Buddy Buxbaum im Interview

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Buddy Buxbaum ist unkaputtbar. Das machen Songs und Albumtitel der neuen Soloplatte klar, ebenso wie auch seine Vita. Nachdem der Hamburger Lockenkopf 2007 die weiße Fahne schwang und sich von dem Feiertrupp Deichkind verabschiedete, lehnte sich er nicht einfach zurück und entspannte ein bisschen. Buddy verdiente sich als Freiberufler für Konzepte und Werbemusik eine goldene Nase. Und in Sachen Musik und Video brachte er sich 2010 auch mit seinem eigenen Tonstudio weiter nach vorne – er schien einfach überall seine Finger im Spiel zu haben. Diagnose: Workaholic. Bei so vielen Beschäftigungsfeldern kann man als Ottonormalverbraucher schnell den Überblick verlieren. Aber nun hat Buddy einmal all seine Skills gebündelt und bringt sie in Form von vierzehn Songs auf „Unkaputtbar“ unter die Menschen.

In deinem Song „Roulette“ berichtest du von deinem Problem nicht abschalten zu können. Hast du mittlerweile ein Mittel gegen die Geister im Kopf gefunden?

Als ich das Lied schrieb, war ich mitten im Mucker-Tunnel. Da hatte ich schon alle anderen Tracks für das Album zusammen und der entstand als allerletztes. Ich blieb zu der Zeit immer bis vier oder sechs Uhr morgens wach. So lange dauerte es meist, bis ein Song im Kasten war. Dann schlief ich bis mittags und es ging wieder von vorne los. Sobald ich schlafen wollte, ratterte es im Kopf weiter, obwohl der Körper schon längst hundemüde war. Und das hört nicht einfach so auf. Ich bin ja gerade in so einem Strudel drin. Gestern sechs Interviews, heute vier, morgen noch ein paar. Entschleunigen ist im Moment nicht drin. Das Thema zieht sich durch das gesamte Album. Weil ich beobachten konnte, dass da draußen alles auch immer mehr zum Spektakel werden muss, alles muss immer noch doller. Die Kids erwarten jede Woche ein neues Video. Ein Album wird nur noch durchgeskippt, bis sie für einen kurzen Augenblick etwas ganz nice finden. Aber wenn eine Facebook-Mitteilung kommt, ist die spannender und die Musik vergessen. Die Wirkungszeit einer Platte ist sehr gering. Ich finde, die ganze Schnelllebigkeit ist scheiße für die Kunst. Ich habe bewusst entschieden, dass ich ein kleines, persönliches Album machen will, bei dem hauptsächlich auf meine Stimme und ein Klavier runterreduziert wird. Das eignet sich nicht unbedingt für den Club, aber dafür umso besser zum Kochen oder auf der Couch abhängen.

Wie trainierst du deine Stimme?

Nur mit Zigaretten und Kaffee! (lacht) Ich habe das Singen nie richtig gelernt. Aber in meiner Rap-Vergangenheit konnte ich viel über Atemtechniken und so mitnehmen. Und meine Vorbilder sind Al Green und Otis Redding. Die schwirren also ständig in meinem Kopf herum. All das fließt jetzt in meine Musik hinein. Wobei da sicherlich eine Menge Fehler zu hören sind. Aber das macht ja auch irgendwie den Charakter aus.

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Neben der Abschalt-Thematik nimmst du dich auch noch einem ganz anderen, weit verbreiteten Problem an: Kein Bock auf gar nichts – selbst das Anziehen von Klamotten ist plötzlich zu anstrengend. Du liebst es mit Gegensätzen zu spielen. 

Für mich geht es vordergründig nicht darum, dass etwas dokumentarisch ist. Ich denke vor allem in Bildern. Aber zuerst sind immer die Beats da und dann schaue ich welches Thema zur Atmosphäre passt. Ich bin nun mal kein klassischer Songwriter, der ins Blaue Tagebuch schreibt, rund um die Uhr seine Gitarre im Anschlag hat und auf jedem Fenstersims spielen muss, weil es gerade fließt. So ein Bob Dylan bin ich nicht.

Die Sterne singen in „Aber andererseits“, dass man nicht mehr so viel darüber redet, wenn es einem wirklich schlecht geht. Teilst du diese Einschätzung?

Ja, total. Erst in der Reflexion ist es möglich über das Tal zu sprechen, durch das man gegangen ist. Dennoch ist diese Phase, in der es richtig schlecht läuft, wichtig. Denn wenn es einem zu gut geht, schreibt man auch nichts Gutes mehr. Der Biss ist dann weg. Man braucht diesen Hunger, den Wunsch den einen geilen Text zu schreiben, in dem man alles rauslässt. Wenn man jedoch satt und zufrieden ist, müssen die Geschichten aus dem Leben an den Haaren herbeigezogen werden. Das kommt nicht mehr natürlich.

Trotzdem strebt doch jeder danach glücklich zu sein.

Aber ab dann wird es langweilig. So platt es klingt: Der Weg ist das Ziel. Da herrscht das Leben. Man muss nur im Hinterkopf haben, dass nach jedem Tief ein Hoch kommt. So kann man sich selbst aus dem Dreck ziehen, anstatt sich darin zu suhlen und auf eine fremde Hand aus dem Himmel zu hoffen. Ich habe mittlerweile Gefallen gefunden an den Aufs und Abs, selbst wenn die negativen Phasen echt an den Nerven zehren. Doch bei mir entstehen nach Pechsträhnen eben solche Songs wie „Ballast“. Wenn erst der Auspuff abfällt…

Der „Ballast“-Text ist also autobiografisch.

Genau. So etwas passiert mir ständig. Ich kann dir da noch so eine Story erzählen! Zum Beispiel lief vor dem Videodreh zu „Termin im Park“ einfach alles schief. Gerade als ich von Hamburg mit dem Wohnwagen nach Berlin losheizen wollte, musste ich feststellen, dass ich einen Platten hatte. Und selbst auf dem Ersatzreifen war kaum noch Luft. Ich versuchte trotzdem ruhig zu bleiben und rollte mit den Zwei-Zentimeter-Reifen vorsichtig zur nächsten Tankstelle. Nach dem Aufpumpen fiel mir auf, das gar kein Profil mehr auf den Rädern war. Damit konnte ich also schlecht so eine lange Strecke auf mich nehmen. Mir kam dann die tolle Idee meine Winterreifen wieder aufzuziehen, aber das nützte letztlich auch nichts mehr, weil der Motor plötzlich aufheulte und der Wagen stehen blieb. Ich wollte das Auto nur noch zusammentreten! Doch der Anruf meines Kompagnons Uwe, mit dem ich alle Videos gemeinsam mache, hielt mich davon ab. Der hatte aber auch keine guten Neuigkeiten. Er erzählte mir, dass unser Kameramann mit hohem Fieber im Krankenhaus liegt. Tja, was also machen? Schließlich hatten wir nur zwei Tage für die Probe mit The Ruffcats, die als Backing Band dabei sein sollten, und den Außendreh – wobei ich anmerken muss, dass es draußen ordentlich regnete. Ich dachte nur: Wieso ich? Bei mir kommt das Pech immer kübelweise. Aber nachdem ich alle Bekannten von mir mobilisiert hatte und tatsächlich noch im letzten Moment einen Kameramann auftreiben konnte, lief alles super. Am Ende löst sich bei mir immer alles in übertriebenem Glück auf. Das ist absurd.

Mit „Termin im Park“ trittst du beim Bundesvision Song Contest an. Genau zehn Jahre nachdem du bei der gleichen Veranstaltung mit Deichkind „Electric Super Dance Band“ performt hast. Hast du noch gute Erinnerungen an die damalige Show?

Ja, das war eine tolle Zeit. Wir waren eine der ersten Bands, die auf die Bühne musste und als wir danach wieder in den Backstage-Bereich kamen, applaudierten alle für uns. Da wussten wir, dass wir was richtig gemacht hatten, auch wenn wir am Ende auf einem der hintersten Plätze landeten. (lacht) Aber wir sind nicht mit großem Ehrgeiz an die Geschichte herangegangen. Wir wollten sehen, was passiert. Bis dahin waren wir ja eher so ein HipHop-Geheimding. Danach hatten die Leute Bock bei unserer Freakshow mitzumachen. Dann ging so richtig die Konzert-Rutsche los. Wir besaßen absolute Narrenfreiheit. Uns konnte eh keiner einschätzen. Das war ideal. Nur deshalb konnten diese unterschiedlichen Alben entstehen. Deichkind war meine Spielwiese und die unbeschwerte Herangehensweise an die Musik habe ich beibehalten. Der Bundesvision Song Contest wird sicher wieder ein großer Spaß für mich werden. Ich habe auf jeden Fall einiges geplant.

Wie viel Zeit verbringst du am Handy?

In letzter Zeit mehr als mir lieb ist. Seit zwei Wochen habe ich nämlich Facebook auf dem Handy und das ist total einnehmend. Vorher habe ich das richtiggehend boykottiert. Für mich war es ein Tabu durch das Leben zu laufen und dabei nur aufs Handy zu starren. Aber jetzt macht es total Sinn alles, was passiert, zu dokumentieren. Doch mit der App habe ich eine Grenze gesprengt. Es ist der absolute Overkill.

In „Vodka Soda“ besingst du den Tapetenwechsel. Machst du selbst Urlaub in der Nähe oder steigst du lieber in den nächsten Flieger nach Mallorca?

Hauptsache mal was anderes sehen! Für mich diente vor allem Ahrenshoop als Inspirationsquelle für den Song. Die Region habe ich entdeckt als ich meine Mum auf Usedom besuchen wollte. Sie wohnt dort. Bevor ich mich ins Familienleben schmiss, wollte ich noch irgendwo einen Zwischenstopp einlegen. Da fand ich auf der Karte Ahrenshoop. Das klang cool. Also fuhr ich dort vorbei und erlebte ein total heftiges Wochenende. Ich bekam da so viel Input! Diese nordische Karibik mit den herrlichen Sandstränden, dem türkisen Meer und den Kieferwäldern – der Wahnsinn. Und dann gab es auch noch dieses Künstlerdorf, wo ständig Konzerte, Ausstellungen und so was stattfanden. Genial. Vorher hatte ich gar nicht auf dem Zettel, dass es nur anderthalb Stunden von Hamburg entfernt so eine Oase gibt.

Der nächste Trip nach Ahrenshoop ist schon in trockenen Tüchern?

Ich wünschte mir das. Aber ich bin jetzt drin in dieser One-Man-Show und da ist eine Pause gerade nicht möglich. Im Augenblick habe ich einfach zu viel zu tun. Früher gab es dafür eine Plattenfirma, nun mache ich den Großteil allein. Dennoch glaube ich, es ist der richtige Weg sich langsam selbst etwas aufzubauen und nicht alle zwei Jahre von einem Major zum nächsten zu wechseln. Die lassen einen eh fallen, sobald etwas nicht auf Anhieb funktioniert. Ich will nicht alles schnell machen, sondern auf Qualität setzen.

Das Album „Unkaputtbar“ wurde am 14. August veröffentlicht.

Fotos und Interview: Hella Wittenberg