And The Golden Choir, 15.03.2018, Lido Berlin

Im Lido fühle ich mich aufgehoben. An Silvester habe ich meinen ersten Tanzabend in Berlin dort verbracht und verbinde die liebevolle Musikoase in Kreuzberg vielleicht schon deshalb mit meiner neuen Wahlheimat. Am 15. März stand mit And The Golden Choir ein weiteres Highlight auf dem Konzertplan. Tobias Siebert rückte mit ein paar Musikerkollegen an und hatte neben hochaktueller Musik aus dem jüngst veröffentlichten „Breaking With Habits“ eine beachtlich-exotische Instrumentensammlung im Gepäck.

Doch von vorn. Ein Mann in einem mit Flamingos bedeckten Morgenmantel tritt vor das Publikum, das nach Sieberts Entwurf mit Einstimmen in seine Gesangsverse den goldenen Chor zum Leben erwecken soll. Begleitet wird er von einem großzügig gefüllten Glas Rotwein und seiner Band, die den Plattenspieler der früheren Auftritte ersetzt: Johanna Weckesser an der Gitarre, Daniel Moheit an den Tasten, Tilo Weber an den Drums und Daniel Spindler, der sich auf der Bühne mit allen möglichen Klangkörpern austoben darf. Ein progressiver Beat – von Schlagzeug und Bongos verwirklicht – steigt ein und lädt zum ersten Mitwippen ein, bis der Rest wenig später das Konzert melodisch einläutet. Tobias Siebert greift zu zwei Besensticks und stellt uns mit einem saitenbespannten asiatisch-angehauchten Etwas das erste außergewöhnliche Instrument vor, von denen im Laufe des Abends noch viele weitere folgen sollten. Man merkt den Songs an, dass sie im Vorfeld lange feinsäuberlich geprobt wurden. Timing und Harmonie der einzelnen Klanggruppen passen wie die Faust aufs Auge, sodass es einem leicht fällt in die ekstatisch-aufrüttelnde Melancholie hinein zu sinken, die im Konzertsaal mit Songs wie „My Lies“ oder „My Garden“ versprüht wird. Aufgebrochen wird diese an manchen Stellen durch Sieberts Humor, der alles ein wenig aufatmend entschärft.
Das ausgewogene Pendel zwischen Ernst und Spaß, Verletzbarkeit und Enthusiasmus machte das Ganze so schön kurzweilig und genießbar. Und obwohl wenige Songs nicht so recht zünden wollten, wurde zu meinem Bedauern wieder viel zu wenig getanzt. Trotzdem blickte man in bewundernde Gesichter, wenn man sich nach links und rechts umdrehte – und die waren kaum nur der freshen Flamingo-Kutte geschuldet!

Bis zum 03.05 ist And The Golden Choir noch auf Tour, die verbleibenden Termine findet ihr hier.

Text: Finn Hackenberg
Fotos: Tony Lehmann

http://andthegoldenchoir.com/and-the-golden-choir