Gehört: Feist „Pleasure“

Man hat sie schon vermisst, die gute Feist. Obwohl sie zu den Künstlerinnen gehört, deren Platten man immer wieder in die Hand nehmen kann, alle Jahre wieder, und stets aufs Neue staunen kann, wie gut sie sind. Feists Musik hat Bestand, sie hat einen eigenständigen Charakter, der mit der Zeit nicht an Aktualität verliert.
Dann bringt Feist nach sechs Jahren mit „Pleasure“ endlich wieder ein Album raus und obwohl man dachte schon vollen Bewusstseins zu sein, wie gut sie ist, ist man doch wieder erstaunt. Wie wunderbar es ist, dass sie wieder die Zeit und die Kraft aufbringt, uns an ihrer Musik- und Gefühlswelt teilzuhaben. Vor allem wo es in den letzten Jahren keine leichte war. Feist macht kein Hehl daraus, dass sie eine eher dunkle Zeit hinter sich hat. Und dass aus dieser Energie heraus „Pleasure“ entstanden ist.
Man hört es natürlich. Es ist Feists rohstes Album, es hat einen dunklen Geist. Wobei Feists Musik schon immer eine leichte Melancholie anhaftete, hier tritt sie noch etwas weiter in den Vordergrund. Die zurückhaltende Produktion stellt die Emotion der Songs noch deutlicher heraus. Feists Stimme bestimmt hier alles, es gibt wenig, das von ihr ablenkt, die tonangebende Gitarre verschmilzt mit ihr zu einer erstaunlich organischen Einheit.
Es ist aber auch kein trauriges Album geworden, auch wenn Feist herzzerreißend von „Lost Dreams“ singt, hier ist Platz für die gesamte Gefühlspalette. Manchmal schon innerhalb eines Songs, wie der Titelsong „Pleasure“ beweist. Wieviele musikalische und emotionale Welten kann man in einen einzigen Song packen? Man ist regelrecht gebeutelt von dieser Reise, auf die Feist einen mitnimmt. Und dann wieder nichts als beglückt – pures Vergnügen, „Pleasure“ eben. Die Rückkehr zu den rockigen Wurzeln, die schrammelige Gitarre, die sich auf Songs wie „Any Party“ wie ein Kommentator ins Geschehen einmischt, wirkt dabei wie ein Befreiungsschlag. Wenn Feist ruft „You know I’d leave any party for you“, dann ist es schwer, sie nicht sehr, sehr lieb zu haben.
Ich habe Feist zum ersten Mal vor vielen Jahren bei einem Chilly Gonzales & Friends Abend im Berliner Columbia Theater gesehen. Es müsste um 2003 herum gewesen sein. Chilly Gonzales hatte Freunde eingeladen, mit ihm einen gemeinsamen Abend zu bestreiten, bei dem jeder abwechselnd einen Song zum besten gab, wie zum Beispiel Peaches und Mocky. Feist war damals noch wenig bekannt, sie kam in einem weißen Strickkleid mit ihrer Gitarre auf die Bühne, sang einen Song und ging wieder ab. Durch den Saal ging ein Raunen. Was war das gerade? Ihr Auftritt hatte einen leicht überirdischen Glanz. Von diesem hat sie über die Jahre nichts verloren. Im Gegenteil, „Pleasure“ ist ihr Opus Maximum geworden, die Geschichte, die sich anfühlt als hätte sie lange darauf gewartet erzählt zu werden. Dass sie dafür durch ein Tal der Tränen gehen musste ist natürlich tragisch. Aber es kann auch nur tröstlich sein, die Erfahrung zu etwas so Wunderbarem geformt zu haben. Nicht so leicht verdaulich wie ihre vorigen Alben, dafür umso belohnender.

Feist Live:
20.07.2017 Mainz, Zitadelle Open Air
24.07.2017 Berlin, Tempodrom
02.08.2017 München, Circus Krone
*02.-05.08.2017 Luhmühlen, A Summer’s Tale Festival

VÖ: 28.04.2017

Gehört von: Gabi Rudolph