Cat Power, 04.11.2015, Columbia Theater Berlin

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Für ein Konzert von Cat Power sollte man sich richtig vorbereiten. Denn Chan Marshall weiß wie sie dem Publikum mit ihren fragilen und gleichzeitig fast bedrohlich klingenden Songs selbst das letzte Fünkchen Verstand rauben kann. Um bei den intimen Offenbarungen, welche die Amerikanerin da in einem jeden ihrer Stücke kunstvoll verpackt, nicht vollkommen des eigenen Atems beraubt und daraufhin gar ohnmächtig zu werden, musste man sich eine besonders geliebte Person zur Seite stellen. Eine, die einem im Fall der Fälle ein Taschentuch reichen kann sowie auch dabei hilft, dass die Knie bei zu viel Gefühlsduselei nicht nachgeben. Die Begleitperson sollte außerdem gute Durchsetzungsfähigkeiten haben, um sich selbst im übertrieben ausverkauften Columbia Theater an die Bar zum Getränke holen durchschlagen zu können. Das war an diesem Mittwochabend nämlich ganz und gar nicht einfach. Hier kam man dem Stehnachbarn so nah wie ein Footballer dem anderen beim Tacklen – nur fehlte bei dieser Veranstaltung jegliche Schutzbekleidung. Dank Marshalls beruhigender und zudem absolut großartiger Stimme fühlte man sich vielmehr schon nach kürzester Zeit nackt. Entblättert. Angreifbar. Genau in diesem Moment setzte Cat Power zu „The Greatest“ an. Wenn der Jubel schon zu Beginn ihres Sets so enorm wie bei U2 war, an dem Punkt übersteigerte er völlig.

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Offenbar hatte ein jeder in diesem viel zu kleinen Raum die passende Begleitung gefunden, denn neben dem Klatschen und Pfeifen schafften sie es alle auch noch im selben Augenblick sich an ihren Nebenmann zu schmiegen und leidenschaftlich zu turteln. Dabei durfte natürlich die Frau der Stunde nicht zu kurz kommen. Ein Fan rief Chan Marshall sogleich entgegen: „We love you!“ Die Liebesbekundung sollte nicht unbeantwortet bleiben. „I love you more“ entgegnete die 43-Jährige. Ihr Satz hob das Gegröle auf ein neues Niveau, es wurde gekreischt als wäre John Lennon just wieder von den Toten auferstanden.

Die Euphorie mochte dennoch gar nicht den oft so traurigen Liedern von Cat Power entsprechen, in die sie sich vollkommen hineinlegte. Zwischendrin schien sie auch zu verdrängen, dass sie vor einem vollen Haus stand. Dann hatte sie die Augen geschlossen, sang die Zeilen so zaghaft, als wären sie nur für sie selbst bestimmt und verschwand auch mal gänzlich hinter ihrem Klavier und ihrer langen Haarpracht. Doch genau dann, wenn die Stimmung zu kippen drohte, warf Marshall erneut ihren kompletten Charme ins Spiel. Sie entschuldigte sich wortreich, dass sie im vergangenen Jahr ihr Berlin-Konzert absagen musste und berichtete davon wie schön es sei Mutter mittlerweile zu sein. Einfach entwaffnend. Wer nicht richtig vorbereitet war, fiel spätestens zu diesem Zeitpunkt vor lauter Glückseligkeit erschöpft vorn über. Ich schwöre.

Bericht und Fotos: Hella Wittenberg