Gelesen: Rainbow Rowell „Fangirl“

Ich habe, wenn es um Literatur geht, eine goldene Verhaltensregel: auf jeden Fall alles lesen, was John Green empfiehlt. Ich habe ein Faible für ernsthafte Jugendliteratur und was die betrifft, ist John Green einfach der King. (Am 10. Oktober erscheint übrigens „Turtles All The Way Down“, sein erste Roman seit seinem riesigen Erfolg „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ vor fünf Jahren. Aber das nur am Rande). Auf jeden Fall empfiehlt John Green über seine Social Media Kanäle gerne Kollegen, die ihn mit seinen Werken berührt haben, und so habe ich über ihn neben Patrick Ness’ „Sieben Minuten nach Mitternacht“ auch Rainbow Rowells Außenseiter-Liebesgeschichte „Eleanor und Park“ entdeckt. Und die US-Amerikanische Schriftstellerin ist wirklich eine Green’sche Schwester im Geiste. Sie hat ein sensibles, tiefgehendes Gespür für jugendliche Protagonisten und deren Sorgen und Nöte, die sie treffend beschreibt, analysiert und ernst nimmt. Mit „Fangirl“ ist jetzt der dritte von Rowells inzwischen sechs Romanen in deutscher Übersetzung erschienen. Eine klassische, amerikanische College-Geschichte, die sich dank Einfühlungsvermögen und Ideenreichtum vom Gros der Genre-Vertreter sympathisch abhebt.
Es ist die Geschichte der Zwillingsschwestern Cath und Wren, deren Leben sich mit Eintritt in die Welt des College entscheidend verändert. Bei Wren schlagartig, Hauptfigur Cath braucht dagegen, wie für alles, ein bisschen länger. Eigentlich hätte sie gar nichts dagegen, wenn ein paar entscheidende Dinge erst einmal beim Alten blieben. Wenn sie und Wren zum Beispiel noch die gleiche enge Bindung wie früher hätten, die sich vor allem darüber definierte, dass die beiden Schwestern es liebten, miteinander Geschichten zu schreiben. Früher waren sie beide große Fans von Simon Snow, einer Romanfigur, die und deren Welt verdächtig an Harry Potter erinnern. Gemeinsam haben sie einst angefangen, ihre eigenen Simon Snow Geschichten zu erfinden, die sich irgendwann auf einem Fanfiction Portal zu einem kleinen Internet Hit entwickelten. Genau das ist es, was Cath gerne weiter machen möchte, mit ihrer Schwester die Köpfe zusammen stecken und Simon Snow Geschichten schreiben. Aber Wren möchte noch nicht einmal ein Zimmer mit Cath teilen, geschweige denn sich Fantasy Fanfiction ausdenken. Sie möchte auf Partys gehen und Jungs kennenlernen, während Cath sich noch nicht einmal traut, ihre Mitbewohnerin nach dem Weg zur Kantine zu fragen. Aber dann lernt sie Nick aus ihrem Schreibkurs kennen sowie Levi, den sie zuerst für den Freund ihrer Mitbewohnerin Reagan gehalten hat. Vielleicht gibt es in der Realität ja Jungs, die mindestens genauso interessant wie Simon Snow sind? Allerdings hat sie auch noch genug andere Verwirrungen zu bieten, diese Realität. Zum Beispiel dass die Mutter von Cath und Wren nach vielen Jahren Abwesenheit wieder auf der Bildfläche verschwindet und die beiden Schwestern auch hierzu eine sehr unterschiedliche Einstellung an den Tag legen. Oder dass Cath schmerzhaft lernen muss, dass Fanfiction in der ernsthaften Welt der Literaturkurse am College keinen großen Stellenwert einnimmt.
Es geht in „Fangirl“, ganz klassisch und leicht zusammen gefasst, um das schwierige Thema des Erwachsenwerdens. Rainbow Rowell nimmt die Sorgen und Nöte ihrer Protagonisten wieder einmal angenehm ernst und entwickelt glaubwürdige Charaktere, denen man gerne folgt. Im Vergleich zum Vorgänger „Eleanor und Park“ kommt „Fangirl“ aber recht leichtfüßig daher. Es sind mehr die alltäglichen Probleme, um die es hier geht, die täglichen Hindernisse, die es auf dem Weg in die Selbständigkeit zu bewältigen gilt. So ganz die Tiefe ihres Vorgängers erreicht die Autorin dabei nicht. Trotzdem ist „Fangirl“ ein Buch, das nicht nur jungen Lesern Freude bereitet. Die Identifikationsmöglichkeiten sind, dank der gut ausgearbeiteten Charaktere, auf einer breiten Ebene gegeben. Und die Liebesgeschichte ist schlichtweg entzückend erzählt. Die zahlreich geäußerte Kritik, die Figur des Simon Snow erinnere zu sehr an Harry Potter, erscheint mir eher wenig angebracht. Natürlich geht es hier darum zu zitieren, und das ist popkulturell gesehen auch völlig in Ordnung.
Es macht einfach immer wieder Freude zu sehen, dass es Autoren gibt, die, obwohl sie das Teenager Alter selbst schon ein Weilchen hinter sich gebracht haben, ihre Empathie für die junge Generation nicht verlieren. Rainbow Rowell schafft es mit Leichtigkeit und Tiefgang, Leser unterschiedlichsten Alters in ihrer Begeisterung zu vereinen. Meine 12 Jahre alte Tochter und ich sind das beste Beispiel dafür – wir sind beide bekennende Rainbow Rowell „Fangirls“.

Info: „Fangirl“ von Rainbow Rowell ist in der deutschen Übersetzung von Brigitte Jakobeit im Hanser Verlag erschienen und kann hier käuflich erworben werden. Am 4. August erscheint als nächstes von Rainbow Rowell „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“, dort kann man die in „Fangirl“ zitierten Abenteuer des Simon Snow in voller Länge nachlesen. Eine Leseprobe zu „Fangirl“ gibt es hier

Gelesen von: Gabi Rudolph

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