Highfield Festival 2017: Es begann und endete mit einem Sturm

Es ist mittlerweile zu einer Tradition geworden, einmal jährlich im August zum Störmthaler See zu fahren. Dort das einäugige rote Ungetüm grüßen, beim angeleuchteten Riesenrad im Halbdunkel sentimental werden und Band für Band auf den Bühnen der Blue und Green Stage befeuernd beklatschen. Wenn Zeit bleibt, den Füße erst im weichen Strandsand einen kleinen Spa-Moment und danach eine Erfrischung im See erlauben.

Der Umzug von Erfurt nach Großpösna wurde inzwischen vollkommen akzeptiert, die Anreise mit dem Auto ist nun auch schon ein erstes Highlight. Insbesondere wenn plötzlich mitten im Nirgendwo Musik ertönt, volle Gitarren, kehlige Stimmen. Das Highfield Festival ist eines der wenigen Festivals, welches ein Line-up vorzuweisen hat, das sich nicht an Trends abzuarbeiten versucht. Zum Open Air werden diejenigen Künstler und Bands eingeladen, die wirklich eine Geschichte zu erzählen haben – wie das Highfield selbst.

Umso logischer, dass als einer der ersten großen Acts am Freitagabend Clueso auftreten sollte. Ein Sänger, der seit 2001 beständig abliefert und immer wieder neue Alben herausbringt. Doch sein Konzert stand unter keinem guten Stern. So wie die Gigs aller anderen Bands, die ab 20 Uhr die Festivalbesucher mit ihrer Musik ins Wochenende abholen wollten. Grund dafür war ein heftiges Unwetter. Bosse, Alligatoah, Billy Talent und 257ers mussten deshalb gänzlich auf ihre Auftritte verzichten. Eine herbe Enttäuschung. Das Einzige, was diesen angebrochenen Abend noch würdig retten konnte: ein Acoustic-Set von Clueso. Sympathisch wie eh und je machte es der Erfurter möglich, dass man danach dennoch mit einem leichten Lächeln im Regen zum nässesicheren Unterschlupf zurücktrotten konnte.

Nach dem Sturm folgte strahlender Sonnenschein. Der Samstag zeigte sich von seiner Schokoladenseite. Mit Sonnenbrille und Gummistiefeln ließ es sich wunderbar aushalten. Aber die echten, richtig langen Glücksaugenblicke folgten erst nach Sonnenuntergang. Und zwar machte das Festival seinem Ruf alle Ehre, indem es gleich drei der besten Livebands, die es derzeit gibt, hintereinander auf die Bühnen lotsen konnte. Da gaben sich Biffy Clyro, Kraftklub und Casper das Mikrofon in die Hand.

Keine Nacht für Niemand

Die wütenden bis melancholischen Hymnen von Biffy Clyro erlaubten den Massen endlich, sich den Unmut vom Vortag über den Wettergott wegzutanzen. Na gut, zu pogen. Es war eine unglaubliche Energie zu spüren, während wirklich jeder mitzusingen schien, sich die Band mal wieder selbstbewusst oberkörperfrei präsentierte und sich alles endlich nach einem waschechten Rockfestival anfühlte. Kraftklub konnten das aber noch toppen. Im Nachhinein gesehen, konnten sie sogar Casper toppen – der live immer mehr den Rocker anstatt des HipHoppers raushängen lässt und damit auch wie eine Naturgewalt wirkt. Also im positiven Sinne.

Nur Kraftklub, die hatten dieses Bääm, Wumms, Wow. Kaum nahm die Band mit K die Stage ein, hatte sie auch das Publikum ganz und gar auf ihrer Seite. Mit einem Mal schien oben unten zu sein und trotzdem machte alles Sinn. Kraftklub sind nun mal Partyband und ernsthafte Musiker zugleich – eben wie eine moderne Version eines Fanta-4-Tone-Steine-Scherben-Cocktails. Oder so ähnlich. Wer Kraftklub live gesehen und sich richtig darauf eingelassen hat, dem wird es schwer fallen danach noch vernünftig klingende Sätze aneinanderzureihen. Schließlich ist nun ja auch unten oben.

Und es ist nicht leicht so einen Abend zu Ende gehen zu lassen, genauso wie es nicht leicht ist, den nächsten Tag zu beginnen. So hatte es selbst SSIO, der ja bekanntlich immer alle rasiert, ziemlich schwer am späten Sonntagnachmittag. Das Kopfnicken fiel beim Großteil noch recht zaghaft aus. Ob die Masse noch Nackenstarre vom derbe Beats-Mitwippen am gestrigen Festivaltag hatten? Stimmlich hätte hier jedenfalls auch mehr gehen können.

Nicht so bei The Offspring: Das Wahnsinnsorgan von Dexter Hollands ging immer noch genauso schrill ins Ohr, als er beispielsweise „Pretty Fly (For a White Guy)“ grölte, wie schon 1998, als das dazugehörige Album „Americana“ herauskam. Ihre Show wirkte generell reduziert, ihre Songauswahl erwies sich als einziges Hitfeuerwerk. The Offspring sind tatsächlich fleischgewordene Nostalgie. Im Anschluss Placebo live zu sehen, das wäre perfekt gewesen. Ihr Konzert, das sie im Rahmen der „20 Years“-Tour absolvieren wollten, musste jedoch in allerletzter Minute abgesagt werden.

Die Stimmung: stürmisch, sauer, gekippt.

Dieses Mal war kein Unwetter der Schuldige, sondern eine Krankheit. Genaueres wurde dazu nicht bekannt gegeben. Aber auch wenn keine Blitze über den Himmel zuckten, so erschien die Stimmung doch stürmisch. Sauer. Gekippt. Ein auf zwei Stunden aufgestocktes Set von den Toten Hosen sollte danach alles wieder gut werden lassen. Dennoch fühlte es sich nicht besser an, als man auf dem Rückweg über den ewig wirkenden Campingplatz hier und da noch die Stücke Placebos über Lautsprecher hören konnte.

Fazit: 2017 hat es das Highfield und seine Gäste hart getroffen. Regenmassen, massenhafte Bandausfälle, Unwohlsein und ein See, der viel zu kalt zum Baden war. Clueso konnte aber sicherlich noch ein paar neue Herzen für sich im Sturm erobern und Kraftklub verdienen sich wirklich eine Krone für so ein königliches Liveset.

Bericht und Fotos: Hella Wittenberg

www.highfield.de