Gesehen: „Tom of Finland“ von Dome Karukosi

Gerade erst traumatisiert aus dem zweiten Weltkrieg heim gekehrt, muss der Finne Touko Laaksonen seinen eigenen inneren Kampf ausfechten. Seine homosexuellen Neigungen auszuleben ist im Finnland der fünfziger Jahre illegal (und war es noch bis 1971). Erotische Begegnungen sind nur im verdeckten Umfeld wie dunklen, nächtlichen Parks möglich, und auch hier lauert die Polizei gerne mit gezückten Schlagstöcken in den Büschen. Der Werbegrafiker lebt seine erotischen Fantasien hauptsächlich im Zeichnen frivoler Illustrationen aus. Die Männer, die sich in seinen Bildern miteinander vergnügen sind der Antityp zum damaligen Klischeebild des klassischen Schwulen: breitschultrige, maskuline Kerle mit riesigen Schnurrbärten, überdimensional ausgeprägten Pobacken und mindestens genauso überdimensionalen Geschlechtsteilen.
Aus Touko Laaksonen wird die Kunst- und Kultfigur „Tom of Finland“, in den siebziger Jahren treten seine Bilder einen Siegeszug durch die wesentlich freiere Homosexuellenszene Kaliforniens an. Tom of Finland hat mit seiner Kunst das heute weit verbreitete Bild des maskulinen „Lederschwulen“ entscheidend mitgeprägt. Anfangs nutzte er die Bilder zur Kontaktaufnahme unter Gleichgesinnten, später wurde er gefeiert als homosexuelle Ikone, als jemand, in dem sich tausende von Menschen wiederfanden und das wichtigste aller Gefühle vermittelt bekamen: es ist okay, es ist schön so zu sein wie du bist und sein willst.
Mit dem Biopic „Tom of Finland“ setzt der Regisseur Dome Karukosi der finnländischen Kultfigur ein filmisches Denkmal und geht damit 2018 ins Rennen um den Auslands Oscar. Im internationalen Wettbewerb dürfte der Film sich gut machen, er ist optisch hochwertig inszeniert, mit den klassischen Bildern, die man von einem Film erwartet, der in jener historischen Periode spielt. Die ganze Palette von Braun- und Sepiatönen, langsame Kamerafahrten, ruhige Bilder. Die Trostlosigkeit des Lebens im Finnland der fünfziger Jahre wird greifbar, inklusive jede Menge dreckigem Schnee am Straßenrand. Hauptdarsteller Pekka Strang agiert mit der dazu passenden Zurückhaltung, solide und glaubwürdig. Was dem Film leider fehlt ist jedoch genau das, was die Kunst von Tom of Finland damals wie heute noch ausmacht: der Mut zur Andersartigkeit, die optische Überdrehtheit, aber auch die damit einhergehende Leidenschaft. Die wenigen Regieansätze, eine typische Tom of Finland Figur lebendig werden zu lassen, wirken in ihrer Minderheit leider dementsprechend deplaziert. So ist der Film ein etwas zu klassisches Biopic geworden, das sich mehr auf die Entwicklung der homosexuellen Gemeinschaft im allgemeinen konzentriert als auf die Eigenheiten Laaksonen als Person. Das tut der Film sehr gut inszeniert, anschaulich und glaubwürdig, nur leider verfehlt er dabei jegliches Alleinstellungsmerkmal. Jede Skizze Laaksonens mag insgesamt mehr Unterhaltungswert haben als dieser viel zu brav geratene Film.
Was umso trauriger ist, da die Illustrationen Tom of Finlands heutzutage längst salonfähig geworden sind. Seine Bildbände findet man heute in jeder guten Buchhandlung, in Finnland widmete man ihm sogar eine eigene Briefmarkenreihe. Schade, dass man seinem Lebenswerk mit derartig durchschnittlicher, wenn auch gut gemachter, filmischer Tristesse begegnet.

Kinostart: 05.10.2017

Gesehen von: Gabi Rudolph