in der Vergangenheit schon häufig mit anderen Musikern zusammengearbeitet. Was magst du an dieser Art zu arbeiten?

Ich bin ganz fürchterlich schlecht wenn es ums Jammen geht. Ich hasse jammen. Meine Kollaboration waren daher nie spontan. Das war  immer alles geplant. Ich bin absolut nicht der Typ, der irgendwo auftaucht und sagt „hey, lasst uns mal was zusammen machen“. Ich werde also richtig an meine Grenzen gebracht (lacht). Aber genau aus den Situationen, in denen man sich unwohl fühlt, entstehen ja die besten Dinge. Grundsätzlich mag ich einfach die Inspiration, die durch solche Zusammenarbeiten entsteht.

Bist du auf jemanden besonders neugierig oder hast du jemanden im Auge, mit dem du besonders gerne zusammen arbeiten würdest?

Das kann ich dir nicht verraten, dann klappt es am Ende nicht und ich stehe blöd da (lacht laut). Aber es gibt auf jeden Fall ein paar Musiker, die ich unbedingt ansprechen möchte und ich habe ein paar Dinge im Kopf, die Spaß machen könnten. Ich werde ein bisschen was vorbereiten, mich aber vom allgemeinen Flow mitreißen lassen.

Du machst nicht nur rockige Musik, du hast auch schon an Opern und Symphonien gearbeitet. Planst du davon etwas einfließen zu lassen?

(lacht) Meine Musik ist sehr schwierig. Man braucht auf jeden Fall viel Zeit das zu proben und vorzubereiten. Einige dieser Arrangements hatte ich ja auch mit Stargaze gemacht. Vielleicht kann es irgendwo ein bisschen einfließen, aber ich denke es wäre etwas zu komplex. Außerdem habe ich in letzter Zeit sehr viel mit klassischen Einflüssen gearbeitet und weniger Rock ’n Roll gemacht. Ich habe das Gefühl, ich möchte wieder mehr in diesen Bereich gehen, habe ein großes Bedürfnis diese Energie zu spüren und möchte das Ganze wieder körperlicher machen. Das geht mit klassischer Musik nicht so gut. Daher geht auch mein neues Album wieder in eine Rock Richtung, die tanzbar sein wird.

dsc_6883Wirst Du vielleicht auch Deine eigenen Songs zu dem Event mitbringen?

Ja, ich habe vor, ein paar von den neuen Songs die ich gerade aufgenommen habe dabei zu haben. Das spiele ich dann auch nicht mit dem Drummer, mit dem ich aufgenommen habe – noch eine Herausforderung (verdreht die Augen). Ich werde was mit Andi Haberl von The Notwist zusammen machen. Vielleicht singen die Mädels von dem Chor auch noch mit.

Das klingt super spannend. Daraus kann dann eine ganz ganz neue Version entstehen. Werden die Stücke auch aufgenommen oder ist das eine total einmalige Sache nur für das Hier und Jetzt?

Das wird spannend zu sehen, was daraus wird. Ob die Stücke aufgenommen werden, weiß ich allerdings nicht.

Das wäre schade, wenn etwas entsteht und dann kann man es nicht festhalten.

Das ist leider so, aber so ist das häufig mit Musik und auch das macht es spannend.

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht nur Überraschungen in der Woche in der ihr zusammen probt gibt. Wenn das Publikum dazu kommt, wird es sicherlich auch noch mal ganz neue Dynamiken geben.

Da bin ich auch sehr gespannt, was das noch mal für einen zusätzlichen Effekt hat. Ich bin wirklich aufgeregt, wenn ich daran denke, was alles passieren kann.

Vielleicht ergeben sich ja auch ganz neue, ungeahnte Konstellationen für zukünftige Projekte.

Ich hoffe sehr, dass neue Freundschaften entstehen werden. Ich hoffe auch, dass es ein Modell für unsere Welt sein kann. Das hört sich jetzt ein bisschen pathetisch an. Das „Wir“ muss einfach noch viel wichtiger werden. Man muss mehr mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen arbeiten und versuchen, gemeinsam Dinge zu bewegen und umzusetzen. Es geht nur zusammen und daraus kann etwas wunderbares entstehen.

Interview: Katja Metz

Fotos: Shervin Lainez, Heather Nash

Das Endless Nameless Festival:  1.-2. Oktober 2016 im Funkhaus Berlin
Tickets und weitere Informationen gibt es unter:  michelbergermusic.com