Gesehen: „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ von Theodore Melfi

Hidden Figutes PlakatMartin Luther King sagte einst, es gibt keinen Menschen auf der Welt der weniger Rechte hat als eine schwarze Frau. Die amerikanische Hollywoodproduktion „Hidden Figures“ beschäftigt sich mit der wahren Geschichte dreier afroamerikanischer Frauen, die in den sechziger Jahren entgegen sämtlicher Widerstände ihren Weg aus der Unterdrückung Richtung Erfolg gegangen sind. Die Geschichte ist so wichtig wie gleichzeitig, trotz ihres Erfolges, tragisch, weil es eine Geschichte von Ausnahmen ist, die damals nicht die Regel bestimmten – und es zum Teil leider heute noch nicht tun.
Die Freundinnen Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson arbeiten 1962 bei der NASA. Im damaligen Zeitalter vor der Computerrevolution werden die für die Raumfahrt nötigen Gleichungen von menschlichen Computern, so tatsächlich benannt, von Hand ausgerechnet. In diesen Abteilungen sind hauptsächlich Frauen, auch viele schwarze Frauen beschäftigt. Sie arbeiten in eigenen Räumlichkeiten, mit eigenen Toiletten, auf dem selben Gelände aber weit entfernt von den Hauptgebäuden der NASA, in denen die (weißen) Spitzenköpfe der USA sich ein Wettrennen mit der Sowjetunion um den ersten bemannten Raumflug liefern. Die USA stehen unter Druck, die Russen scheinen ihnen immer einen Schritt voraus. In dieser angespannten Situation schafft die geniale Mathematikerin Katherine Johnson den Aufstieg in die Etage von Al Harrison (Kevin Costner), mit der Aufgabe betraut, die Formel für eine Flugbahn zu berechnen, die der bemannten Raumkapsel den sicheren Wiedereintritt in die Erdumlaufbahn ermöglicht. Aber wie soll das gehen, wenn der vorgesetzte Kollege die entscheidenden Zahlen und Informationen in den Unterlagen schwärzt? Wie soll man arbeiten, wenn man jeden Tag mehrmals 45 Minuten für einen Gang zur Toilette braucht, weil es im Hauptgebäude der NASA keine Toiletten für schwarzen Frauen gibt? Dass die weißen, männlichen Kollegen sich weigern, die gleiche Kaffeekanne zu benutzen, wird da noch zum geringsten Problem.
Die Freundinnen Dorothy und Mary kämpfen derweil an ihren eigenen Fronten. Dorothy um den Posten der Vorarbeiterin, den sie eigentlich bereits ausfüllt, den es in ihrer Abteilung aber offiziell nicht gibt. Später tut sie sich durch eigene Initiative an der Programmierung der ersten IBM Maschinen hervor und eröffnet so auch ihren Mitarbeiterinnen neue Perspektiven in einer neuen Abteilung. Mary Jackson strebt derweil, angespornt von ihrem Vorgesetzten, die Ingenieurslaufbahn an, aber die Kurse, die sie dafür besuchen müsste, werden an einer rein weißen Universität gelehrt.
Alle drei Frauen schaffen es, mit Durchhaltevermögen, Ehrgeiz, Erfindungsgabe und Biss ihren Weg zu gehen. Die Umstände, unter diesen das geschieht, sind nach wie vor schockierend. Es ist nur schwer vorstellbar, dass es noch keine sechzig Jahre her ist, dass Schwarze Mitbürger in den USA getrennte Toiletten, Schulen, Restaurants und Bibliotheken nutzen mussten. Dass sie in Bussen nur auf den hinteren Plätzen sitzen durften. An diese Umstände zu erinnern, besonders in der heutigen Zeit, in der Rassismus wieder stärker denn je auf dem Vormarsch ist, ist wichtig und unvermeidbar. Im Fall von „Hidden Figures“ inszeniert Regisseur Theodore Melfi die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte mit jede Menge großem Gefühl und einer ordentlichen Portion Pathos. Dazu der hippe, so gar nicht in den sechziger Jahren angesiedelte Soundtrack von Amerikas Everybody’s Darling der schwarzen Musikszene, Pharrell Williams. Das Ganze ist wenig subtil darauf angelegt, einem großen Publikum zu gefallen. Aber irgendwie ist das in dem Fall auch okay. Je mehr Menschen sich mit diesem Teil der amerikanischen Geschichte auseinandersetzen, desto besser. Da kann man schon mal ein Auge zudrücken, wenn die geniale Katherine Johnson, wenn sie nach einem überlangen Arbeitstag nach Hause kommt, auch noch als liebevolle allein erziehende Mutter dreier Kinder gezeigt wird. Gute Nacht Geschichte mit Zuckerguss.
Dass „Hidden Figures“ über die politische Korrektheit hinaus und trotz einiger filmischer Macken trotzdem gute Unterhaltung ist, ist vor allem den drei Hauptdarstellerinnen Taraji P. Henson, Octavia Spencer und Janelle Monáe geschuldet. Sie bringen viel Herz und Tiefe in die Inszenierung. Und irgendwie will man auch sehen, wie Kevin Costner als Al Harrison heldenhaft das Schild an den schwarzen Toiletten entfernt. Es gibt einfach Momente, da macht dieser Hollywood Pathos tatsächlich Sinn.

Kinostart: 02.02.2017

Gesehen von: Gabi Rudolph