Interview mit Angus and Julia Stone

Julia Stone trinkt heißes Wasser. Das wäre ayurvedisch ein guter Ausgleich zu all dem Kaffee und Süßkram, den man an Promotagen die ganze Zeit zu sich nimmt, erklärt sie mir. Und überhaupt hat sie neulich ein sehr interessantes Buch über Ayurveda gelesen. Julia Stone lacht und erzählt viel, während ihr Bruder Angus es eher vorzieht, still vor sich hin zu lächeln. Die Frage, warum die australischen Geschwister die Könige der Indie-Herzen sind, hätte ich mir eigentlich sparen können, sie erklärt sich im Gespräch quasi von allein. Nehmt euch in Acht! Diesen Freitag erscheint das lang erwartete, neue Angus and Julia Stone Album. Haltet sie gut fest, eure Herzen, ihr könntet sie verlieren.

Zum warm werden, nennt mir doch drei Eigenschaften des jeweils anderen, die euch spontan in den Kopf kommen und ihn möglichst treffend beschreiben.

Angus: Spontan? Ok. Julia ist wahnsinnig gut im Tennis und hat eine tolle Rückhand (Julia lacht). Sie mag goldene, glänzende Schuhe.

Julia: Das stimmt. Schon immer.

Angus: (überlegt, pfeift eine kleine Melodie) Sie liebt Bücher.

Was war das letzte, das du gelesen hast?

Julia: Ich lese im Moment ein Buch mit dem Titel „Schnelles Denken, langsames Denken“. Es geht um die zwei Seiten des Gehirns, die intuitive und die kognitive und wie die beiden miteinander interagieren. Sehr cool.

Und jetzt du. Über Angus.

Julia: Drei Eigenschaften. Angus… (lacht) Als Kind hat er gerne kleine Häuser im Wald gebaut. Er ist nachts aus seinem Schlafzimmerfenster gestiegen und hat sich mit seinen Freunden in den Wald geschlichen. Sie haben mit den Jahren sechs dieser Häuser gebaut. Ich wusste ewig nichts davon – niemand wusste etwas davon! Okay, das war jetzt sehr spontan… (lacht) Angus liebt Feuer. Und er kann sehr gut Rollschuh fahren.

Dann mal gleich in die Vollen: Es scheint, als sei es ein Leichtes für euch, die Herzen der Menschen zu erreichen. Die Reaktionen auf euch und eure Musik sind wirklich phänomenal. Was glaubt ihr, ist das Besondere? Mal von dem Offensichtlichen abgesehen, dass ihr zwei sehr schöne Menschen seid, die sehr schöne Musik machen (Gelächter).

Julia: (zu Angus) Das kannst du doch bestimmt beantworten (noch mehr Gelächter). Aber es stimmt schon. Wir bekommen wahnsinnig viele persönliche E-Mails von Menschen, die uns zum Beispiel bitten, auf ihrer Hochzeit zu singen. Es ist traurig, dass wir es nie schaffen, so etwas zu machen, weil wir einfach nicht genug Zeit dafür haben… aber eigentlich kann ich dazu nur sagen: Wir werden oft gefragt, ob wir nicht denken, dass wir in unseren Songs zu viel Persönliches von uns Preis geben. Ob wir uns nicht Sorgen machen, dass wir vielleicht zu offen von den Erfahrungen in unserem Leben erzählen. Meine Antwort ist immer die gleiche: Ich denke über so etwas nicht nach. Es gibt eine Menge Dinge, über die ich ständig nachdenke! Ich bin ja auch nur ein menschliches Wesen und sorge mich um meine Klamotten, meine Haare, meine Unsicherheiten. Ich will, dass man mich mag, dass es meiner Familie und meinen Freunden gut geht. Aber wenn es um Musik geht, habe ich das Gefühl, dass ich keinen Filter brauche. Was raus kommt, kommt raus. Wir müssen nicht versuchen, irgendwer zu sein. Vielleicht ist es das. Unsere Musik ist das Einzige, woran ich nie zweifle. Obwohl ich in meinen Songs sehr oft sehr persönliche Erfahrungen teile… Es ist eine riesige Frage, die du da stellst, aber das könnte die Antwort sein.

Und jetzt gibt es euch auch endlich wieder im Doppelpack, obwohl ihr in der Zwischenzeit sehr schöne Soloalben gemacht habt. War es in den letzten Jahren wirklich unklar, ob ihr jemals wieder zusammen Musik machen werdet?

Julia: Es gab nicht wirklich eine Diskussion darüber. Ich glaube, wenn wir heute darüber sprechen, wird uns erst richtig bewusst, wie glücklich wir beide auf unseren Solopfaden waren. Nach so vielen gemeinsamen Jahren waren wir sehr froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Das war eine ziemlich große Veränderung, nachdem wir so viele Jahre gemeinsam verbracht haben. Wir waren auch nicht nur jeder für uns selber glücklich damit, sondern auch für den anderen. Angus solo auf der Bühne zu sehen war eines der großartigsten Erlebnisse der letzten Jahre für mich. Als im Gespräch mit Rick Rubin dann die Idee aufkam, wieder etwas gemeinsam zu machen, war uns beiden klar, dass wir überhaupt nicht darüber nachgedacht hatten. Das Leben war gut so, wie es war.

Als Rick dann auf euch zukam, musstet ihr länger darüber nachdenken? Oder war das Gespräch mit ihm nur die Initialzündung, die ihr gebraucht habt?

Julia: Oh nein, es hat definitiv eine Weile gebraucht.

Angus: Ja, wir mussten das erst einmal sacken lassen. Wir hatten beide erst ein Jahr mit unseren Soloprojekten zugebracht und uns gerade damit arrangiert, die Welt auch mal alleine zu erkunden. Und plötzlich war da wieder diese Idee, das hat sich für uns fast zu schnell angefühlt. Aber wenn jemand so Besonderes wie Rick auf einen zukommt, das kann man nicht wirklich ignorieren. Er hat zu uns gesagt, dass er denkt, wir haben noch nicht das Album gemacht, für das zu machen wir bestimmt sind. Da denkt man schon drüber nach. Und irgendwie ging es uns letztendlich ganz genauso. Bei unseren früheren Alben war es eher so, dass wir zwei Solokünstler waren, die ihre Songs mit ins Studio gebracht haben. Wir haben uns nie wirklich wie eine Band gefühlt. Es hat immer funktioniert und die Leute draußen haben uns als Einheit wahr genommen. Aber uns war klar dass, wenn wir diese Platte machen, sich etwas ändern soll.

Ich habe einmal den Spruch gehört: Ein guter Produzent hilft dir, die Bilder in deinem Wohnzimmer so aufzuhängen, dass sie am besten zur Geltung kommen. Ein schlechter Produzent möchte erst einmal die Möbel umstellen und die Wände neu streichen. Würdet ihr dem zustimmen?

Angus: (nach langem Schweigen) Das großartige an Rick ist allein seine Präsenz. Er ist bei dir und wenn er mit dir spricht, interessiert er sich wirklich für dich und dein Leben. Im Studio ist es genauso mit ihm. Seine Gegenwart allein genügt um jeden dazu zu bringen, sein Bestes geben zu wollen. Jeder sitzt automatisch aufrecht, sobald er den Raum betritt. Er hat eine seltene Art, die Dinge dazu zu bringen sich genau so zu entfalten wie sie sollen. Wir waren am Anfang auch skeptisch, weil wir nie gemeinsam mit einem Produzenten gearbeitet haben. Ob das so ist wie im Film, dass einer mit dem Megafon rein kommt und ruft…

Julia: …“streich die Strophe, hau den Chorus rein, dreh alles um!“ (Gelächter) Wir wussten es nicht! Zu dem, was du gesagt hast: Mit Rick ist es eher so, er kommt in dein Wohnzimmer, setzt sich hin und trinkt genüsslich eine Tasse Tee mit dir. Er versucht noch nicht einmal irgend etwas zu ändern, sondern sitzt einfach da und schätzt die Art, wie du dein Wohnzimmer eingerichtet hast. Und er bringt seine Kamera mit und macht ein paar Fotos, um dir selbst und seinen Freunden zu zeigen, wie toll dein Wohnzimmer doch ist.

Angus: Und er hat sehr hart gearbeitet, um sich diese tolle Kamera leisten zu können!

Julia: (lacht) Ja, absolut! Er hat auch schon ein paar Kameras gehabt, aber jetzt hat er die beste gefunden. Auf Ebay (Angus lacht).

Mit all diesen Erfahrungen im Hintergrund: Was denkt ihr, konntet ihr nur auf euren Solowegen erleben und was ist das Einzigartige, das nur passiert, wenn ihr zusammen seid?

Julia: Wenn du diese Frage stellst muss ich sofort daran denken, wie es war, als ich mein Album „By The Horns“ mit meinem Freund Thomas Bartlett in New York aufgenommen habe. Er ist ein guter Freund, den ich sehr respektiere, aber er ist nicht mein Bruder. Ich respektiere Angus auch sehr, aber es war anders, mit jemandem zu arbeiten, der nicht verwandt und mir nicht so nah ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich viel offener gegenüber Thomas‘ Ideen war. Das hat sich sehr gut angefühlt, der Situation so zu vertrauen. Viele Dinge sind mir leichter gefallen, auch als ich später solo auf Tour war. Ich habe mir weniger Gedanken darüber gemacht, wie die Show auszusehen hat und habe gelernt, manches auch los zu lassen. Beim Erstellen der Setlist habe ich zum Beispiel zum ersten Mal meine Band gefragt, was sie gut finden würden. Von dieser Erfahrung habe ich viel in unsere Zusammenarbeit mit eingebracht. Es fühlte sich plötzlich viel natürlicher an, Angus zu hören, ihn zu sehen. Der Respekt zwischen uns ist dadurch gewachsen, wir sehen uns jetzt mehr denn je nicht nur als Bruder und Schwester, sondern auch als Freunde und kreative Partner, als individuelle Identitäten. Ich habe darauf gebrannt, zu hören, was er zu meinen Songs sagt und wollte mein Bestes geben, wenn es um seine Songs ging. Die Dynamiken haben sich mit den Jahren sehr zum positiven verschoben, letztendlich sind wir nun doch mehr eine Band geworden.

Ich bin sowieso immer fasziniert davon, wenn Geschwister so eng miteinander leben und arbeiten. Ich habe selber eine Schwester, bei uns hätte jeder derartige Versuch in einer Menge ausgerissener Haare geendet.

Julia: Ja, ich denke auch, es ist etwas Besonderes. Neulich nach einer Show in Sydney kam jemand auf mich zu und meinte: „Ich habe eine Schwester, wir haben ein sehr schwieriges Verhältnis zueinander. Euch beide zusammen auf der Bühne zu sehen, zu wissen wer ihr seid und zu sehen was ihr miteinander tut, das ist sehr inspirierend.“ Danach dachte ich auch, ja, es stimmt, es ist Besonders! Jeder, der eine Familie hat weiß, dass die Dynamiken untereinander, wie man miteinander umgeht, eine große Herausforderung sein können. Auch wir sind da durch gegangen. Man muss sich durch den Dreck wühlen, um an einen Punkt zu kommen, an dem man den Respekt füreinander findet und lernt, sich gegenseitig so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Deshalb bin ich Rick auch so dankbar. Er hat uns zu einer Zeit wieder zusammen gebracht, zu der wir bereit waren, wieder gut miteinander umzugehen. Wir werden immer erwachsener und scheren uns nicht mehr so sehr drum, wer denn nun Recht hat. Dieser ganze Blödsinn, den Geschwister so machen. Heute spielen wir lieber Tennis (lacht).

Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Jennifer Steinglen

www.angusandjuliastone.com