George Ezra im Interview: „Ich möchte, dass die Fans nach meinen Konzerten ein bisschen heiser sind“

Nachdem wir George Ezra bereits 2016 auf dem Hurricane Festival interviewen durften, hatten wir zum Release seines neuen Albums „Staying At Tamara’s“ wieder das Vergnügen mit dem Sunny Boy zu plaudern, dessen Musik der Inbegriff von Gute-Laune-Pop ist. Natürlich wollen wir von ihm wissen wer Tamara ist und warum ihn immer wieder das Reisen so inspiriert.

Wir haben uns ja schon vor zwei Jahren auf dem Hurricane getroffen, da haben wir zusammen ein Bild gemacht. Wir wurden total oft darauf angesprochen, wie jung wir neben dir aussehen. Du hast einen guten Einfluss auf uns.

(lacht) Habt ihr das Bild noch? Zeigt mal! Wow, wir sehen da alle super gut aus. Obwohl ich da aussehe als wäre ich erst 12 Jahre alt.

Wir scheinen uns gegenseitig jünger wirken zu lassen.

Wir sind ein tolles Team, unglaublich. Wie ist es euch gegangen seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?

Sehr gut. Wir werden älter aber auch immer weiser und haben viele tolle Dinge erlebt. Eins unser Highlights war Glastonburry Festival letztes Jahr. Da haben wir dich auch gesehen.

Ihr wart in Glasto? Es ist der absolute Wahnsinn oder? Habt ihr gezeltet?

Nein, wir haben in einem Zimmer im Ort gewohnt. Bei einer Priesterin von Avalon.

Wow, das klingt spannend. Das ist wahrscheinlich der Grund warum es so gut war, weil ihr nicht gecampt habt (lacht).

Wir haben dich dort auf dieser riesigen Bühne gesehen und waren so stolz auf dich! Es haben wirklich alle gesungen und getanzt. Egal ob jung oder alt, bis in die letzte Reihe.

Oh ja, der Auftritt hat wahnsinnig Spaß gemacht.

Wie ist es dir denn seitdem ergangen?

Wenn ich ehrlich bin, wäre ich gerne etwas früher mit dem Album fertig geworden. Ich war ein bisschen naiv wie lange das alles dauert. Die Songs auf meinem ersten Album habe ich zum Teil geschrieben als ich 14 Jahre alt war. So lange habe ich die Songs zusammengesammelt. Wir haben bis Dezember 2015 getourt, im ersten Monat 2016 habe ich gar nichts gemacht. Ich habe noch nicht mal eine Gitarre angeschaut, mich einfach nur entspannt. Dann muss man sich erst mal überlegen über was man überhaupt schreiben möchte und dann muss man das ja auch noch alles schreiben und auch noch aufnahmen. Es hat also alles etwas länger gedauert als ich ursprünglich geplant hatte. Jetzt bin ich wieder total froh beschäftigt zu sein.

Du hast die Pause aber sicherlich auch gebraucht?

(seufzt) Vielleicht nicht ganz so lange. Irgendwann habe ich es vermisst, etwas zu tun zu haben.

Ist es dann schwierig wieder den Faden aufzunehmen und Musik zu machen?

Nein, gar nicht. Bei mir läuft es sogar besser, wenn jemand anderes über meine Zeit die Kontrolle hat. Wenn man auf Tour ist, sagt einem jemand jede Minute was man als nächstes zu tun hat. Ich finde das cool, so kann ich gut funktionieren.

Das Thema Reisen scheint für deine Musik eine große Inspiration zu sein. Das war schon der rote Faden deines ersten Albums. Auf „Staying At Tamara’s“ geht es auch wieder darum.

Ja, das stimmt. Für mich ist es schwierig kreativ zu sein, wenn ich zu Hause bin, da lass ich mich zu schnell ablenken. Wenn ich der George auf dem Sofa zu Hause bin fällt es mir manchmal schwer mich daran zu erinnern, dass ich ja eigentlich ein Popstar bin und Songs schreiben muss (lacht). Deshalb habe ich ein paar Reisen gebucht. Zwei Trips waren dabei für mich wirklich prägend. Der eine war Barcelona. Bei meinem ersten Album war ich mit Interrail unterwegs und bin in jeder Stadt nur für einen Tag geblieben, das habe ich zwei Jahre lang gemacht. Diesmal habe ich überall einen Monat verbracht. Statt in Hotels zu übernachten, habe ich mit Unterkünfte übers Internet gesucht. Einfach Fremde, die mich aufnehmen. Da habe ich dann auch bei Tamara gewohnt.

Haben die Leute dich erkannt, wenn du ein Zimmer angefragt hast?

Nein, Ezra ist ja eigentlich mein mittlerer Name. Mein Nachname ist Barnett. So ist das gar nicht aufgefallen. Tamara hat am Anfang auch gar nicht gemerkt wer ich bin. Sie war einfach super und hat mich ihren Freunden vorgestellt, die waren alle Künstler und Musiker, Designer. Tolle Leute. Und ich habe in der Zeit viele kleine Abenteuer erlebt. Ich hatte meine Gitarre dabei und ein Notizheft. Auf der Gitarre habe ich nur selten gespielt. In das Notizheft habe ich alles geschrieben, was ich gesehen und was ich gemacht habe. Zurück zu Hause habe ich gemerkt, dass alles was ich aufgeschrieben habe, die Songs geformt hat.

Ich habe mich schon gefragt, ob du die Songs schon während der Reise sammelst oder ob du erst mal nur Gedanken und Ideen sammelst.

Während der Reise habe ich eher zwei Sätze oder eine Idee. Viele fragen mich ob ich zuerst mit den Texten oder den Akkorden anfange. Bei mir ist meistens beides in meinem Buch, je nachdem, was mir gerade einfällt. Erst später finde ich dann raus, welcher Akkord zu welchem Text passt. Das wichtigste an dem Album war vor der Welt um mich rum zu fliehen, irgendwo anders hin, zu träumen. Das ist mir besonders gut in Barcelona gelungen. Manchmal ist es einfach total wichtig abzuschalten und nicht ständig connected zu sein.

Weiß Tamara von ihrem Glück, dass sie jetzt quasi der Mittelpunkt deiner Platte ist?

Ja, ich habe ihr vorher erzählt, dass ich es vorhabe. Aber ehrlich, ich hätte es so oder so getan (lacht).

Sie muss einen starken Eindruck auf dich gemacht haben.

Nicht nur sie als Person. Der Trip an sich war sehr prägend, dann ist Tamara auch ein wunderschöner Name. Es hätte wahrscheinlich nicht so gut funktioniert, wenn ich bei Peter übernachtet hätte. Ich habe vorher noch nie jemanden getroffen, der Tamara heisst. Für mich hört sich „Staying At Tamara’s“ wie eine Flucht an.

Das stimmt, und es könnte überall sein. Mit dem Namen assoziiert man keine bestimmte Stadt oder Land. Wie hat sie reagiert, als du ihr von deinen Plänen erzählt hast?

Sie war anfangs ein wenig irritiert. Ich muss ihr jetzt natürlich ein Album schicken.

Wo warst du noch auf deiner Reise?

Ich habe diese Hütte im Internet gefunden. Das war so toll, es gab dort keine Elektrizität. Ich habe dort angerufen und wollte für zehn Tage buchen. Die meinten dann zu mir: „Du alleine? Normalerweise wohnen hier nur Pärchen und machen sich eine romantische Zeit, bist du dir sicher?“ Das war eine Wahnsinns Erfahrung.

Wo war das?

In Norfolk. Wenn man morgens duschen wollte, musste man erst mal Feuer machen, um das Wasser warm zu bekommen. Also musste ich um fünf Uhr morgens aufstehen, um schon mal Feuer zu machen, dann zurück ins Bett. Um sieben konnte ich dann eine Dusche nehmen. Ich hatte wahnsinnig viele Kerzen, weil es dort kein Licht gab und ein Radio, das nur mit Batterien funktioniert hat. Dann hatte ich noch ganz viele Bücher mit und natürlich meine Gitarre. Ich habe viel Rotwein getrunken.

Dann konntest du ja noch nicht mal dein Telefon benutzen?

Nein, es war wirklich nur ich in der Einsamkeit und mein Radio. Ich habe soooo viele Batterien verbraucht, ich glaube so 40 Stück. Das war der wunderbarste Trip, den ich je gemacht habe. Nachts habe ich so klar die Sterne gesehen wie nie zuvor, weil es kein anderes Licht gab.

Welchen Song hast du dort geschrieben?

Einer der Songs die dabei raus kamen ist „Don’t Matter Now“. Eigentlich einer der am einfachsten strukturierten Songs auf dem Album.

Die meisten deiner Songs sind gute Laune Stücke. Wie kommt so etwas Fröhliches raus, wenn du in der Einsamkeit bist? Da würde man ja eher etwas Melancholischeres erwarten?

Nein, gar nicht. Ehrlich gesagt habe ich mich Anfang 2016 gar nicht gut gefühlt. Ich hatte so was wie Angstzustände, es kamen einfach einige Dinge zusammen. Wenn ich dann Songs geschrieben hätte darüber wie ich mich fühle, dann hätte das für mich nicht funktioniert. Ich hätte damit diese Flucht nicht gehabt, und dann hätte ich auch noch die ganze Zeit mit so traurigen Songs touren müssen. Das zieht einen dann noch mehr runter. Also habe ich genau das Gegenteil gemacht und über das Ausbrechen und Tagträume geschrieben.

Das klingt ja fast wie eine Eigentherapie.

Genau das war es. Das ist von allen Privilegien die ich habe, das beste. Ich kann mich durch die Musik ausdrücken.

Das ist wirklich interessant, so viele Musiker sagen immer sie können bessere Songs schreiben, wenn sie traurig sind.

Ja, vielleicht ist das einfacher, aber das heißt nicht, dass die Song dann auch besser sind. Im Moment möchte ich nicht noch mehr traurige Lieder hören. Es gibt schon  genug Düsteres auf der Welt, das muss ich nicht noch mit meiner Musik verstärken.

Das beste Beispiel dafür ist Prince. Als er das „Black“ Album rausgebracht hat, sagte er: „Wenn ich jetzt sterbe, ist es dieses düstere Album, woran sich die Menschen erinnern werden. Damit möchte ich gar nicht assoziiert werden. Daraufhin hat er es zurück gezogen und „Love Sexy“ raus gebracht.

Das ist ein großartiger Vergleich. Am Ende des Tages musst du ehrlich sein, dann nehmen die Leute dir auch ab was du tust. Ich bin grundsätzlich kein unglücklicher Mensch, auch wenn das heutzutage cool ist. Manchmal gehe ich auf die Bühne und denke, heute bin ich mal besonders cool. Und dann muss ich sofort wieder grinsen.

Wenn du die Arbeit an deiner zweiten Platte mit der ersten vergleichst, was ist dir leichter gefallen und was war schwerer für dich?

Ich würde nicht sagen, dass es schwieriger war. Mir war klar, dass das erste Album speziell war, weil es sofort so einen Erfolg hatte und ich das nicht einfach wiederholen kann. Mit dem ersten Album habe ich mir ein Publikum erarbeitet. Jetzt weiß ich es wie es sich anfühlt, wenn man auf großen Bühnen steht und alle mitsingen. Daher sind wahrscheinlich auch mehr Gang-Vocals auf dem Album. Ich liebe es wenn das Publikum mitsingen kann. Ich möchte, dass die Fans nach meinen Konzerten ein bisschen heiser sind (lacht).

Dadurch hören sich einige Songs recht hymnisch an.

Absolut. Ich möchte dass die Songs nicht suggerieren das bin ich und das seid ihr. Ich wünsche mir eine Einheit, lasst uns das zusammen machen. Deshalb liebe ich auch das Touren so sehr. Obwohl es sehr ermüdend ist und man auch Zuhause vermisst – man verpasst Hochzeiten und Geburtstage. Aber das ist der Preis, den man zahlt für dieses großartige Gefühl. Man kann einen totalen Scheißtag haben, dann steht man auf der Bühne und es ist der absolute Wahnsinn. Ich habe das Sziget Festival in Budapest gespielt, ein wunderbares Festival. Da habe ich „Budapest“ in Budapest gespielt. Das war unfassbar, die Fans sind ausgerastet. Ich musste fast weinen.

Wie ist es, wenn man neue Songs zum ersten Mal live spielt?

Ich war überrascht, wie gut die Songs ankamen. Ich habe schon sehr früh neue Songs gespielt, ich wollte dabei auch ein bisschen ihre Wirkung ausprobieren. Ich wollte nichts überstürzen und keinen Song auf das Album bringen, den ich oder das Publikum nicht mag.

Gibt es irgendetwas, auf das du dich dieses Jahr besonders freust?

Ja, ich möchte einfach sichergehen, dass ich alles bewusster erlebe. Bei der letzten Platte war alles irgendwie ein bisschen verschwommen, weil sich die Ereignisse so überschlagen haben. Ich freue mich auf die Tour Jetzt kann ich es noch mehr genießen. Beim ersten Mal war noch alles total neu, ich habe es ja zum ersten Mal gemacht.

Vielen Dank! Schön dich wiederzusehen, wir hoffen das du deine Tour geniesst und freuen uns in Berlin zu deinen Songs mitzusingen!

George Ezras Tourtermine gibt es hier.

Interview: Kate Rock & Gabi Rudolph

www.georgeezra.com