Im Interview: Fraser A. Gorman

Fraser_A_Gorman_01Oi, mates! Australien exportiert schon seit einer Weile so einige wunderbare Künstler auf unsere Seite der Welt. In der weiten Ferne gibt es einen Ort, an dem sich die sympathischsten Künstler anzusammeln scheinen: Milk! Records in Melbourne. Courtney Barnetts eigenes Label bringt uns erneut ein Juwel aus ihrem Super-Kollektiv. Die Rede ist von Fraser A. Gorman, ein 24-jähriger Singer-Songwriter, der raues Gitarrenzupfen mit melancholischem Mundharmonika-Sound zu Lebens- und Liebesgeschichten vereint. Gerade erst war er im Vorprogramm auf der Tour von Barnett zu sehen. Der liebenswerte Teilzeit-Zimmermann mit Huhn als Haustier bewegt sich voller Begeisterung und berauscht von seinen neuen Erlebnissen von Bühne zu Bühne und verbreitet gute Laune mit seinen sehnsüchtigen Alt-Country-Songs. “I’ve got no soul/Cos country music to me sounds like rock’n’roll” lautet es in „Broken Hands“.

Endlich gibt es das dazugehörige erste Album: „Slow Gum“ wird hierzulande am Freitag, den 26. Juni veröffentlicht. Eine Ansammlung schönster, erzählter Geschichten, angehaucht mit einem Old-World Charm, der das Gefühl verleiht auf einem alten Güterzug durch das Amerika aus vergangenen Zeiten zu fahren und dabei passend mit Mundharmonika über die Welt zu sinnieren. Es ist daher nicht überraschend, dass Fraser von Einflüssen wie den Flying Burrito Brothers, Bill Callahan und natürlich Dylan spricht. Fraser A. Gormans erste Album-Single „Shiny Gun“ kommt mit spaßigem Video, in dem Fraser einige seiner Freunde zu einer chaotischen News-Sendung zusammenbringt, unter anderem natürlich auch Courtney Barnett höchstpersönlich. Für sie hat Fraser sich auch schon als teilnahmsloser Linienrichter im „Avant Gardener“ Video zur Verfügung gestellt.
Wir haben uns mit dem Troubadour aus Melbourne zusammengesetzt und über sein Debütalbum, Mama Courtney und die große weite Welt unterhalten. Spätestens da waren wir überzeugt: das A. in seinem Namen steht schlicht und einfach für „Awesome“.

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Fraser, wann auch immer man etwas über dich liest, jedes Mal wird auch Bob Dylan genannt. Das ist gar nicht so verwunderlich, wenn man deine lockigen Haare betrachtet. Aber ich dachte, irgendwie dass dieser ständige Vergleich dich vielleicht stören könnte, weil er immer und überall auftaucht. Du hast mich dann aber am meisten überrascht, als du auf der Bühne selbst davon geredet hast und dich als Bob Dylan-Lookalike dargestellt hast.

Naja, ich kann ja nicht wirklich was dafür wie ich aussehe. Egal welchen Lockenkopf man auf einer Bühne sehen würde, der eine Gitarre in der Hand hat und eine Mundharmonika noch dazu… der Vergleich ist naheliegend. Das ist halt der Dylan Look. Zum Glück liebe ich seine Musik so sehr, so dass es mir absolut nichts ausmacht. Ich finde es sogar sehr lustig. Deswegen mache ich dann gerne Witze darüber, wenn ich auf der Bühne stehe.

Bob Dylans bürgerlicher Name ist Robert Zimmermann. „Zimmermann“ ist deine Berufsbezeichnung auf deutsch. Noch eine Verbindung!

Haha, im Ernst? Awesome!

Du erzählst so einiges zwischen den Songs. Und bringst alle zum Lachen.

Oh ja, ich rede verdammt viel auf der Bühne. Ich glaube, das kommt daher, dass ich solo da stehe. Wenn man eine komplette Band dabei hat und einen riesigen Sound kreiert, dann steht die Musik komplett im Vordergrund. Alleine, nur mit einer Gitarre bewaffnet, ist man ein bisschen mehr limitiert und man muss sich irgendwie überlegen wie man die Leute an Bord kriegt. Vor allem, wenn man Support-Act ist und vielleicht keiner wirklich gekommen ist, um dich zu sehen.

Bist du lieber solo auf der Bühne oder mit Band?

Es ist beides gut, aber eben jedes Mal anders. Vor allem, wenn es um den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Auftritt geht. Wenn du deine ganze Band da hast, ist es nicht ganz so schlimm, wenn du einen schlechten Gig hattest. Dann können sich alle aus der Band nach der Show gegenseitig hochziehen. Wenn es ein gutes Konzert war, dann ist es noch zehn mal besser mit der Band zusammen zu feiern. Wenn du hingegen alleine bist und das Gefühl hast, dein Gig war schlecht… dann willst du am liebsten nie wieder auf einer Bühne stehen und nie wieder Musik spielen. Ever. Again. Hilf mir, Mama.
Ein Solo-Gig, der gut lief, haut einen allerdings richtig um. Dann denkt man: Oh my God, I am a powerful little being. (lacht) Mit schlechten Shows meine ich solche, bei denen die Leute desinteressiert sind, zu viel reden oder der Abend einfach von vorne und hinten nicht passt. Das gibt es halt mal. Je mehr Auftritte man hinter sich bringt, desto weniger solcher Shows scheinen zu passieren. Also zumindest sind sie bei mir jetzt schon lange her, das ist doch ein gutes Zeichen.

Show- und Support-Act-Erfahrung hast du ja auch ordentlich gesammelt. Nicht nur für Courtney Barnett hast du das Publikum in Stimmung gebracht.

So einige sonderbare Künstler waren dabei: Wanda Jackson, Damon Albarn und eben Courtney. Bei jedem war das Publikum komplett unterschiedlich. Courtneys Leute sind mir die Liebsten. Ich würde sie als eher intelligente Menschen bezeichnen, die Musik schätzen und richtig zuhören wollen. Also nicht solche, die auf ein Konzert gehen, um sich zu betrinken und durchzudrehen. Courtney wird vor allem auch für ihre Persönlichkeit so geliebt, nicht nur wegen ihrer Musik. Deswegen ist immer ein guter Vibe in der Menge. Die Tour mit ihr ist echt super.

Bei Courtney habe ich immer das Gefühl, dass sie niemals selber von sich dachte, dass sie so groß werden könnte, wie sie gerade ist. Sie ist so unheimlich bodenständig und entspannt und einfach cool.

Ich dachte damals auch nie, dass sie jemals so erfolgreich werden könnte. Ich habe sie kennengelernt, bevor sie überhaupt irgendeinen Stand als Musikerin hatte. Das war damals in dieser Venue, The Old Bar, in Fitzroy, wo sie als DJ gearbeitet hat. Ich bin zu ihr hin, weil ich dachte, Wow, was für ein Babe und dann hab ich sie vollgequatscht und wollte ihr Songs aufdrängen, die sie spielen sollte. (lacht) Sie dachte wahrscheinlich, was will denn der Freak von mir? Trotz alledem haben wir uns sehr gut angefreundet. Wir haben festgestellt, dass wir beide Musik machen und sie mochte meine Songs gerne. Also hat sie mich gefragt, ob ich mit auf ihr Label Milk!records will. Ja klar wollte ich das! Kurze Zeit später lief es mit ihrer Musik super und wir alle so: wohooo, wie cool! Dann kam eins zum anderen: Ihr Label in UK kam auf mich zu und wollte mich auch signen, wow, und jetzt bin ich hier, in Berlin, auf Tour mit Courtney Barnett.

Wie ist es Teil von Milk! Records zu sein? Ich stelle es mir vor wie eine große Familie und Courtney ist die Mom, die auf alle aufpasst.

Es ist total wie eine Familie. Aber die Mom ist definitiv nicht Courtney, sondern Jen Cloher. Courtney und ich sind ihre frechen Kinder, die den ganzen Tag nur Unsinn im Kopf haben. Moment, vielleicht bin es auch nur ich, der den ganzen Tag Schwachsinn denkt und macht. Ok, dann sind Jen und Courtney die Mütter. Milk ist so ein guter Ort für Künstler, alles wird von den Künstlern selber verwaltet, was heutzutage eher selten ist. Dadurch steht die Musik auf besondere Art im Vordergrund.

Dein Debütalbum „Slow Gum“ steht in den Startlöchern. Aufregende Zeiten!

Mein erstes Album! Eine Sammlung all der Sachen, die ich bisher gemacht und erlebt habe. Ich habe über die Jahre echt viele Songs geschrieben, also scheint es höchste Zeit, dass jetzt dieses Album rauskommt. Ich bin bereit, ich will raus und touren und die Welt sehen und neue Freunde kennenlernen und allen meine Musik vorspielen.

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Deinen ersten Gig hattest du als Teenager, Musik hat dich schon seit kleinauf begleitet. Wann wusstest du, dass du genau das machen willst, was du jetzt machst?

Meinen allerersten Gig hatte ich mit 15 in einer Bar. Was etwas merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass man sich in Australien eigentlich gar nicht in einer Bar aufhalten darf, wenn man jünger als 18 ist… Meinen „Musikentdeckungsmoment“ kann ich nicht wirklich erklären. Es ist nicht so, dass ich eines Tages aufgewacht bin und dachte, oh das ist es, ich kann es kaum glauben, ich werde jetzt ein Musiker! Haha. Im Gegenteil. Alles ist einfach irgendwie passiert und hat sich ergeben. So ist es doch eh am Besten.

Mit dem Singen hast du aber gar nicht unbedingt wegen der Musik angefangen, stimmt’s?

Stimmt. Ich habe nämlich dieses Stotter-Problem… Das war schon damals echt schlimm beim Sprechen, als ich klein war. Meine Mutter dachte, Oh Gott, was machen wir bloß mit dem Kleinen? Ihre Lösung war: Gesangsunterricht! Das Problem: das Stottern beim Sprechen ist davon nicht weggegangen. Aber ich, Mini-Fraser, dachte beim Singen: hey, das macht voll Spaß! Da war ich ungefähr 10 Jahre alt und mit 14 habe ich mir dann überlegt mir eine Gitarre zuzulegen. Die Musik, die ich damals gehört habe, war die von Bob Dylan, Neill Young, Townes Van Zandt und so weiter. Nächster Schritt: ich wollte in einer Band sein. Der Grund: Leute in Bands waren cool! Ich wollte auch so cool sein! Zu performen ist so ein unglaubliches Gefühl. Wenn Leute für dich applaudieren und man denkt, wow, ich bin denen etwas wert und die mögen meine Musik.

Nicht nur in deinen Songs erzählst du Geschichten, sondern auch mit deinen sehr coolen Videos. Wie das zu „Broken Hands“. Mein Lieblingsteil ist die Moral der Geschichte am Ende: „One must never under any circumstances neglect a goat“. Wenn das mal nicht eine sehr wichtige Lebensweisheit ist. Hast du davon noch mehr auf Lager?

Oh ja. Moment. Was habe ich auf Tour gelernt? One must never neglect a bottle of Jameson! Haha, nein, was ich tatsächlich auf Tour gelernt habe ist, dass die Welt einfach mal verdammt riesengroß ist. Und ich bin ein klitzekleiner Fleck da drauf. Manchmal ist es wichtig sich das vor Augen zu führen. Deswegen darf man sich auch nicht zu ernst nehmen. Bloß nicht stressen. Eher Spaß haben. Das versuche ich gerade zu verwirklichen. Das funktioniert auf dieser Tour mit Courtney sehr gut. Was gibt es Schöneres, als mit seinen Freunden um die Welt zu reisen und Musik zu machen? Dabei passen wir alle gut aufeinander auf. Es ist so wunderbar mit Courtney befreundet zu sein und zu sehen, wie sie einfach dieselbe Courtney ist, die sie damals als nervöse Bartenderin war, auch wenn sie jetzt so verdammt coole Sachen erlebt. Chilled out ohne Ende.

Die Welt ist groß… Australien auch, aber eben so weit weg von allem. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, wie es dann war, das erste Mal so viel von dem Rest der Welt zu entdecken.

Oh Gott, als ich in UK ankam, hab ich mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Ich dachte auf einmal, das schaffe ich alles nicht und ich wollte mich sofort wieder Down Under verkriechen. Aber dann kam ich wieder zu Sinnen und hab den größten Spaß meines Lebens gehabt. Lesson learned, keine Angst mehr haben!

Was ist der Plan für die nächste Zeit?

Mein Plan: Album rausbringen, Touren, Festivals spielen, zurück nach Europa kommen so oft es geht und dabei noch viel mehr Spaß haben. Ich hab noch so einige Songs in der Hinterhand, die werde ich zücken, sobald sich die Gelegenheit ergibt.

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Interview: Christina Heckmann
Fotos (c) Moritz Jekat (www.moritzjekat.de)