Gelesen: Catharina Junk „Auf Null“

Catharina Junk Auf NullEs ist der Alptraum schlechthin: eine schwere Grippe führt zum Gang zum Arzt, der überweist direkt ins Krankenhaus und nach einer ausgiebigen Untersuchung steht die niederschmetternde Diagnose: Akute Myeolische Leukämie. So geht es Nina, der Heldin in Catharina Junks Debütroman „Auf Null“. 20 Jahre alt, gerade von Zuhause ausgezogen, führt der Weg nicht an die Münsteraner Uni zum Studium, sondern ins Krankenhaus zur Chemotherapie. Kann man über das Sterben nachdenken, wenn man erst angefangen hat zu leben? Wenn man gerade von Zuhause ausgezogen ist und auf der Schwelle zum Erwachsenwerden steht, mit einem eigenen Leben und allem drum und dran? Nina kämpft, gegen den Krebs, gegen die Nebenwirkungen der Chemo, gegen Lungenentzündungen und Pilzinfektionen und gegen die zeitweise auftretende Lebensmüdigkeit – und gewinnt. Ein Jahr später ist sie gesund. Aber nicht geheilt. Der Krebs kann jederzeit zurückkehren. Wie soll man da denn jetzt schon wieder mit umgehen?
Vor allem wenn man nicht in sein eigenes Leben zurückkehrt, sondern erst einmal ins ehemalige Kinderzimmer im Haus der Eltern, in einer niedersächsischen Kleinstadt auf dem platten Land. Mit ihrer ehemals besten Freundin Bahar, die sie während der Erkrankung lange Zeit aufopfernd gepflegt hat, ist Nina zerstritten. Ihre Schulfreundin Isabelle ist zwar da aber eigentlich fremder denn je. Ihr Bruder hat sich einer freikirchlichen, christlichen Gemeinde angeschlossen und kapselt sich immer mehr ab. Die Eltern sind derweil damit beschäftigt, alles so normal wie möglich wirken zu lassen. Aber was ist schon normal, wenn man dem Tod von der Schippe gesprungen ist und trotzdem nicht weiß, ob er hinter der nächsten Ecke nicht schon wieder lauert.
Fehlt nur noch, um das Chaos perfekt zu machen: die Liebe! Die kommt in einer Nacht in Form von Felix mit einem Abschleppwagen daher. Felix hat selber seine Mutter an den Krebs verloren und Nina weiß nicht so recht, ob sie ihm, sich und ihren Gefühlen trauen kann. Liebt er sie wirklich oder ist es vielleicht nur ein verlustbedingtes Helfersyndrom? Außerdem findet Isabelle Felix auch ganz schön gut, vielleicht sollte Nina ihr direkt den Vortritt lassen, weil wer weiß, wie lang sie überhaupt noch leben wird. Kann man das überhaupt jemandem antun, sich auf eine tickende Zeitbombe einzulassen?
Catharina Junk lässt Nina ihre Geschichte aus ihrer eigenen Sicht erzählen und das im besten Sinne wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Nina verfügt über jede Menge Galgenhumor, der einen als Leser oft zum Schmunzeln bringt. Sie hat Hoffnung und möchte lernen, ihr Leben neu zu entdecken. Aber sie ist auch gehässig ihrer Umwelt gegenüber, ohne dass sie es steuern kann und manchmal eben auch einfach selbstmitleidig. Nina vereint als Figur und Erzählerstimme glaubwürdig alle Facetten, die einen Menschen, der so eine Diagnose und ihre Nachwehen verkraften muss nunmal ausmachen. Aber gerade das macht sie so sympathisch: ihre Direktheit, ihre Reflektiertheit, ihre Offenheit sich und ihren Fehlern gegenüber.
Catharina Junk weiß wovon sie erzählt, und das merkt man. Sie erkrankte mit Anfang 20 selbst an Leukämie und weiß um die Schwierigkeiten die es mit sich bringt, nach so einer Krankheit zurück ins Leben zu kehren. Mit viel Herz, Schlagfertigkeit und Humor, schonungslos offen aber auch einfühlsam und ernsthaft begleitet sie Nina auf ihrem Weg und lässt sie einem dabei zunehmend ans Herz wachsen. Da verzeiht man ihr auch, dass sie am Ende recht viele Zufälligkeiten heranzieht, um die Geschichte zu einem möglichst runden Schluss zu bringen. Spannend ist, dass sich ihre Geschichte mehr auf die Zeit danach als auf den Verlauf der Krankheit konzentriert, auf die vielen Fragen, die ein Leben mit einer derart ungewissen Zukunft aufwirft. „Auf Null“ ist auf jeden Fall ein sehr sympathisches Debüt geworden, das seinem ernsten Thema mit Leichtigkeit gerecht wird.

Info: Catharina Junk, 1973 in Bremen geboren, studierte Deutsche Sprache und Literatur, Psychologie und Volkskunde an der Universität Hamburg. „Auf Null“, ihr erster Roman, ist im Rowohlt Verlag erschienen und kann hier käuflich erworben werden.