Clueso im Interview

clueso3-jenniferstenglein-universal-musicClueso is back! Am Freitag erscheint sein mittlerweile siebtes Soloalbum “Neuanfang“. Kurz vor dem Release stand uns der sympathische Sänger im Interview Rede und Antwort und hat uns spannende Einblicke in die Entstehungsgeschichte der neuen Songs gegeben und verraten, was für ihn einen starken Liebessong ausmacht. Außerdem erfahren wir, was „cluesn“ an Snapchat so sehr reizt.

So langsam steigt die Spannung. Am Freitag erscheint dein neues Album „Neuanfang“. Wie geht es dir so kurz vor dem Release? Bist du nervös oder siehst du dem eher entspannt entgegen?

Mir geht es ein bisschen wie in der Achterbahn kurz vor dem ersten Looping… Dieses Gefühl, wenn man da oben ist und weiß: „Gleich geht’s runter“ und sich fragt: „Wo halte ich mich fest? Was passiert hier?“. Wenn ich ein Album mache, nehme ich keine Rücksicht auf das Große Drumherum, in dieser Phase lasse ich mich nur von der Neugier und der Musik leiten. Aber wenn ein Album dann fertig ist, interessiert es mich schon, was die Leute dazu sagen.

„Neuanfang“ ist ein sehr persönliches Album. Im letzten Jahr ist viel passiert bei dir, es gab viele Veränderungen. Du hast dich unter anderem von deiner langjährigen Band getrennt und bei diesem Album mit einem neuen Produzenten zusammengearbeitet. Wann hast du denn gemerkt, dass du den Reset-Knopf drücken und aus deiner Routine ausbrechen musst? Und wie hast du dann wieder zurück zur Musik gefunden?

Es gab keinen Tag X, an dem ich gesagt habe „Oh, Ich muss etwas ändern“, sondern es hat sich mit der Zeit so wie die meisten Dinge in meinem Leben ergeben, als ich einer Art Ruf gefolgt bin. Mir wird dies oftmals als Mut ausgelegt, aber es ist eher so, dass ich einen sehr starken Sog zu etwas empfinde und dann dorthin laufe. Ich hatte Lust nach Beweglichkeit und mal Dinge alleine auszuprobieren – ohne darauf achten zu müssen, Versprechen einzuhalten. Und aus dieser Lust hat sich dann an vielen Stellen eine Trennung ergeben. Verarbeitet habe ich dies in der Musik, denn dies ist meine Art, Dinge zu verstehen.

Wie kann man sich den Songwriting Prozess vorstellen und die Arbeit an den neuen Songs im Studio? Bist du da dieses Mal anders herangegangen?

Die Songs für „Neuanfang“ zu schreiben war am Anfang sehr easy, weil ich ja schon viele Songs in der Schublade hatte, hauptsächlich akustische Songs. Der ursprüngliche Plan war auch, ein Akustikalbum aufzunehmen. Es war daher nicht so, dass ich komplett bei Null anfangen musste und mir vorgenommen hatte, das Thema „Neuanfang“ zu verarbeiten, sondern es sprudelte einfach aus mir heraus. Deswegen verwende ich auch in manchen Songs auf „Neuanfang“ wieder Sprechgesang. Es ging mir nicht darum, eine schöne Melodie zu finden. Das Texten war einfach meine Art, Dinge zu verarbeiten. Ich bin nach Berlin gefahren und habe mich neben Tobias Kuhn, dem Produzenten, an den ich viel abgegeben habe und dem ich sehr vertraue, auf die Couch gesetzt und einfach angefangen zu schreiben. Und nachdem die ersten Songs entstanden sind – „Neuanfang“ und „Achterbahn“ – war mir klar, dass es kein Akustikalbum werden würde, sondern dass ich mit den Songs vielmehr meine Situation verarbeite. Und Tobi hat mich darin bestärkt, einfach weiterzuschreiben. Es gab für mich kein höheres Ziel, ich hab mich einfach immer wieder drauf gefreut, nach Berlin zu fahren, weil es für mich Entspannung pur war.

Das heißt du konntest dich wirklich zu 100% auf die Musik konzentrieren und wurdest nicht abgelenkt?

Genau, ich wurde in dem Arbeitsprozess nicht gestört. Das war ehrlich gesagt die Flucht in mein Element. Und alles andere war dann nur noch Pflicht und Kür.

Die Geschichte des kleinen Äffchens Gordo, welches von der NASA Ende der 50er Jahre für die Wissenschaft ins All geschickt wurde geht ans Herz. Zu sehen, wie er wie ferngesteuert nur Befehle ausführt und keine Chance hat, aus seiner Situation auszubrechen ist berührend. Wie bist du darauf gekommen, diese Story in einem Song zu verarbeiten?

Ich habe mich schon immer sehr für das Thema Weltraum interessiert. Mein Bruder und ich haben schon zu DDR-Zeiten das Lexikon „Erde und Mensch“ verschlungen und seitdem ich lesen kann habe ich alles über Yuri Gagarin und die Hündin Laika, das erste Tier im All, und das Mercury Project gelesen. Ich hatte das nur noch nie in einen Song mit eingebracht. Es war bei mir ja nicht so, dass mir die Leute Befehle erteilt hätten, sondern wir sind mit dem Gedanken angetreten, Dinge gemeinsam zu machen. Ich hatte jedoch irgendwann das Gefühl, dass ich das gar nicht mehr möchte. Ich wusste nicht, wie ich aus der Situation herauskomme, denn es gab ja viele Leute, die in meiner Abhängigkeit standen, was mich wiederum abhängig gemacht hat. Das ist eine andere Art der Fremdbestimmung als in einem 9to5 Job, wo man für jemanden arbeitet, den man vielleicht gar nicht gut kennt. Aber es ist trotzdem eine Art Fremdbestimmung, die ich erlebt habe und ich habe vieles auf den Affen projiziert. Und dazu kommt noch die Berühmtheit, die viel Energie frisst und manchmal sehr anstrengend ist. Das können sich die Leute gar nicht vorstellen. Ich habe mich dann einfach in Gordo gesehen. Aber nicht nur ich bin Gordo. Auch die Menschheit insgesamt ist gerade ein bisschen Gordo. Man sieht, dass sehr viele Leute eine Meinung zu etwas haben und davon überzeugt sind, das gebe ihnen das Recht für bestimmte Aktionen und sie dabei gar nicht realisieren, dass sie damit anderen wehtun. Bei „Gordo“ gibt es viele Parallelen zum Leben.

Hast du eigentlich auch einen Lieblingssong auf dem neuen Album?

Das ist wie immer ein bisschen stimmungsabhängig. Aber ich muss sagen, den Song, den ich wohl am häufigsten gehört habe, ist „Neuanfang“. Das wundert mich selbst, wie oft ich den hören kann. Ich dachte, der hängt mir jetzt dann langsam zu den Ohren raus, aber so ist es nicht. Der Song lädt mich auf. Ein anderer Song, der mich extrem berührt, ist „Wenn du liebst“.

Genau. Auf „Neuanfang“ gibt es auch zwei Duette: einmal das gerade erwähnte „Wenn du lebst“ mit Kat Frankie und dann gibt es noch einen Song mit Sara Hartman, „Anderssein“. Wie ist es denn zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Erst einmal ist es echt erstaunlich, dass auf diesem Album gleich zwei Ladies zu hören sind. Das kommt auf meinen Soloalben nicht so häufig vor, dass es darauf Duette zu hören gibt. Aber ich finde es gut, dass es dieses Mal anders ist. Das ist aus der Stimmung heraus entstanden. Nachdem ich „Wenn du liebst“ geschrieben hatte, war ich Lange auf der Suche nach einer Duettpartnerin, die Haltung hat. Ich finde, ein starker Thriller oder Actionfilm zeichnet sich dadurch aus, wenn man sich mit dem Endgegner genauso identifizieren kann wie mit dem Helden. Und genauso ist es bei einem starken Liebessong. Da schmachtet nicht der eine dem anderen hinterher. Viele der deutschen Liebessongs sind ja geprägt von dieser Monotonie à la „Ich brauche dich, ohne dich komme ich nicht klar.“ Aber was der andere dazu sagt, wir gar nicht erzählt. (lacht) Ich wollte daher für „Wenn du liebst“ eine Duettpartnerin, die seine gewisse Lebensweisheit mitbringt. Tim Neuhaus hat mich dann irgendwann auf Kat Frankie gebracht. Er weiß, dass ich großer Kat Frankie Fan bin, aber da wäre ich nie von mir aus drauf gekommen. Zum einen, weil sie Australierin ist und Englisch spricht und zum anderen, weil ich Angst gehabt hätte, von ihr einen Korb zu bekommen. Aber sie hat sofort ja gesagt. Und bei Sara Hartman war es so, dass mein Produzent Tobias Kuhn auch ihr Album produziert hat. Sie war bei der Ellie Goulding Tour Support und war ansonsten sehr oft im Studio in Berlin und hat nebenan geprobt. Ich habe ihr einfach meinen Song „Anderssein“ gezeigt, sie fand ihn gut und hat ihn innerhalb von einer Stunde eingesungen. Plötzlich hatte ich ein Sara Hartman Feature, und das auf Englisch in einem deutschen Song.

Ab Dezember kann man dich wieder live erleben, erst bei einer Clubtour, bevor es dann im neuen Jahr auch wieder auf größere Bühnen geht. Freust du dich darauf, die neuen Songs live zu performen?

Ich habe viele Ideen, aber wir müssen schauen, ob wir das in der Zeit überhaupt hinbekommen. Ich habe ja eine neue Band und es war eine bewusste Entscheidung erst einmal in kleinere Clubs zu gehen, damit wir uns erst einmal einspielen können. Aber wir arbeiten parallel dazu natürlich auch schon an neuen Sachen wie der großen Tour Ende nächsten Jahres. Ich bin sehr gespannt. Deswegen vorhin auch der Vergleich mit der Achterbahn.

Du engagierst dich seit vielen Jahren für die Hilfsorganisation Viva con agua. Dieses Jahr warst du zum ersten Mal vor Ort in Äthiopien. Welche Eindrücke nimmst du mit von dieser Reise?

Ich habe durch die Bekanntheit ehrlich gesagt ein Luxusproblem mit Anfragen von Hilfsorganisationen. Ich habe mich aber gefragt: „Was will ich denn eigentlich?“. Viva con agua unterstützen wir schon seit 9 Jahren und auch wenn es zeitlich nicht ganz reingepasst hat, weil die Reise mitten in der Albumproduktion lag, wollte ich mir die Projekte gerne vor Ort anschauen und gesagt, getan. Diese Erfahrung hat mir geholfen, meine eigenen Probleme in Relation zu setzen. Sie hat mir gezeigt, dass Leute, die viel größere Probleme haben als wir in unserem Land, mehr im Jetzt leben und viel weniger auf andere zeigen als es hier der Fall ist. Und ich habe erfahren, was wirklich essentielle Dinge sind. Ich habe mich mit Leuten unterhalten, die etliche Kilometer laufen müssen, um an sauberes Trinkwasser zu kommen oder gerade einen Brunnen haben und sich das gut einteilen müssen. Doch sie sind sehr glücklich darüber, einen Brunnen zu haben und berichten, wie dadurch die Lebensqualität enorm gesteigert wurde. Und dann fährt man nach Hause und macht die Spüle sauber und denkt sich: „Das ist alles Trinkwasser…“.

Und es ist bestimmt auch komplett anders, das alles live zu sehen als es nur erzählt zu bekommen…

Das stimmt. Es berührt einen einfach, wenn man die Leute trifft. Die Leute in dem Dorf in dem wir waren haben herzlichst gelacht und hatten einen gleichen Humor wie wir, trotz anderer Sozialisierung. Das nehme ich für mich mit. Wir wohnen alle unter dem gleichen Himmel.

Last but not least habe ich noch ein paar entweder/oder Fragen für dich vorbereitet. Du musst dich immer für eines der Elemente entscheiden. Snapchat oder Instagram?

Aktuell ist das eine sehr schwierige Frage….Zur Zeit Snapchat, weil ich den Blödsinn, den man damit macht einfach genial finde. Ich glaube, die Leute, die mich auf Snapchat verfolgen, können nicht glauben, dass ich auch noch ’nen normalen Beruf habe. (lacht) Snapchat ist für mich Hardcore Blödsinn.

Schlager oder Metal?

(lacht) Ich würde sagen, auf jeden Fall Metal. Ich kann jetzt nicht sagen, was ich davon öfter gehört habe in meinem Leben… Aber wenn ich in einen Raum eingesperrt werde und die Wahl hätte, dann bitte auf jeden Fall Metal.

Sommer oder Winter?

Auf jeden Fall Sommer, denn Wärme stört mich absolut nicht und ich finde auch schwitzen besser als frieren.

Feiern oder lieber relaxen?

Schwierig…Das eine kommt nicht ohne das andere aus. Im Moment würde ich jedoch eher das Relaxen wählen.

Danke für das Interview und alles Gute für den Release!

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Interview: Marion Weber

Foto: Jennifer Stenglein

NEUANFANG CLUBTOUR 2016 / 2017 (*ausverkauft)
11.12. Bochum | Zeche
12.12. Karlsruhe | Tollhaus
13.12. Basel | Volkshaus
15.12. Potsdam | Waschhaus
16.12. Erlangen | E-Werk
18.12. Dornbirn | Conrad Sohm
19.12. Salzburg | Rockhouse
20.12. Darmstadt | Centralstation
01.02. Wien | WuK
02.02. München | Muffathalle
03.02. Stuttgart | Im Wizemann
05.02. Berlin | Astra
06.02. Hamburg | Große Freiheit 36
08.02. Leipzig | Täubchenthal
09.02. Köln | Gloria
10.02. Luxembourg | Atelier
12.02. Zürich | Kaufleuten
13.02. Erfurt | Stadtgarten
14.02. Erfurt | Stadtgarten

NEUANFANG TOUR 2017
24.09.2017 Bielefeld | Ringlokschuppen
27.09.2017 Frankfurt | Jahrhunderthalle
28.09.2017 Stuttgart | Beethovensaal
30.09.2017 Würzburg | Posthalle
01.10.2017 Hannover | Capitol
02.10.2017 München | Zenith
05.10.2017 Berlin | Tempodrom
06.10.2017 Leipzig | Haus Auensee
09.10.2017 Köln | Palladium
12.10.2017 Saarbrücken | Garage
13.10.2017 Bremen | Pier 2
14.10.2017 Hamburg | Sporthalle