Gehört: Will Butler „Policy“

Was macht man, wenn man Mitglied einer total angesagten Band ist, die gerade eine fast einjährige Tour hinter sich gebracht hat, wenn man das „Wild Child“ in der Band ist, die Presse einen immer mit dem älteren Bruder Win Butler verwechselt und der halbe Kopf voll mit literarischen Fetzen von Dostojewski und Tolstoy aus dem Poetry Studium ist? Genau! Man macht einfach das, was man am besten kann und wofür das Herz schlägt – einfach weiter Musik. Und dann bringt man ein Soloalbum unter eigenen Namen raus. So geschehen mit Will Butler und „Policy“. Denn ausruhen ist sowieso völlig überbewertet und irgendwo müssen sich ja die Sprachkapriolen und die sichtbar überschüssige Energie hin kanalisieren.
Und wenn man die Musik wild gestikulierend mit voller Leidenschaft am liebsten hinter den unterschiedlichsten Instrumenten auslebt, geht man damit dann am besten auch noch auch noch auf Tour. Ach ja und wenn man dann immer noch nicht ausgelastet ist, bringt man zwischendurch auch noch eine Woche lang Songs für den „The Guardian“ raus, die durch tägliche Berichte inspiriert wurden.

Aber jetzt erst einmal der Reihe nach:

Noch während Arcade Fire auf der ausgedehnten Tour im Mai einen Mini-Break machen, bucht Butler eine Woche in den altehrwürdigen Electric Lady Studios um seine Songs, die sich über die Zeit angesammelt haben, aufzunehmen. Das Studio im Dachgeschoss war einst Jimmy Hendrix‘ Wohnzimmer. Verständlicherweise beschreibt Butler die Atmosphäre als magisch und inspirierend. Und es war genau der Ort, an dem David Bowie seine Cameo Vocals für den Arcade Fire Track „Reflektor“ aufgenommen hat. Herausgekommen ist dabei das Album „Policy“, das klingt wie eine Reise durch Wills‘ Musik-Playlist. Die acht Songs hören sich vielmehr nach seinem Spaß Projekt The Phi Slamma Jamma Boys an als nach seiner Hauptband Arcade Fire. Will selbst beschreibt das Album als American Music – in der Tradition von zum Beispiel Violent Femmes, Bob Dylan, Smokey Robinson und John Lennon. Obwohl Butler mittlerweile zum Großteil in Montreal lebt, bleibt er mit dem Sound eindeutig seinen amerikanischen Wurzeln treu. Der Musik, mit der er aufgewachsen ist.
Auf einen Punkt lässt sich „Policy“ nicht bringen. Es ist so abwechslungsreich, verrückt und voller Überraschungen wie Butler selbst. Die Songs sind wütend, voller Liebe, machen Spaß, sind aufrichtig, wild oder ruhig. So prallen Gegensätze aufeinander, die dann doch irgendwie zusammen zu passen. Dem Poetry Studium wird auf „Policy“ alle Ehre gemacht. Genaueres Hinhören lohnt sich! Mal sind die Lyrics lustig und handeln von Pony Macaroni, mal sind sie sehnsuchtsvoll, zweifelnd poetisch und schwelgen um das Thema Einsamkeit, um dann plötzlich wieder in politische oder religiöse Themen zu schwenken.
Nicht nur die Texte sind vielfältig, auch der Sound reicht von melancholischen Balladen, über David Byrne-esken New-Wave bis zu Funk Klängen, die mit fetten digitalen Beats untermalt werden.
Butler bespielt die komplette Klaviatur seiner musikalischen Einflüsse. “I’m drawn to every genre”, sagt er selbst über seinen eigenen Musik Geschmack. Eins haben die meisten Songs gemeinsam: man möchte direkt los tanzen und ähnlich wild wie Will durch die Gegend zappeln.
„Policy“ ist ein klares, nicht überproduziertes Album, das ohne viel Schnick Schnack auskommt. An manchen Stellen klingt es noch etwas roh. Einige Kritiker würden ihm an dieser Stelle vielleicht Halbherzigkeit unterstellen. Aber gerade das macht es so charmant. Back to the roots of music mit viel DIY -Charakter.
Das Do -It –Yourself-Prinzip zieht sich auch auf dem Cover durch. Es ist ein Selfie, das Will gemacht hat. Die Muster sind portugiesische Kacheln, die er während der Arcade Fire Tour in Lissabon fotografiert hat. Und auch das Video seiner zweiten Single „Anna“ hat Butler selbst in seinem Arizona Urlaub gefilmt. Was dem künstlerischen Aspekt aber keineswegs einen Abbruch tut, im Gegenteil!
Zwar spielt er die meisten Instrumente selbst, so ganz ohne Support geht es aber trotzdem nicht. Es bleibt aber so was wie ein Family-Business. Jeremy Gara, auch Mitglied von Arcade Fire spielt auf dem Album Schlagzeug, der bekannte Jazz-Musiker Matt Bauder steuert bei „Finish What I Startet“, „Sing To Me“ und „Witness“ Saxophon und Klarinette bei. Stuart Bogie spielte und arrangierte das Saxophon auf „Anna“ – beide waren auch als Bläser bei der Arcade Fire Tour dabei. Wills Ehefrau Jenny Shore Butler singt auf zwei Songs die Backing Vocals. Weitere Backing Vocals kommen von ihrer Schwester und einer Freundin, einer Broadway Darstellerin.
Fazit des Albums: Will Butler muss sich mit seinem Talent nicht hinter seinem älteren (und auch größeren) Bruder verstecken. Ein Multiinstrumentalist, dessen schönstes Instrument die Fantasie ist.

VÖ: 20.03.2015

Gehört von: Kate Rock