Interview mit Heisskalt

Vor ihrem Konzert im Hamburger Headcrash habe ich die Band Heisskalt zum Interview getroffen. Im Januar haben die Stuttgarter Jungs ihre erste EP auf dem Label Chimperator Department rausgebracht, mit der sie jetzt zum ersten Mal als Headliner auf ihrer eigenen Tour unterwegs sind.

Erzählt doch mal kurz was über euch.

Matze: Also wir sind Heisskalt, machen alternativen Rock mit deutschen Texten und kommen aus Stuttgart. Unser Sound hat gewisse Hardcore Einflüsse, da wir alle viel Hardcore gehört haben und auch immer noch hören.

Das steht auch auf eurer Homepage, dass ihr vier Hardcore Jungs seid, die jetzt deutschen Rock mit gewissem Pop-Appeal machen…

Matze: Genau das trifft es eigentlich auch perfekt. Wir haben ganz viel, sehr laute, schrecklich brutale Musik gehört und hören das auch immer noch und machen jetzt Musik, die davon auf jeden Fall beeinflusst ist.

Und warum jetzt diese Kehrtwende, warum kein Hardcore mehr?

Marius: Das ist ja keine Kehrtwende.  Wir haben das einfach ein bisschen abgeändert, weil wir Bock drauf hatten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt haben wir Songs geschrieben, die auf einmal auf Deutsch und vielleicht ein bisschen poppiger waren, aber als Kehrtwende würde ich das nicht bezeichnen. Also keine 180 Grad-Wendung, sondern eher sowas zwischen 30 und 90 Grad.

Also hat sich das eher so entwickelt und war keine bewusste Entscheidung?

Matze: Ne, das war keine bewusste Entscheidung. Ich hatte diese Songs geschrieben und ich kannte die Jungs auch schon ganz lang, da hab ich gefragt:  ‚Hey, sollen wir nicht mal probieren Musik auf Deutsch zu machen?‘ Das fanden wir dann alle cool, hatten aber auch von Anfang an noch diesen Sound im Kopf, mit den vielen Becken und dem Rumgeprügel. Das hat sich so im Laufe der Zeit auch immer weiter entwickelt und wir schreiben jetzt auch gerade neue Songs. Es ist nicht so, dass wir  denken, wir haben jetzt so lange Hardcore gemacht, das hat nicht funktioniert und jetzt machen wir mal Pop-Rock, damit wir die Leute erreichen. Das hat sich so ganz natürlich entwickelt und wir müssen uns da nicht verbiegen oder so.

Hört ihr selbst noch viel Hardcore?

Matze: Nicht nur, aber auch.

Was waren denn die letzten Konzerte, die ihr privat besucht habt?

Lucas: Veto am Dienstag, alle zusammen. Und vor zwei Wochen waren wir bei Counterparts und Landscapes in Stuttgart.

Marius: Wir sind oft auf Konzerten, einfach weil wir da spielen oder weil was los ist. Wir waren privat  auch bei Cro. Da kommt man einfach hin, nicht unbedingt weil man sich sonst eine Karte gekauft hätte, sondern weil er ja auch bei Chimperator, unserer Labelfamilie ist.  Aber es gibt dann immer  Highlights, wenn deine Lieblingsbands in der Stadt sind gehst du hin und kaufst dir ne Karte.

Ihr habt gerade Cro und Chimperator angesprochen. Ich habe gelesen, dass ihr mit einigen Labels in Verhandlungen wart und ihr habt auch selbst gesagt, dass man bei Chimperator eigentlich keinen Schimmer hat, wie Rock funktioniert. Wieso habt ihr euch trotzdem für dieses Label entschieden?

Matze: Das ist auf jeden Fall ein Interview gewesen, das leicht überspitzt formuliert war. Chimperator haben ja jetzt ein neues Label im Label aufgemacht, das ‚Chimperator Department‘, weil sie sich auch mit Themen abseits des Hip Hop beschäftigen wollen. Wir fanden die Idee, unabhängig davon, dass wir auch die Leute von Anfang an extrem sympathisch fanden,  einfach interessant, was Neues zu machen, wo man auch mitgestalten und was aufbauen kann. Man lernt dabei auch voneinander und diese zwei Welten, die da aufeinander prallen – vielleicht formt sich da ja auch was ganz Abgefahrenes. Das war damit gemeint.

Marius: Wir sind ja auch tatsächlich auf dem Label ‚Chimperator Department‘, das muss man dazu sagen. Die sind eben auch nicht so sehr auf dem Hip Hop Fokus und wissen auch was sie tun.

Merkt ihr denn, dass durch euren Chimperator Background auch ein paar Cro Fans auf eure Konzerte stolpern und eigentlich keine Ahnung haben, was ihr so macht?

Matze: Ja. Aber das ist auch schön, die finden das auch irgendwie cool, glaube ich. Wir haben jetzt noch von keinem Fan mitbekommen der dachte, ich geh da mal hin und dann ganz enttäuscht wieder nach Hause gegangen ist.

Lucas: Die gehen wahrscheinlich eher überrascht und geflasht nach Hause, weil sie sowas in der Form nicht erwartet und noch nicht gesehen haben.

Marius: Wir sind da auch selbst ziemlich überrascht. Wir sehen das natürlich auch, wenn wir auf die Bühne gehen, dass da vor allem in den ersten paar Reihen Leute sind, die wir nicht unbedingt erwartet hätten. Aber uns ist dann auch klar wo die herkommen und wir freuen uns dann umso mehr, wenn die auch in der ersten Reihe stehen bleiben.

Ihr habt größtenteils ziemlich junge Fans. Würde es euch stören, wenn ihr jetzt zu einer Teenie Band werdet?

Lucas: Ja, aber ich glaube, das kann nicht passieren. Es stört uns nicht wenn wir jüngere Fans haben, aber ich glaube nicht, dass wir in so ein Teenie Ding reinrutschen.

Marius: Das ist ein bisschen schwierig. Als ich 14, 15, 16 war hätte ich es blöd gefunden, wenn eine Band gesagt hätte, dass sie es nicht cool findet, wenn ich ihre Musik höre.

Es kommt eine kleine Diskussion auf, wie man eine Teenie Band definiert. Fazit ist, dass jüngere Fans ok sind, die Jungs sich aber nicht vorstellen können nur Teenies anzusprechen, sondern dass der bunte Mix das Publikum ausmacht. Auf meine Anmerkung hin, dass das Publkium von Jennifer Rostock, für welche Heisskalt Anfang des Jahres als Support Act gespielt haben, auch eher jung ist, gibt es eine kleine Uneinigkeit innerhalb der Band, ob das Publikum wirklich so jung war. Man ist sich einig, dass es deutlich weiblich geprägt war, wobei ich glaube, auf dem Heisskalt Konzert auch einen deutlich höheren Frauenanteil beobachtet zu haben.

Wie ist es denn jetzt selbst Headliner zu sein, nicht im Vorprogramm sondern eine eigene Tour zu spielen?

Marius: Vor allem fürs eigene Gefühl macht es einen Unterschied. Ganz abgesehen vom Publikum ist es einfach ein ganz anderes Gefühl wenn Du weißt, die Leute sind jetzt hauptsächlich wegen dir da.

Matze: Lucas hat das heute ganz gut zusammengefasst. Das ist ein ganz geiles Gefühl vor nem Club zu spielen, wenn da nur 50 Leute stehen, die deine Texte kennen und Party machen und das abfeiern. Es ist vielleicht gar nicht so geil vor 1500 Leuten zu spielen, die dich aber alle zum ersten Mal sehen und vielleicht auch nur mäßig interessiert sind an dem was du da machst. Deswegen genießen wir das voll.

Lucas: Es ist auch schön zu sehen, dass es sich wirklich gelohnt hat, dass wir uns massiv den Arsch abgespielt haben, seit es und gibt. Wenn sich ein Laden in einer Stadt von Mal zu Mal füllt sieht man, dass es sich gelohnt hat. Es ist, wie in Leipzig, eben auch schon passiert, wo wir vorher schon viermal waren, dass nur 40 Leute gekommen sind.

Marius: Und es ist ein Unterschied den man körperlich merkt. Wenn man als Vorband spielt, wie es bei Jennifer Rostock war, da ist man nach 25 Minuten komplett fertig. Weil du halt so viele Leute hast,  die du überzeugen willst. Das passiert natürlich auch unterbewusst. So hängst du dich viel mehr rein. Und jetzt hier sind wir natürlich trotzdem aufgeregt. Auch wenn wir die Headliner sind, machen wir uns natürlich trotzdem unsere Gedanken wie wir ankommen, aber dennoch ist man ein bisschen entspannter. Man muss nicht jeden überzeugen, weil man nur diese eine Chance hat, die Leute kennen einen schon.

Dann wird’s ja im Sommer auf den Festivals wieder richtig anstrengend…

Lucas: Festivalpublikum ist tatsächlich ein bisschen leichter. Die Leute gehen ja nicht wegen einer bestimmten Band irgendwohin. Wenn die sich dann vorne an die Bühne stellen, wollen sie dich schon auch angucken. Vor allem bei diesem Scheißwetter freuen wir uns natürlich schon richtig auf den Sommer.

Freut ihr euch auch darauf, ein paar Bands zu treffen?

Lucas: Ja wir spielen mit Jennifer Rostock ein paar Festivals und das ist wirklich ne richtig geile Chance die Band mal wieder zu treffen. Die Chance hat man normalerweise nicht, wenn man getrennt voneinander unterwegs ist. Oder auch Labelkollegen oder Freunde, wie ein kleines Klassentreffen.

Gibt es, wenn ihr an die Festivals denkt auch iemanden, mit dem ihr gern mal spielen würdet?

Matze: Wie heißt das Festival, bei dem Nine Inch Nails spielen?

Phil: Rock’n’Heim.

Matze: Ja genau, wenn wir da spielen könnten und Trent Reznor über den Weg laufen würden, würden Phil und ich sofort in Ohnmacht fallen.

Marius: Wir spielen auf einem Festival mit Fall Out Boy zusammen. Das sind zumindest für mich ziemlich große Jugendhelden. Da freu ich mich auch schon drauf, die vielleicht zu treffen.

Wie sieht es denn zeitlich mit eurem Album aus, wart ihr schon im Studio?

Lucas: Ne, wir waren noch nicht im Studio, aber wir waren in einer Hütte im Schwarzwald, haben uns da eingeschlossen und Songs geschrieben. Einige davon spielen wir jetzt auch auf Tour und werden so eine Session wahrscheinlich nochmal hinlegen. Das dann eher bei uns im Proberaum zu Hause, um nochmal mehr Songs fürs Album zu schreiben. Wenn die geschrieben sind, wollen wir auf jeden Fall noch ein bisschen Zeit verstreichen und die Songs etwas liegen lassen. Und dann nochmal rüber gehen, die Songs reifen lassen. Man hört manchmal einfach noch Sachen, die einem vorher nicht aufgefallen sind.

Matze: Ich hatte auf jeden Fall die Hoffnung während der Tour noch schreiben zu können, weil wir die Wochen ja immer zu Hause sind und nur am Wochenende unterwegs. Das hat sich bisher leider als relativ unmöglich herausgestellt, weil ich nebenbei auch noch umgezogen bin.  Aber ich glaube, nach der Tour wird das wieder besser.

Lucas: Arsch abspielen und Platte schreiben, das ist einfach ganz schön hart.

Meint ihr denn, ihr bekommt das Album dieses Jahr noch fertig?

Lucas: Das ist auf jeden Fall der Plan, das sollte schon irgendwie klappen.

Matze: Es wird alles andere als stressfrei dieses Jahr für uns, aber wir sind da ganz guter Dinge.

Ich habe vorhin mal geguckt, ihr habt zurzeit 8293 Facebook Fans. (Phil, der gerade am Laptop sitzt checkt das gleich auf Richtigkeit)  Was glaubt ihr, was kommt da dieses Jahr noch so dazu?

Matze: Die 10.000 zu schaffen nach der Tour fänd ich richtig geil. (Anmerkung: Aktuell sind es knapp über 9000).

Lucas: Ich glaub das ist ein bisschen utopisch, das schaffen wir glaube ich nicht.

Matze: 15.000 am Ende des Jahres wär schon richtig cool.

Marius: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das wirklich überhaupt nichts aussagt. Es ist immer ganz witzig als Band, wenn man das so ein bisschen verfolgen kann, und wahrscheinlich richtet sich auch der ein oder andere Veranstalter danach, aber im Endeffekt ist das echt totaler Quatsch. Bands werden allgemein nicht danach bewertet, wie viele Facebook Likes sie haben.

Lucas: Naja doch, oft leider schon.

Marius: Aber allgemein im Großen und Ganzen doch eigentlich nicht, die Musik zählt am Ende des Tages.

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie sich Heisskalt weiter entwickeln werden, und ob sie ihre Musik wirklich so positionieren können, wie sie es sich zu wünschen scheinen. Die Besucher auf dem Konzert sprachen jedenfalls eine ganz eigene Sprache und es war deutlich zu erkennen, wer wegen Marathonmann gekommen war, und teils danach eben auch gleich wieder gegangen ist.  Live geht die Musik tatsächlich mehr nach vorn als auf Platte, Talent haben sie auch, also bleibt zu hoffen, dass das Album die EP in den Schatten stellen kann.

Interview: Samira Szago

https://www.heisskaltmusik.de/


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