Interview mit Alexandra Savior: Die Schönheit der Melancholie

Wenn man das Album „Belladonna Of Sadness“  der 21-jährigen Alexandra Savior hört, hat man das Bild eines abgeklärten Vamps im Kopf, der die Männer mit seiner Laszivität ins Verderben lockt. Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt, in verrauchte Bars mit schwarz-rot waberndem  Licht, düster und verrucht. So ist es umso verwunderlicher, dass einem im Interview eine zarte, fast schüchterne Person gegenüber sitzt, die man im ersten Moment kaum mit der wunderbar verführerischen Stimme in Verbindung bringt. Auch ihre zum Teil derbe, fast vulgäre Wortwahl steht im Kontrast zu der leibhaftigen Alexandra und zu den eher zarten Klängen. Man könnte am Anfang von so manchem Song meinen, da kommt was Neues von The Last Shadow Puppets. Kein geringerer als Chefpoet Alex Turner hat an dem Erstlingswerk der Amerikanerin mitgeschrieben, die es auf bewundernswerte Art schafft, dann doch dem Album ihre ganz eigene Handschrift zu geben.

Du hast gerade dein erstes Album rausgebracht. Wie fühlt es sich an?

Es fühlt sich gut an. Schwer zu sagen, so ganz habe ich das noch nicht realisiert.

Du hast das Album „Belladonnna Of Sadness“ schon vor einer ganzen Zeit fertig gehabt, dann hat es sehr lang gedauert, bis es veröffentlicht wurde. Wie verändern sich die Songs mit der Zeit?

Ich habe mittlerweile weniger Bezug zu den Songs. Die Geschichten, die ich damit verbinde, verändern sich.

Der Albumtitel ist „Bealldonna Of Sadness“, hat Traurigkeit für dich als Emotion eine wichtige Rolle beim Songschreiben?

Ich habe das Album nach einem Film benannt, den ich sehr mag. Das Album geht weiter als der eigentlichen Begriff der Traurigkeit, es ist nicht die Momentaufnahme eines Gefühls, es ist eher der Zustand, die Melancholie, der eine gewisse Schönheit in sich birgt.

Wie schwer ist es, eine Richtung für das erste Album zu finden? Damit definiert man sich ja als Künstler.

Ja, das war in der Tat sehr schwer. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich auch einfach weiter geschrieben und noch mehr ausprobiert. Ich bin noch nicht total happy mit dem Album und habe mich noch nicht ganz gefunden, aber irgendwann war die Zeit abgelaufen. Es war aber für mich eine gute Lernkurve. Jetzt verstehe ich die ganzen Prozesse besser und würde einiges anders machen.

Meinst du nicht, dass ist so eine typische Frauensache, dass wir immer denken es geht noch viel besser, wir sind nie ganz zufrieden, mit dem was wir tun?

(lacht) Ja, vielleicht hast du recht. Ich denke, es ist aber auch gut nie ganz zufrieden zu sein, so kann man sich immer weiter pushen und an sich arbeiten. Stell dir mal vor du bist schon mit deinem ersten Album voll zufrieden, was soll danach kommen?

Ich war ganz erstaunt, als ich gehört habe, dass du „Miracle Aligner“ vom letzten The Last Shadow Puppets mitgeschrieben hast.

Ja, das stimmt. Wir haben an meinen Songs gearbeitet, als auch das TLSP Album entstanden ist. Eigentlich hätte der Song auf meinem Album sein sollen. Es hat sich aber immer so angefühlt, als wäre es mehr Alex Song. Er war total verliebt in den Song, da haben wir beschlossen, er geht auf sein Album.

Bereust du die Entscheidung manchmal ein bisschen, wenn du „Miracle Aligner“ irgendwo hörst?

Nein, gar nicht. Ich freue mich einfach, dass der Song das Licht der Welt erblickt hat. Es ist toll, wenn man an Musik beteiligt war, die so gut ankommt.

James Ford, der auch das letzte Depeche Mode Album produziert hat, hat dein Album produziert. Wie ist es für jemanden, der ganz neu im Business ist, mit so erfahrenen Typen wie James und Alex zu arbeiten? Haben sie deine Meinung zugelassen?

Am Anfang war ich etwas eingeschüchtert. Ich habe mich nicht mehr so ganz in meinem Element gefühlt, da ich Dinge auf einmal anders machen sollte. Die erste Woche war ich so unsicher, dass ich mich mehr oder weniger versteckt habe und mich nicht getraut habe, in die Produktion mit einzusteigen. James hat mir aber wirklich geholfen. Ich glaube Alex war am Ende etwas frustriert. Er hat so viel Erfahrung wie man eine Platte macht und hat mir gesagt, wann es an der Zeit ist aufzuhören. Ich war so übermütig und wollte immer weitermachen.

War er ungeduldig?

Nein, ich glaube er war nur etwas verwirrt und konnte mit meinen ganzen Emotionen nicht so richtig umgehen. Er dachte sich wahrscheinlich, was für ein verrücktes Mädchen. James war sehr geradeaus und hat mir immer wieder gesagt, komm darüber hinweg und mach weiter, damit konnte ich gut umgehen.

Du würdest also bei deinem nächsten Album bestimmte Dinge anders machen?

Ja, ganz bestimmt, aber die Umstände sind ja auch immer wieder unterschiedlich. Momentan schreibe ich schon an neuen Songs. Ich gehe das Ganze jetzt organisierter an. Bei meinen ersten Stücken habe ich mich so auf die Texte konzentriert, dass die Instrumentierung dabei ziemlich verloren gegangen ist. Da brauchte ich Hilfe. Jetzt mache ich das alles alleine und versuche, direkt die Melodien mit zu berücksichtigen. Ich musste manche Dinge ganz schön auf die harte Art lernen.

Kommt die Erfahrung die du gesammelt hast durch deine Zusammenarbeit mit Alex Turner, der mit dir am Album geschrieben hat?

Ja, auf jeden Fall. Alex hat mir viel über Riffs beigebracht und wie man einem Song mehr Raum gibt. Er hat mir auch beigebracht, dass es am allerbesten ist zu schreiben, wenn man einen Hangover hat (lacht). Und es stimmt, es klappt irgendwie besser …

Das ist ja interessant. Vielleicht liegt es daran, dass man nicht mehr über alles zu sehr nachdenkt und es eher geschehen lässt?!

Ja, man schreibt mehr mit Intuition als mit einem klaren Plan, der einem manchmal im Weg steht.

Dein Sound hört sich ein bisschen aus der Zeit gefallen an, sehr Vintage. Wie schaffst du diese Atmosphäre?

Wir haben die ganze Platte auf Tape, ohne Computer aufgenommen. Das macht den Klang sehr authentisch. Kreativ gesehen muss man sich auch nicht mit der ganzen Technik auseinandersetzen. Das schafft Freiräume.

Ich glaube auch, Technologie macht die Musik manchmal zu glatt und dadurch langweilig. 

Es macht mich manchmal sogar ganz wuschig, wie glatt der Sound trotzdem am Ende geworden ist. Ich hätte mir noch mehr Ecken und Kanten gewünscht.

Deshalb bin ich auch wieder zu Vinyl zurück gekehrt. Nicht nur, dass die Cover schöner sind und man eine Platte anfassen kann. Ich mag auch das Knacken und Rauschen, dass man hört. Ich finde das so viel stimmungsvoller.

Ich liebe es, morgens direkt nach dem Aufstehen eine Platte auf Vinyl zu hören, während man frühstückt. Das ist für mich die beste Zeit.

Interessant, ich mag es am Abend lieber, wenn alles um einen herum ruhig ist und es dunkel wird.

Wirklich? Ist es nicht schön, dass jeder seinen Vinyl Moment hat?

Wie gehst du mit der ganzen Aufmerksamkeit um, die durch das Album auf dich zukommt. Das ist ja auch ganz neu für dich?

(seufzt) In meiner Heimat Amerika ist das kein großes Ding, da bekomme ich kaum Aufmerksamkeit. Das ist hier in Europa viel stärker. Ich habe jedes Mal das Gefühl wenn ich Komplimente bekomme, dass sie gar nicht mich als Personen meinen. Ich versuche dankbar zu sein, für das was gerade passiert. Manchmal habe ich Angst zu Hause alleine zu sein und plötzlich hört das alles auf. Ich finde es bezaubernd, was die Menschen mir zurückgeben. Ich möchte aber nie von dieser Aufmerksamkeit abhängig werden. Es wäre schlimm, wenn ich ohne nicht mehr funktionieren könnte.

Es ist doch auch ein schönes Gefühl, wenn du merkst, du kannst was in Menschen bewegen?

Ja total, als ich meine Songs zum ersten Mal live gesungen habe und das Publikum hat zum Teil mitgesungen, musste ich fast vor Rührung weinen. Das war wirklich ein verrücktes Gefühl. Ich bin auch immer wieder berührt, wenn mit Fans ganz süße Briefe schreiben oder sich die Mühe machen und mir etwas basteln.

Das ist wahrscheinlich die Art der Fans, um sich bei dir zu bedanken, für das was du ihnen mit deiner Musik gibst?

Ja, das fühlt sich ganz wunderbar an, weil sie nicht immer mehr von dir wollen, sondern dir etwas zurückgeben.

Du bist sehr kreativ, du machst deine Videos selbst, du hast das Plattencover gestaltet und bastelst sogar manchmal kleine Dinge für den Merch. Behältst du gerne die kreative Kontrolle über alles?

Es ist beides. Ich war schon immer eine sehr visuelle Künstlerin, aber es hat auch auf jeden Fall etwas mit Kontrolle zu tun.

Ich finde dein Video zu „Mistery Girl“ hat was von David Lynch? Bist Du ein Fan?

Oh was für ein Kompliment. Ich liebe Film und ich liebe Lynch.

Deine Songs passen wunderbar in seine Filme, könntest Du dir einen Song auf seinem Soundtrack vorstellen?

Oh ja, das wäre der Wahnsinn. Es wäre aber einfach schon ganz toll, wenn er meine Platte hört. Wer weiss….

Du hast bisher ein paar Konzerte in kleinen Clubs gespielt, die ganz wunderbar zu deiner Musik passen. Du spielst aber auch auf Festivals, wie dem Primavera Sound in Barcelona. Wie fühlt sich das an?

(seufzt) Es wird spannend aber auch beängstigend. Ich habe noch nie vor so vielen Menschen gespielt. Hoffentlich kann ich ein paar mehr Menschen für meine Musik gewinnen.

Ich wünsche dir viel Erfolg mit deiner neuen Platte und deinen Auftritten und das so viel Menschen wie möglich deine Musik hören. Wir sehen uns in Barcelona!

Interview: Kate Rock