Reeperbahn Festival Special: Interview mit Dangers of the Sea

Wie vielleicht schon bemerkt, steht das Reeperbahn Festival vor der Tür und da können wir es uns nicht nehmen lassen, vorab ein paar Highlights vorzustellen. Das dänische Quintett Dangers of the Sea gehört definitiv dazu. Wir haben uns mit Sänger Andreas Bay Estrup hingesetzt und über ihr wunderbar vielfältiges Debütalbum geredet, das im Mai diesen Jahres erschien. Dangers of the Sea machen Folk mit diversen ungeahnten Einflüssen – von Klassik bis Gospel. Und wie wir zusammen herausgefunden haben, sind Andreas‘ Texte mehr von seiner Kindheit und unmittelbaren Umgebung geprägt worden als er es bis zu diesem Interview selber ahnte. Viel Spaß beim verlieben.

Dörte: Ich habe mir den ersten Song „Your Hands Are Folded“ von eurem Album angehört und noch während ich ihn hörte, habe ich beschlossen, dass ich dieses Interview machen will. Ich liebe ihn so sehr!

Andreas: Er ist wirklich simple, richtig? Und ziemlich oldschool mit den Stimmen und dieser alten, nachhallenden Gitarre, die ich spiele.

Es ist großartig, weil ich so etwas schon eine ganze Zeit nicht mehr gehört habe von einem jungen Künstler.

Vielen Dank.

Deine Einflüsse, soweit ich es gelesen habe, gehen von Midlake bis Neil Young und alles dazwischen.

Natürlich habe ich sehr viel Musik gehört, aber Neil Young war immer eine Person, die ich zwar immer gehört habe, die aber kein Einfluss ist – besonders sein älteres Material, obwohl ich alle seine Sachen gehört habe. Aber besonders Alben wie „Harvest“ und „The Gold Rush“ habe ich sehr viel gehört. Natürlich auch das verwandte Projekte Crospy, Stills, Nash und Young. Die Musik dieser Ära spricht mich an und natürlich auch das ganze Bob Dylan Zeug.

Vermisst du es, dass es heutzutage nicht mehr soviel Musik wie diese gibt?

Ja, ich denke, für eine Person wie mich, die vielleicht eine etwas nostalgischen Herangehensweise an Musik hat, ist es großartig, dass es eine Szene und ein Publikum für Musik von sensiblen Männern mit Bärten und Akustikgitarren gibt.

Bei mir persönlich ist es ja so, dass wenn ich ein Foto von jemandem mit Bart und Giratte sehe, ich denke, dass es gute Musik sein muss. (Gelächter)

Leider stimmt das nicht immer. Ich denke, ich genieße einfach Musik, die von Menschen gespielt wird – Leute, die Gitarre oder Schlagzeug spielen. Ich meine, natürlich höre ich auch programmierte und elektronische Musik, aber ich denke nicht, dass das etwas ist, an dem ich Interesse hätte es selber zu machen. Es ist faszinierend, aber nicht wirklich meine Herangehensweise an Musik.

Ist das auch der Grund, wieso du Jazzschlagzeuger geworden bist?

Ja, im Grunde genommen mag ich den Sound von akustischen Instrumenten wirklich sehr. Wirklich. Ich stehe schon seit sehr, sehr vielen Jahren auf Jazz. Ich spiele Schlagzeug seitdem ich ein Kind bin. Ich denke, ich wollte immer meine Grenzen, bei dem was ich auf dem Schlagzeug machen kann, sprengen. Es schien einfach natürlich zu sein in die Jazz Richtung zu gehen, weil es viel Raum für Improvisation gibt.

Genießt du das?

Ja, das tue ich. Irgendwann habe ich das Bedürfnis verspürt, mehr mit diesen Songs zu machen, mit denen ich Zuhause immer gespielt habe. Ich brauchte so etwas wie „das ist der Song, dies ist die Melodie“. Auf dem Debüt improvisieren wir nicht viel. Natürlich ist es irgendwie locker, aber im Grunde sind es arrangierte Songs. Ich genieße es auch Schlagzeug zu spielen. Ich mache das zwar nicht mehr so häufig wie früher, aber ich setze mich manchmal immer noch an mein Schlagzeug und spiele in verschiedenen Formationen, auch andere Sachen als Jazz.

Was mich verwundert hat, warum du so einen Anfang für das Album gewählt hast.

Naja, I am a son of a preacher man. (lacht) Mein Dad ist jetzt pensioniert, aber er ist Priester in einer Dänischen Kirche. Ich weiß nicht, ob es irgendwas damit zu tun hat. Ich denke nicht, da in seiner Kirche nicht soviel in dieser Richtung gesungen wird, es ist keine Gospelkirche.

Ich habe einfach dieses Bild von einer Zeremonie im Kopf…

Ja, ich denke, mit dem Song wollten wir einen Sound erreichen, der in den 30ern irgendwo in den Staaten mit nur einem Mikrophon aufgenommen worden sein könnte. Wir mögen es einfach sehr, wenn wir alle singen. Ich meine, wir sind fünf Leute in der Band und wir alle singe. Ein paar Mitglieder waren im Knabenchor als sie jung waren und so. Es ist spaßig in der Lage zu sein, so etwas zu machen.

Du hast ja damit angefangen, die Songs alleine zu schreiben und dann nach einer Band gesucht, die dir helfen könnte das Album zu ermöglichen. Oder was es so, dass du sie schon vorher gefunden hattest?

Nein, ich denke, dass ich mich erst in die Position des Leadsängers rein finden musste, bevor ich angefangen habe aufzutreten. Wir haben die Band zusammengesucht und ich habe ein paar Freunde angerufen und sie gezwungen mit mir zu spielen.(lacht)  Nein, sie waren freiwillig dazu bereit.

In Dänemark scheint immer jeder mit jedem befreundet zu sein.

Mehr oder weniger. Es ist ein kleineres Land. Kopenhagen ist keine kleine Stadt, aber in der Musikszene kennen sich die Leute. Ich hatte Glück so viele gute Freunde zu haben.

Ist es schwer etwas ganz Neues anzufangen, wenn sich alle gegenseitig kennen?

Nein, ich denke nicht. Ich habe Mike [Taagehøj], den Bassisten, und Jess [Jensen], den Keyboarder, angerufen. Sie sind schon sehr, sehr lange gute Freunde von mit. Den Schlagzeuger Rasmus [Jusjong] kannte ich vorher nicht, aber er wurde mit von einem weiteren guten Freund von uns vorgeschlagen. Und Gitarrist Frederik [Teige] war ein guter Freund von Mike, aber ist auch ein Kumpel aus Kindertagen von Rasmus – sie haben gemeinsame gelernt Musik zu machen.

Mischt du dich beim Schlagzeug ein?

Ich denke, am Anfang musste ich loslassen. Ich hatte diese Idee, in welche Richtung die Musik gehen sollte. Ich musste einige Dinge lernen, während wir diese Band formten. Ich musste lernen, der Mann im Vordergrund zu sein und auch den Schlagzeugpart loszulassen, weil ich nicht mehr der Schlagzeuger war.

Aber es sind immer noch deine Worte?

Ja.

Du hast niemanden daran herumbasteln lassen?

Bisher nicht. Mal sehen, wie es beim nächsten Album ist. Ich denke, wir versuchen das nächste Album anders anzugehen – ein bisschen mehr zusammen schreiben und arrangieren. Ein Großteil der Songs auf diesem Album gab es bevor es die Band gab.

Ich war überrascht als ich die Pianomelodie auf „Your Time Is Wasted“ gehört habe, weil es sich so klassisch anhört. Die Songs vorher sind ja mehr folky und ich dachte nur huch, wo kommt das denn auf einmal her?

Das ist eine gute Frage. Ich habe keine Ahnung, es ist schon eine ganze Zeit her. Ich denke, die Wurzeln sind in ein Demo, das ich vor langer Zeit alleine gemacht habe. Ich hörte einfach diese faszinierende Melodie und ich habe dieses alte Piano zuhause…

Wie viele Instrumente spielst du? Gitarre, Banjo, Schlagzeug…

Ja, mein Hauptinstrumente sind definitiv Schlagzeug und Gitarre. Dann spiele ich noch etwas Banjo und etwas Bass. Ich kann so tun als ob ich Klaiver spiele und das kann auch bei mehreren anderen Instrumenten, aber ich bin kein Profi auf all diesen Instrumenten. Ich spiele aber gerne verschiedene Sachen. Wo also das klassische Piano herkommt: Ich denke, es ist einfach eine Melodie, die sich irgendwie gut auf dem Piano angehört hat. Ich habe keine direkte Antwort auf diese Frage.

Ich hätte gedacht, dass man mehr Jazz Einflüsse hören könnte.

Es gibt keinen Jazz Einfluss. Oder denkst du, dass es ihn gibt?

Nein, nein, ich hätte nur auf Grund deiner Biographie erwartet, irgendwo zu hören.

Ich denke, für mich sind es zwei verschiedene Sachen – Schlagzeug spielen und Sänger und Songschreiber zu sein. Natürlich ist es Musik und ich bin dieselbe Person, aber es ist eine andere Stimmung, in die ich gehe. Ich habe nicht wirklich drüber nachgedacht, aber ich wollte etwas ganz anderes machen, eine andere Richtung einschlagen. Ich denke, es würde mich schwerfallen den Jazz in diese Musik auf natürliche Weise zu integrieren. Es ist eine ganz andere Gefühlslage, in die ich mich begebe mit meiner Gitarre und dann versuche herauszufinden, wie sich die neuen Songs anhören sollten. Es ist anders.

Schön.

Es ist schön. Es ist großartig, dass man als Musiker verschiedene Möglichkeiten hat.

Denke ich auch. Den Hintergrund verlassen und nach vorne zu treten.

Ja, das war definitiv eine große Herausforderung für mich, aber jetzt fühle ich mich im Rampenlicht wohl – Ich weiß gar nicht wie das passiert ist. Ich war einmal wirklich schüchtern. Es ist gut, seine eigenen Grenzen zu sprengen.

Wenn wir immer in unserer Wohlfühlzone bleiben, dann würden wir alle immer noch in einem Kinderbett liegen.

Das ist wahr. Es waren großartige Zeiten diese Band zu gründen und diesen ganzen Bandvibe zu starten. Die Jungs, mit denen ich spiele, sind die großartigsten der Welt.

Du hast vorhin gesagt, dass dein Dad ein Priester ist – für mich machen jetzt einige Sachen mehr Sinn. Zum Beispiel die ersten Zeilen von „When The Curtain Falls“: “Ever since I was a little child I had believed that everything could be explained…“. Im Gegensatz zu deinem Vater.

Im Grunde, ja. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, aber du hast recht.

Ich finde das sehr interessant, auch wegen dem ersten Song „Your Hands Are Folded“.

…und dann die anderen. Das ist wirklich eine gute Frage. Ich habe nie über diese Widersprüche nachgedacht. Es ist gut, wenn man manchmal analysiert wird. Wenn dein Vater Priester ist, dann fragt man sich vielleicht einige Fragen eher als andere es tun würden – an was glaubt man, wie sieht man die Welt?

War er ein strenger Priester?

In meiner Kindheit? Eigentlich bin ich nicht wirklich mit ihm aufgewachsen. Meine Eltern haben sich scheiden lassen als ich noch sehr jung war und ich blieb bei meiner Mutter. Mein Vater ist allerdings ein toleranter Mann. Es war keine strengen Kindheit, in der ich Sonntags dazu gezwungen wurde in die Kirche zu gehen. Es ist lustig, weil ich darüber noch nie in einem Interview geredet habe. Meine Mutter hat einen anderen Mann geheiratet und der hat in der Kirche Orgel gespielt. Da war es nur natürlich für mich, im Chor der Kirche zu singen. Es war überhaupt kein religiöses Zuhause, aber es gab einfach diese Verbindung.

Du bist demnach in einem kreativen Umfeld aufgewachsen?

Ich habe viel Musik gehört und auch viel Orgelmusik, die ich bis heute sehr genieße. Nicht, dass ich Platten damit auflege, aber wann immer ich in eine Kirche komme und höre, dass jemand die Orgel spielt… Ich denke, es ist großartig. Ich liebe den Sound.

Vielen Dank für das Interview, Andreas.

Dangers of the Sea spielen am Samstag, dem 28. September, im Clubheim des FC St. Pauli im Rahmen des Reeperbahn Festivals.

Interview: Dörte Heilewelt

https://www.dangersofthesea.com