Gesehen: „All Is Lost“ von J.C. Chandor

Ein Aufprall läutet den Anfang ein. Dann schwappt Wasser in gleichmäßigen Intervallen in den Innenraum der Segelyacht. Der Mann (Robert Redford, „The Company You Keep – Die Akte Grant“), vom Lärm geweckt, geht sofort dem Problem auf den Grund. Ein herrenloser Schiffscontainer hat sich seinen Weg in das Schiff des Mannes gebohrt. Aber auch nachdem er fachmännisch die undichten Stellen geleimt hat, lässt das Unglück nicht von ihm ab. Die Nässe hat seine technischen Hilfsmittel außer Kraft gesetzt und von nun an ist er, Sturm für Sturm inmitten des Indischen Ozeans, auf sich allein gestellt. Der Tod rückt näher.
Eines gleich vorweg: von der dramatischen Themenwahl muss man sich keinesfalls beirren lassen. Denn J.C. Chandor, der sich bereits in „Der große Crash – Margin Call“ einen Namen für seine sachliche Erzählweise in einer heiklen Situation gemacht hat, setzt auch bei seinem zweiten Spielfilm auf die leisen Töne. Doch während im Debüt die pointierten Dialoge noch eine wichtige Hauptrolle spielten, kommt das Seemannsabenteuer mit lediglich vereinzelten Hilferufen und keinerlei Hintergrundgeschichte aus. Der Betrachter hat allein das gealterte Männergesicht, was zu ihm spricht. Verkörpert wird der einsame Seemann von Robert Redford, der trotz sinkender Rettungschancen unverzagt und präzise ans Werk geht. Doch in seinen Augen kann man im Laufe der 106 Minuten immer mehr die schwindende Hoffnung und den Frust erkennen – eine beeindruckende Darbietung, die einem die Nackenhaare aufstellt!

„Im Grunde handelt es sich um eine einzige lange Actionsequenz, die, wenn sie endet, hoffentlich etwas Allgemeingültiges aussagt über unsere kompromisslose Bereitschaft, nicht vorschnell aufzugeben, über unseren Willen zum Überleben.“ (J. C. Chandor)

So wie Regisseur und Drehbuchautor J. C. Chandor durch die Arbeit seines Vaters als Mitarbeiter in einer Investmentbank detaillierte Einblicke in die Finanzwelt für sein Erstlingswerk nutzen konnte, so kann er auch bei der Tour de Force auf hoher See aus seiner eigenen Erfahrung schöpfen. Die Liebe zum Detail auf kleinstem Raum und auch das uneingeschränkte Können des unbenannten Hauptdarstellers in „All Is Lost“ sind ebenfalls Gründe dafür, weshalb der Film trotz des Minimalismus funktioniert und mit seiner unemotionalen Ausweglosigkeit durch Mark und Bein geht.

Kinostart: 09. Januar 2014

Gesehen von: Hella Wittenberg