Gelesen: Kerstin Lücker / Ute Daenschel „Weltgeschichte für junge Leserinnen“

FastForward-Weltgeschichte für junge LeserinnenGeschichte ist für mich bis heute eines der Fächer, bei denen es mich reut, dass ich zu Schulzeiten nicht besser aufgepasst habe. Es ist aber auch kein so einfach zu vermittelndes Fach. Viel zu viel Stoff für viel zu wenig Zeit, viele Namen, viele Fakten und viel zu wenig Lehrer, die wirklich ein Händchen dafür haben, diese so zu vermitteln, dass man nicht Gefahr läuft, beim Zuhören einzuschlafen. Und es ist eigentlich ein Jammer. Was in den tausenden von Jahren unserer Weltgeschichte alles passiert ist liefert so viel Stoff, da reicht kaum ein Leben, sich mit all dem detailliert auseinanderzusetzen.
Dass man bereits junge Kinder für die Ereignisse der Weltgeschichte begeistern kann, bewies der Österreicher Ernst H. Gombrich schon 1939 mit seinem Werk „Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser“. Dank meiner Tochter und der so wunderbar von Christoph Waltz gelesenen Hörbuchversion habe ich in den letzten Jahren mehr von der Weltgeschichte mit genommen als in meiner gesamten Schulzeit. Kerstin Lücker und Ute Daenschel haben nun mit „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ ein Buch herausgebracht, das es schafft, der Geschichte seit den Anfängen der Menschheit noch den ein oder anderen neuen Aspekt abzugewinnen. Denn die beiden Autorinnen liefern gut erzählt und wohlstrukturiert den klassischen Ablauf eines Weltgeschichtsbuchs, ergänzen diesen aber um bis jetzt wenig bis gar nicht behandelte Frauenfiguren. Es gibt zahlreiche Frauen, die mit ihrem Handeln die Weltgeschichte geprägt haben und viele von ihnen kennt man. So findet man in diesem Buch natürlich die Geschichte Kleopatras, Jeanne D’Arcs, die von Katharina der Großen bis hin zu Sophie Scholl. Aber wer hat spontan auf dem Schirm, dass der wahrscheinlich erste Roman der Welt um 1000 n. Chr. von einer japanischen Hofdame geschrieben wurde und die japanische Schrift zuerst von Frauen entwickelt wurde? Dass Dschingis Khan in strategischen Entscheidungen viel auf die Meinung seiner Frauen gab? Dass es die portugiesische Prinzessin Katharina von Braganza war, die den Tee nach England brachte? Dass ENIAC, einer der ersten Computer der Welt, 1942 von Frauen programmiert wurde?
Es gibt allerlei Lehrreiches, Spannendes und Vergnügliches zu erfahren, vieles, was man noch nicht wusste oder das in anderen Werken bis jetzt eher gestreift wurde. Dabei geht es nicht nur um die Bedeutung einzelner Frauenfiguren, sondern auch um die Position der Frau an sich in der verschiedenen Epochen. Denn die Unterdrückung der Frau, der Unwille, sie gleich dem Manne zu behandeln, geht zurück bis zu den Schriften des Aristoteles, der davon überzeugt war, dass eine Frau in der falschen Seite der Gebärmutter wächst und damit nichts weiter ist als ein defekter Mann. Über die Jahrhunderte hinweg gab es immer wieder Situationen, in denen die Diskussion um die Gleichwertigkeit der Frau aufs Neue angestoßen wurde, leider selten mit langanhaltendem Erfolg. Von Christine de Pizan, die zu Beginn der Neuzeit mit der damals gewagten These „Frauen können alles“ den Streit um die Gleichberechtigung der Frau eröffnete bis hin zu Simon de Beauvoir, die mit ihrem Schaffen in den Vierziger Jahren den Feminismus mitbegründete, gab es immer wieder Frauen, die sich mit der ihnen zugedachten Position nicht zufrieden geben wollten. Und auch nicht mit dem Bild, das bereits durch die Schöpfungsgeschichte von ihr geprägt wurde, das der Sündhaften, der nicht zu Trauenden, Verderben bringenden.
Aber, und auch das vernachlässigen die Autorinnen nicht, es gab auch immer wieder Männer, die sich für eine bessere Behandlung der Frauen eingesetzt haben. Es ist also nicht nur die Geschichte der Frauen, die in „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ behandelt wird, im Gegenteil, es geht mehr darum, ein gleichberechtigtes Bild zu kreieren, in dem jeder die Behandlung erfährt, die ihm gebührt. Schade eigentlich, dass das Buch aufgrund seines Titels dann mit so einem starken Gender Marketing daher kommt. Denn eigentlich sollten es auch (oder besonders) die jungen Herren von morgen in die Hände nehmen und sich ein Bild davon machen, dass Menschen beiderlei Geschlechts gleichermaßen Einfluss auf unsere Weltgeschichte hatten und haben. Es ist nämlich ein tolles, informatives Buch geworden, das von so vielen Interessenten wie möglich gelesen werden sollte. Und auch wir Älteren können noch einiges daraus lernen.

Info: Kerstin Lücker und Ute Daenschel haben Musikwissenschaften, Philosophie, Geschichte, Germanistik und Slawistik studiert. „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ ist ihr erstes gemeinsames Buchprojekt. Es ist bei Kein & Aber erschienen und kann hier käuflich erworben werden. 

Gelesen von: Gabi Rudolph

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