Interview mit Kraftklub: Tourschnupfen, Salamibrote und Major Labels

Als ich Felix, Steffen und Karl zum Interview treffe (die übrigen Kraftklubber sind im Nebenraum an der Xbox beschäftigt), sind sie mittendrin in ihrer „Autobahn zur Hölle Tour“, haben ein aufregendes Jahr hinter sich und blicken dem Release ihres offiziellen Debütalbums „Mit K“ entgegen. Ein wenig mitgenommen wirken sie, klagen über Tourschnupfen und informieren mich erst einmal ausgiebig über die täglichen Konfrontationen mit Steffens Bronchialschleim. Ausspucken? Runterschlucken?

Kraftklub (c) Tim KloeckerSteffen: Ich sollte vielleicht einfach mal zum Arzt gehen.

Felix: Ach quatsch, du solltest einfach weniger American Spirit rauchen.

Wahrscheinlich seid ihr inzwischen einfach etwas angeschlagen. Ihr habt ja doch ein recht aufregendes Jahr hinter euch.

Felix: Ich bin ja so ein bisschen Winter depressiv. Ich mag Winter nicht.

Steffen: Aber Weihnachten.

Felix: Bis Weihnachten ist es ok, da hat man ja noch was worauf man sich freuen kann.

Steffen: Neujahr ist immer ganz traurig.

Felix: Das find ich auch noch ok.

Steffen: Aber wann wirst du denn dann traurig?

Felix: Na so Februar, März.

Steffen: Da ist doch fast schon wieder Frühling.

Felix: Ach quatsch. Ich hasse den Winter. Und ich hasse es, wenn der Sommer vorbei ist. Das ist ganz schlimm.

Aber dann hilft es doch bestimmt, zu der Zeit auf Tour zu sein.

Felix: Ja, das stimmt. Dieses Jahr habe ich es gar nicht so richtig mitbekommen. Das ist super, auf Tour zu sein, da lenkt man sich schön ab und kommt gar nicht so schlimm in diese Depri-Phase rein, weil man tagsüber eh die ganze Zeit schläft.

Als ich euch Ende 2010 getroffen habe, auf Tour mit Fettes Brot, hatte ich das Gefühl es geht euch gut und ihr seid glücklich damit wie es läuft, aber eigentlich auch schon ziemlich durch.

Felix: Da hatten wir ja auch gerade zwei Touren hinter uns. Da war die komplette Casper Tour, dann hatten wir eine Woche Pause und schon ging es weiter auf die nächste Tour. Das war so ein Winter mit richtig Mega-Stress. Diese Entfernungen sind ja für Bands mit Nightliner nicht so schlimm wie für die Band, die in der Stadt im Hostel schläft und am nächsten Tag fahren muss. Da war ja auch dieses Schneechaos. Aber wir haben sehr lustige Sachen erlebt mit den ganzen Tourleuten.

Karl: Sehr leckeres Essen gab es. Fettes Brot hatten die Rote Gourmet Fraktion dabei, da gab es so Sachen wie Lamm mit Nusskruste.

Felix: Das beste Essen, das wir jemals gegessen haben. Das Krasse war, wir hatten am Anfang so Ossi-Style mäßig Angst, dass wir nicht satt werden. Weil das so riesen Teller waren und nur in der Mitte so ein bisschen was drauf. Aber man ist trotzdem satt geworden.

Ihr seid ja sehr Vorband erprobt. Casper, Fettes Brot, dieses Jahr die Beatsteaks… wie war da das Essen?

Felix: Auch super. Wir sind ja sowieso nicht so anspruchsvoll. Im Grunde kann man uns auch Spaghetti mit Wurstgulasch hinstellen und wir sagen: „Yeaaaah!“ Ich habe mich mein ganzes Leben lang von drei Dingen ernährt: Toastbrot mit Salami, Spaghetti mit Tomatensoße und Tiefkühlpizza. Was anderes habe ich nie gegessen. Viele Leute erzählen ja immer wie ungesund das Leben auf Tour ist. Ich habe, glaube ich, mein ganzes Leben lang noch nie so gut gegessen.

Wenn man wie ihr so viel im Vorprogramm aufgetreten ist, hilft einem das, als Band unerschrocken zu werden?

Felix: Klar. Wir sind ja jeden Abend raus gegangen und haben vor einem Publikum gespielt, das uns nicht kannte. Jeden Abend wieder rauskommen und die gleichen Leute die so da stehen: „Na schauen wir mal.“ Und entweder loost du dann oder du kriegst es hin, dass die Leute mittanzen. Das haben wir immer besser hinbekommen. Von der Beatsteaks Tour gibt es ein Video aus Münster, wo 7000 Leute springen, bam, bam, bam, das war unfassbar! Da eignet man sich schon ein Selbstbewusstsein an, wo wir vorher doch so Gruselgeschichten gehört haben, dass die Leute in das Set der Vorgruppe „Fettes Brot! Fettes Brot!“ oder „Beatsteaks! Beatsteaks!“ rein rufen.

Karl: Wenn das 10000 Leute machen hört man von der Musik nicht mehr viel.

Felix: Wir hatten wirklich ein sehr dankbares Publikum. Jetzt gehen wir auf Tour und sehen, dass das Publikum aus Leuten besteht, die uns entweder bei Casper, Fettes Brot oder am meisten bei den Beatsteaks gesehen haben. Deswegen ist es für uns so schön, weil wir mit Fug und Recht sagen können, dass wir uns die Leute erspielt haben.

Es ist schön zu sehen, dass das so funktioniert. Ich habe mich auch ein wenig gefragt wie die Tour für euch wird, jetzt da euer Album erst 2012 und nicht wie geplant vor der Tour erscheint.

Felix: Ja, genau. Wir hatten auch alle total Angst was jetzt passiert, aber wir waren einfach noch nicht 100 Prozent zufrieden damit und dachten das wäre blöd, wenn man sich mit dem Debütalbum so hetzen lässt. Die Tour war ursprünglich so angelegt, dass sich alles hoch verlegen lässt aber dann haben wir gesagt scheiß egal, dann spielen wir einfach nochmal eine kleine Tour und versuchen es so. Und alle hatten Angst, dass niemand kommt. Jetzt gehen wir auf Tour und alles ist voll, das ist total abgefahren!

Habt ihr denn das Gefühl ihr könnt es benennen – ich sage mal, ganz abgeschmackt, das Geheimnis eures Erfolges? Was genau es ist, das die Leute dazu bringt, euch sehen und hören zu wollen, auch wenn sie eigentlich für eine andere Band gekommen sind?

Felix: Also ich bin der festen Überzeugung, dass es am live spielen liegt. Dass es nicht so angefangen hat, dass wir entdeckt wordenKraftklub2 (c) Philipp Weiser sind, einen Vertrag bekommen haben, Musikvideos, total krasse Aufmerksamkeit und dann geht man auf Tour, sondern dass es eher andersrum war.

Steffen: Eine Band, die man selber entdecken konnte, jetzt nicht eine, die schon im Fernsehen war.

Felix: Ja, genau, dass die Leute das für sich entdecken konnten. Das macht ja auch Spaß, eine Band zu entdecken und zu denken die finde ich cool, und dein Kumpel kennt sie überhaupt nicht. Dann sagst du, ja, ich hab die entdeckt! Dann saßen wir vielleicht bei TV Total auf der Couch und dann heißt es ah, weißt du noch, das waren die, die wir lustig fanden…

Karl: Jetzt find ich die Scheiße (Gelächter).

Felix: Das ist vielleicht auch ganz cool, dass wir damit gar nicht so ein Problem haben, mit diesen „Realness“, „Ausverkauf“ und „Kommerz“ Vorwürfen. Weil wir von Anfang an gesagt haben wir machen Popmusik. Und wenn uns ein Label dafür Geld gibt, dass wir die Platte aufnehmen, gerne! Den Luxus nehmen wir gerne mit.

Steffen: Indie gibt’s ja gar nicht mehr. Oder?

Felix: Ich mach mir da keine Gedanken. Wenn es floppt, dann floppt’s halt. Dann können wir immer noch live spielen.

Es hört sich ja auch so an, als hättet ihr, was euer Debütalbum angeht, trotz Major Label viel Entscheidungsfreiheit gehabt.

Felix: Ja, ja. Die wollten es ja dieses Jahr eigentlich unbedingt raus bringen. Aber wir haben uns noch nicht wohl damit gefühlt, es so rauszubringen sondern erst, wenn wir es alle cool finden. Und jetzt finden wir es alle cool.

Steffen: Wegen dem Bundesvision Song Contest hatten wir schon etwas Bedenken ohne Album, aber eigentlich war das cool. Wir waren so ein bisschen der Underdog weil wir die einzige Band waren ohne Album.

Felix: Die Songs, die wir jetzt spielen, die haben wir quasi irgendwann machen müssen, weil wir nicht genug Songs hatten für die Shows, die wir jetzt spielen. Gerade bei Festivals oder eben als wir angefangen haben Geld zu bekommen konnten wir ja nicht mehr sagen hey, wir haben aber nur eine halbe Stunde! Auf der Casper Tour haben wir die meisten Songs geschrieben, die jetzt auf dem Album sind. Deshalb hat das Album auch nicht so ein Gesamtkonzept, es sind einfach alle Songs, die wir bis jetzt geschrieben haben, damit wir irgendwie live spielen können. Aber mir graut schon davor, wenn die Leute das Album hören. Das wird ja nie damit mithalten können, was sie für ein Gefühl hatten, als sie die Songs live gehört haben. Dann hörst du das auf Platte und es ist möglicherweise viel steriler.

Karl: Wir hatten schon überlegt, überall noch Klatschen und Schreien unterzumischen.

Felix: Oder mit dem Album einen Kumpel mitzuschicken. Jemand, der das Album mit dir im Auto ganz laut aufdreht  und mit dir mitsingt.

Karl: Einen aufblasbaren Freund…

Felix: …einen aufblasbaren Freund der dich anpogt im Auto!

War euch sofort klar, welche Songs von eurem selbst produzierten Album „Adonis Maximus“ ihr auf das offizielle Debütalbum mitnehmen wollt?

Felix: Ja, das war relativ klar, welche sich als unsere persönlichen Hits entwickelt hatten. Und so Sachen wie „Scheiß in die Disco“ und „Zu Jung“ wollten wir einfach nochmal aufnehmen. Das hat uns immer gestört, wenn das irgendwo in der Disco lief bei uns und nicht so geknallt hat. Das war immer so…. oooooh! Das kam dann zum Beispiel nach den Arctic Monkeys… (Gelächter)

Steffen: Und man hat den DJ gesehen wie er noch versucht hat es lauter zu machen.

Felix: Bei „Liebe“ zum Beispiel, da weiß ich jetzt schon dass Leute fragen werden: „Wo ist denn das Heulen?“ Und: „Die alte Version war viel schöner!“ Aber uns ging das Geheule in dem Song irgendwann auf die Nerven, dann haben wir’s halt raus gelassen. Aber die alten Versionen gibt es ja immer noch, die kann man ja im Internet runter laden.

Karl: Und live ist sowieso alles anders.

(Kurze Pause)

Felix: Ich hab irgendwie Angst, dass wir so rüber kommen als ob uns das Album völlig egal wäre!

Karl: Nein, das Album ist fett!

Felix: Wir haben uns wirklich lange im Studio rum geschlagen mit den Songs. Wir haben im Sommer tierisch viele Festivals gespielt und sind dazwischen nicht nach Hause gefahren sondern hier nach Berlin und haben auf Isomatten gepennt, um das Album fertig zu kriegen.

Könnt ihr rückblickend sagen, was das Aufregendste war, das euch 2011 passiert ist?

Kraftklub (c) Philipp WeiserFelix: Ich muss schon zugeben, was als Band Erlebnis mega lustig war, war der Bundesvision Song Contest. Wie wir in dem Hotel waren mit all den anderen Bands. Und die Sache mit den Bodypaintings, wie wir einen Tag vorher durch Köln gelaufen sind und uns so Mädchenrasierer gekauft haben. Abends dann kollektives Duschen und Rasieren. Und dann so verzweifelt, weil das natürlich nicht so funktioniert hat wie wir uns das vorgestellt haben. Rasiert man sich mal kurz die Beine, wie schwer kann das sein? Am Ende hatten wir blutrote Beine und waren mega zerschnitten (Gelächter). Abends sind wir eingeschlafen und als wir am nächsten Morgen aufgewacht sind sah das Bett aus als hätten wir unsere Periode gehabt, alles voller Blut! Keine Ahnung was das Hotelpersonal gedacht hat.

Karl: Man fühlt sich noch nackter, so weich…

Felix: Wie so kleine Küken. Dann das Anmalen, die Show, die Aftershowparty… da gab es eine Currywurstmaschine! Das war total absurd, die ganzen Sachen, die wir da erlebt haben. Und am Ende haben wir gar nicht mal so schlecht abgeschnitten.

Zum Abschluss überbringe ich immer gern eine Frage meiner Tochter. Sie ist sechs und möchte von Dir, Felix, wissen, ob du wirklich so eine schlimme Schwester hast, wie du sie in „Randale“ besingst.

Felix: Ja. Also ne, was heißt schlimm… die ist super. Wir haben sogar zwei. Till, der Bassist und ich, sind ja Brüder und wir haben zwei kleine Schwestern , von denen der Song handelt. Das sind halt zwei kleine Rummbuffs.

Zwei was?

Felix: Na Rummbuffs!

Steffen: Rabauken.

Felix: Das war megalustig, weil die sich immer aufgeregt haben, dass die Jungs in der Klasse so gepetzt haben. Dass das so Weicheier waren, die wegen jedem Scheiß zur Lehrerin gerannt sind. Und unsere kleinen Schwestern waren immer die harten. Wenn du die siehst würdest du nie denken, dass von denen der Song handelt! Das sind zwei Blondinen, so Schnecken.

Und geben sie heute damit an? Von wegen hey, das Lied handelt von mir?

Felix: Ich glaub schon. Bei uns in der Heimatstadt sind wir relativ groß, da ist das schon so, dass man damit angeben kann. Mein kleiner Cousin geht in Berlin in die Schule, der sagt nö, meine Klassenkameraden kennen euch nicht…

Noch nicht! Wir wünschen euch ganz viel Glück für 2012!

Interview: Gabi Rudolph

Kraftklubs Debütalbum „Mit K“ erscheint am 20. Januar bei Universal Music.