Interview mit Berni Mayer

Berni Mayer ist Autor, Blogger und Musiker. Am 20. Oktober steht er gemeinsam mit Kollege, Freund und Nachbar Rüdiger Rudolph in dessen Comedy Gipfeltreffen „Rüdiger & Friends“ auf der Bühne der Berliner Scheinbar. Grund für die beiden, sich vorher einmal so richtig auszusprechen. Haben wir uns gedacht und Berni und Rüdiger zum ausführlichen Gespräch an einen (Küchen)tisch gebeten – über die „Mandel“ Krimireihe, dem Leben auf Tour und Lesereise und – natürlich – über Humor.

Wie geht es Dir?

(lacht) Im speziellen, heute, oder generell?

Speziell … nein …. Generell.

Generell geht´s mir gut. Ich habe zwei Bücher veröffentlicht. Mein erstes Musikvideo gedreht, als Regisseur. Und bin auf meiner ersten Lesereise gewesen. Und ganz oft im Radio. Also quasi mehrere Jugendträume in einem Jahr erfüllt.

Lesereise war ein Jugendtraum?

Auf Tour gehen. Eigenverantwortlich. Ich selbst als Headliner. Und Bücher schreiben, und veröffentlichen. Und nicht irgendeinen Quatsch Erfahrungsbericht, „als ich damals Blogger war“, sondern einen Roman. Mit erfundenen Figuren, Belletristik, ein ganz eigenes Universum, erschaffen, und das kauft dann sogar noch jemand und kommt zur Lesung. Und im Radio zu Gast sein. Das hatte ich zwar schon öfter, aber nicht in der Häufung.

Ich nehme an, das war in Deiner Zeit als Musikjournalist?

Nee früher mit Bands. So in Nachwuchssendungen. Jeder Sender hat doch so Nachwuchssendungen. Und da geht man da so mit seiner Band hin, trinkt furchtbar viel Bier vorher und redet nur Quatsch und denkt man war total lustig und spontan und dann hört man´s und das bedrückt echt, wie Scheiße man, aber freut sich wie gut die Musik klingt. Das läuft beim Radio durch so viele Kompressoren, da klingt das letzte Rotzdemo als wär´s vom Produzenten von Queen.

Das heißt, als Du als Jugendlicher von einer Tour geträumt hast, hast Du dabei wahrscheinlich eher an Deine Musik gedacht.

Stimmt. Ich glaube ich war sogar mal 4 Tage auf Tour.

Darf ich fragen, wo diese Tour lang ging?

(lacht) Köln, Stuttgart, Hannover … und das vierte weiß ich nicht mehr.

Aber das ist doch schon 1.Bundesliga. Große Städte.

(überlegt, lässt nicht locker, irgendwann) Hamburg, Köln, Hannover, Stuttgart. Aber das hat mir nicht so gut gefallen. Mir hat ja schon das Rumfahren mit der Band am Wochenende nicht gefallen. Ewig mit den gleichen Typen im Bus sitzen, hast kein Geld bekommen. Die Zeit hätte ich lieber mit Bier und Frauen oder wenigstens Fernseher und Playstation verbracht. Ab einem gewissen Punkt, wenn man schon oft live gespielt hat, habe ich einfach nicht mehr verstanden warum ich für 20 Leute, die mir sowieso nichts abkaufen noch einmal 7 Stunden in einem Tourbus mit ausgefallener Heizung nach … Lörrach fahren soll.

Verstehe. Also das alleine auf Tour gehen als Schriftseller gefällt Dir also besser?

Ja, ein Kumpel mitzunehmen wäre okay, aber nicht 3-4 Leute. Alles unterhalb einer Gruppenkarte bei der Bahn.

Bist Du damit jetzt Schriftsteller?

Ja, Schon. Auch wenn man sich ein bisschen scheut das zu sagen, gerade hier in dem Kreis in dem man sich hier in Berlin bewegt, wo jeder was Kreatives macht. Dann hat man fast Angst sich so paritätisch auf eine Ebene mit allen anderen zu begeben. Und die anderen arbeiten nebenher noch in Agenturen und schreiben trotzdem noch Bücher. Ich würde trotzdem sagen, dass ich Schriftsteller bin, weil ich das fast ausschließlich mache. Das nimmt ganz viel Zeit weg und Energie. Und wenn ich gerade nicht schreibe, denke ich über das nächste Buch nach. Und weil es der schönste Beruf ist, den ich je hatte. Und weil ich ihn für den Rest meines Lebens gerne machen würde.

Glaubst Du, Du wirst bei Deinem nächsten Buch dem Genre treu bleiben?

Nein. Wenn´s nach mir ginge, würde ich nach dem Mandel III, der ja irgendwann kommt, Frühjahr 2014 vermutlich, ein ganz anderes Buch schreiben und dann vielleicht wieder zum Mandel zurück kehren. Aber was mich gerade so reizt: es gibt so wahnsinnig viele interessante Geschichten aus der Provinz zu erzählen. Aber nicht so Geschichten wie: naja, dann habe ich jetzt 10 Jahre in der Großstadt gewohnt und dann gehe ich jetzt in die Provinz und guck mal wie es da so ist. Keine Sinnsuchen, keine Heimkehr, sondern eher so Gemeinheiten auf dem Land . Es gibt zum Beispiel dieses grandiose Dramolett, „Jagdszenen aus Niederbayern“ von Martin Sperr. Da verbergen sich ja ganz viele Grotesken und Gemeinheiten. Du hast halt am Land einen sehr eingeschränkten Personenkreis, der sich sehr exzentrisch benimmt. Da fällt die Exzentrik auch mehr auf. Wenn Du Dir heute ein vergoldetes byzantinisches Schloss hinstellst, weil Deine Brauerei gerade ganz gut läuft, und dann noch eine original Kirchenorgel einbauen lässt wie man sie sonst nur im Merseburger Dom , wäre das auch in der Stadt sehr exaltiert. Aber auf dem Land strahlt das viel weiter aus. In der Stadt da rollt das ganze menschliche Elend so übereinander her. Wellenartig bedeckt sich alles. Am Land spritzt´s mehr. Das Blut. Und es fällt auch mehr auf.

Autofahrten sind ein häufig wiederkehrendes Motiv in Deinen Büchern.

Gemeinsam Autofahren fordert einen Mensch sozial halt mehr als wenn man zu Hause in seiner Wohnung sitzt. Zu Hause kann man sich regenerieren. Du erlebst irgendwas verrücktes, beruflich oder weil Du Dir einen reinsäufst , dann gehst Du nach Hause, Du isst, schläfst, redest mit Deiner Frau. Und der nächste Tag ist dann ein Neuanfang. Das hast Du nicht, wenn Du unterwegs bist. Dieses unterwegs sein ist dann wie ein Tag, das kann sich über Wochen hinziehen, das alles ist dann eine Reise. Das fördert viel extreme Verhaltensweisen. Und so geht es auch Mandel und Singer. Die können nicht zurück. Es gibt kein zu Hause, nix wo man sich erholen kann. Und vieles funktioniert nicht. Das Navi spinnt, das Handy geht nicht. Es stresst sie. Das erfordert ganz andere Maßnahmen.Dadurch entsteht eine Beschleunigung der charakterlichen Entwicklung. Wenn Du eine Reise machst und kontroverse Dinge erlebst , dann entwickelst Du Dich quasi in Zeitraffer.

Machen Deine Figuren auch Dinge die Dich überraschen?

Beim ersten Buch noch nicht so. Da waren das noch etwas statische Charaktere, deren Eigenschaften ich aus mir selber und anderen geschöpft habe. Aber irgendwann bei der Lesereise zum ersten Buch habe ich dann gemerkt, wenn ich die lese, das bin nicht mehr ich. Die haben ein Eigenleben. Beim zweiten Band war dann die Herausforderung, das Szenario und den Kriminalfall zu gestalten. Das war dann wie eine Versuchsanordnung. Ich wusste das spielt in Norwegen, ich wusste es spielt in der Metal Szene, ich weiß in etwa wie es ausgeht. Und da habe ich dann meine beiden Figuren reingesetzt wie Mäuse in ein Labyrinth. Oder um es im Computerspieljargon zu sagen: Ich übernehme meine Charaktere aus dem Vorgängerspiel und lass sie im zweiten Teil weiter spielen. Und dann verhalten sie sich, das ist faszinierend, von alleine. Das ist vielleicht das Beste, was ich über dieses Jahr sagen kann. Die schreiben sich von selbst. Das habe ich heute erst erlebt. In dem Moment wo ich die beiden einen Dialog führen lasse, geht das von selbst. Sobald ich aber versuche die Handlung voranzutreiben muss ich mir jeden Satz überlegen.

Wie sähe denn ein Mandel Computerspiel aus?

Das wäre vielleicht ein Clickadventure im Stil von LucasArts. Das müssten der Mandel und der Sigi Dinge tun. Laptop einschalten, Bus fahren, Sachen suchen. Nach Bergen fahren. Eigentlich so eine Art GTA Norway. Der Soundtrack ist auch klar. Black Metal. Und dann wie bei GTA: Missionen erledigen. Fahren, Aussteigen, Kreuz anzünden.

Passiert der Humor automatisch?

Humor ist beabsichtigt. Viel Humor entsteht dadurch, dass man sich nicht versteht. Das Lustigste sind immer zwei Leute, die sich nicht verstehen, nicht harmonieren. Auf irgendeine Art und Weise nicht zusammenkommen. Das gibt es in den verschiedensten Formen. Das kann so ein Kommerzbonbon sein wie „Harry & Sally“. Aber man findet das auch in extremer Form bei Gerhard Polt. Wo quasi jeder Sketch davon handelt, dass zwei aneinander vorbeireden. Loriot ist auch Antikommunikationshumor par excellence.

Liest Du selber gerne Krimis?

Gar nicht so. Die neuen Sachen sind mir alle zu weltverschwörerisch. „ Sherlock Holmes“ habe ich immer gerne gelesen. Aber auch da: Watson und Holmes, das ist für mich wie eine Blaupause für Mandel und Singer. Da haben mir zwei Sachen gefallen: das Verhältnis der beiden Detektive. Und dieses still und langsam dem Verbrechen auf die Spur kommen. Derivieren. Analysieren.

Wo liegen die Fähigkeiten Deiner beiden Ermittler?

Mandel und Singer werden natürlich nicht über Nacht zu Meisterdetektiven. Sie sind Musikjournalisten, die einen Kurs bei der IHK belegt haben. Aber Sie sind absolute Meister im verursachen von Chaos. Die beiden haben selbst so eine anstrengende Chemie miteinander, die bringen auch andere zum Brennen. Jeder der beiden ist oft fassungslos über das was der andere sagt. Dadurch wissen aber auch andere nie wie sie sich ihnen gegenüber verhalten müsse. Ich glaube, das ist ihr Trick.

Was liest Du so?

Ich geh in die Buchhandlung und guck was da so rumliegt. Das ist das Problem mit dem Mandel. Noch liegt er nicht rum.

Interview: Rüdiger Rudolph

Hier geht’s zur Facebook Veranstaltung von „Rüdiger & Friends“ am 20. Oktober in der Scheinbar Berlin.

www.burnster.de


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