Interview mit Aidan Knight

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Aidan Knight ist jemand, der es mit den Menschen gut meint. Der Singer/Songwriter will in ihnen am liebsten einzig das Gute sehen und bemüht sich darum, einen gleichsam positiven Eindruck zu hinterlassen. Umso überraschender erscheint es da, dass er seinem Band-Kollektiv seinen eigenen Namen aufgedrückt hat. Zusammen veröffentlichen sie nun das mittlerweile dritte Album. „Each Other“ (produziert von Marcus Paquin, der schon mit The National und Arcade Fire zusammenarbeitete) ist ein Werk voller feinfühliger Beobachtungen, rund um jegliche Art von Beziehungen und das Erwachsenwerden. Die Stimme des Kanadiers und inzwischen Wahlberliners steht bei den berauschenden acht Stücken stets im Vordergrund – trotz seines Hangs zum Genuschel. Im Interview zeigt sich Knight sympathischer denn je und weitaus offenherziger als in seiner introvertierten Musik – von Nuscheln kann auch keine Rede mehr sein.

Im Januar bist du nach Berlin gezogen. Weshalb hast du dich dafür entschieden?

Jedes Mal wenn ich in Berlin ein Konzert spielte, konnte ich nur ein oder zwei Tage in der Stadt bleiben. Das war nie genug Zeit, um die Stadt richtig kennenlernen. Dennoch reichte es aus, um mein Interesse zu wecken. Ich habe mir gedacht, dass ich mir sechs Monate zum Entdecken gebe. Mal schauen, ob diese Zeitspanne genügt.

Ich bin gespannt wie du dich in der Stadt machst. Berlin ist ja nicht so freundlich und zuvorkommend wie du es bist.

Genau das sagt man auch über New York – keiner hat dort Zeit für Freundlichkeit. Das mag schon stimmen. In manchen Gegenden geben sich Kellner vielleicht nicht so viel Mühe. Aber es gibt auch die andere Seite. Oft können die Leute dort richtig süß sein. Ich denke, wenn ich erst mal in Berlin ausreichend Zeit habe, finde ich auch die Cafés und Restaurants mit den netten Menschen. Man muss nur nett zu ihnen sein.

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Woher kommt diese positive Einstellung?

Ach, so positiv ist die gar nicht immer. Gerade im Moment fällt es mir schwer, wo der Terror in Paris noch so nachwirkt. Ich verstehe nicht warum man so etwas tun kann? Als rational denkende Person möchte ich wirklich wissen wieso man Menschen tötet. Das lässt mich bestimmt ziemlich naiv klingen. Aber ich kapiere einfach nicht dieses Verlangen jemanden weh tun oder auch unterdrücken zu wollen. Aber ich versuche auch mal diese Gedanken beiseite zu lassen und nicht ständig tiefer zu graben. Ich habe Freunde, die das getan haben und deshalb mittlerweile total abgestumpft sind. Denn wenn man dahinterkommt, wie die Welt funktioniert, macht das komplett fertig und das bringt wiederum mit sich, dass man regelrecht handlungsunfähig wird. Ich möchte zwar immer das Warum verstehen, aber ich möchte nicht so kalt werden. Mich interessiert auch in der Musik das Warum. Zum Beispiel: Warum lässt mich ein Teil in einem Song auf eine ganz bestimmte Art und Weise fühlen? Ich versuche diesen Part herauszufiltern, um ihn dann zu analysieren. Manchmal finde ich dadurch Antworten und manchmal entdecke ich etwas, das ich für einen eigenen Song benutzen kann.

Wie hältst du dich mental fit?

Ich schenke der Kommentar-Funktion auf Webseiten keine Aufmerksamkeit. Die ist nämlich das Schlimmste!

Ich habe gehört, dass du dich aktuell mehr denn je mit Geschlechterrollen und Politik auseinandersetzt. Wie kommt das?

Ja, ich interessiere mich sehr für Politik, auch wenn ich schnell den Eindruck bekommen habe leider nicht als Einzelner das ganze System einfach so ändern zu können. Aber in jedem Fall hat Politik nun mal einen ziemlich großen Effekt auf die eigene Lebensqualität, weshalb es gar nicht schlecht ist, wenn man sich damit eingehender beschäftigt. Auch über Geschlechterrollen und Gleichberechtigung habe ich verstärkt nachgedacht, das stimmt. In der Hinsicht frage ich mich ständig wieso es in Ordnung ist, dass Frauen im Allgemeinen weniger Geld verdienen als Männer? Und wieso werden sie so oft nicht ernst genommen, wenn sie sagen, sie wurden sexuell belästigt? Warum erklären Männer dann häufig, sie würden überreagieren oder zu emotional sein? Für mich ist es am interessantesten zu hinterfragen wieso etwas so und nicht anders gehandhabt wird.

Ist solch ein Ansatz auch hilfreich beim Schreiben von „Each Other“ gewesen?

Schon. Aber vor allem befasste ich mich auf dem Album mit den Beziehungen zu meinen Freunden und zu meiner Familie. Außerdem wollte ich mir die Realität von jemandem anschauen, der etwas älter geworden ist, aber dennoch jung ist. Man hat ein bisschen was von der Welt gesehen, viele denken über Karrieren oder Familien nach. Sie hören mit dem Trinken auf – oder fangen gerade erst damit an. (lacht) Letztlich gab es eine Menge Beobachtungen in meinem Leben, die ich aus mir herauslassen und in Worte für Songs umwandeln wollte. Ich finde, es ist ein gutes Portrait dieser Zeit geworden. Aber neben der Freude bleibt auch ein wenig Angst übrig, dass ich in zwei oder drei Jahren auf dieses Album zurückblicke und zu mir selbst sagen muss: Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe!

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Was hat es mit dem Hund auf dem Cover auf sich?

Auf „Each Other“ herrscht eine Balance zwischen Hell und Dunkel. So spiegelt das Cover das Dunkle und das Booklet, mit den zusammengemischten Farben, das Helle wieder. Das Foto auf dem Cover hat meine Freundin Vanessa Heins gemacht. Wir hatten uns zusammen einige Sachen überlegt. Zum Beispiel war da der Gedanke an ein Portrait von einem kleinen Mädchen. Aber am Ende ist es dieser Zwischenmoment geworden. Das Bild entstand, als eigentlich eine andere Idee vorbereitet wurde. Für mich entspricht das ganz meiner Philosophie, dass kreative Momente, die man so nicht plant, wirklich Großartiges hervorbringen. Da denkt man nicht zu viel nach. Ich will lieber Dinge ausprobieren, scheitern, es dann anders versuchen, als mir vorzunehmen etwas genau so zu tun, dass es andere mögen. Oder etwas zu tun, nur um zu schauen, ob man es noch drauf hat. Mich hat das Foto jedenfalls total beeindruckt und aufgerüttelt. Man sieht den Blick des Tieres, der in die Richtung der Besitzerin geht, von der man nur die Hand auf dem Bild sieht. Der Hund, der übrigens Walter heißt, schaut überrascht, aber auch so als würde er der Person, die ihn füttert und die auf ihn aufpasst, absolut vertrauen.

Gab es eine Art Lernkurve bei der Entstehung des Albums?

Auf jeden Fall. Die Lernkurve beinhaltete vor allem mit neuen Leuten zusammenarbeiten zu können. Wir Fünf waren schon ein eingeschweißtes Team als wir als Produzenten Marcus Paquin dazuholten. Es fiel uns schwer jemand Neues zu integrieren und ihm zu vertrauen. Aber letztlich hat es zum Glück sehr gut mit ihm funktioniert. Er schafft es, dass jeder sich in seiner Gesellschaft wohlfühlt und dadurch auch motivierter ist. Außerdem musste ich lernen auch mal nur so dazusitzen und nichts zu tun. Das war wirklich schwer, denn eigentlich läuft es besser bei mir, wenn ich nicht über alles zu lange nachdenke. Und dann kam noch hinzu, dass unser Bassist Colin Nealis während der Aufnahmen plötzlich Probleme mit seinen Ohren bekam und deshalb aufhören musste mit uns zu spielen, weil seine Ohren Zeit zum Heilen brauchten, so dass er hoffentlich bald wieder richtig hören kann. Das war eine ganz schön angsteinflößende Sache. Ja, und schließlich entschied sich auch unser Schlagzeuger David Barry dazu auszusteigen, damit er wieder zur Schule gehen kann.

Es hat sich also wirklich eine ganze Menge während der Aufnahmen verändert.

Oh ja! Wir fingen zu fünft an und verloren zwei wichtige Leute auf dem Weg. Das war hart. Aber ich wollte trotzdem weitermachen. Wir hatten bereits so viel Arbeit in das Album gesteckt und es bleibt ein Dokument unserer gemeinsamen Zeit. Ich würde mich natürlich auch freuen, wenn sie irgendwann zurückkommen würden. Aber ich habe keine Ahnung, ob das passieren wird oder ob wir uns neue Leute suchen müssen. Ich weiß nicht, was als nächstes kommen wird. Aber so ist das Leben. Das passiert nun mal. Und ich bin immer noch hier und mache Musik. Ich hoffe, ich kann das noch eine Weile machen. Mal schauen… Ich sollte bloß nicht zu viel darüber nachdenken. (lacht)

Interview und Fotos: Hella Wittenberg