Was man vom „Club der roten Bänder“ lernen kann

club-der-roten-baenderGrund zu bedingungsloser Euphorie gibt es in der deutschen Fernsehlandschaft eher selten. Umso freudiger habe ich den Siegeszug verfolgt, den die Jugendserie „Club der roten Bänder“ unmittelbar nach Start der ersten Staffel im Jahr 2015 antrat. Gute Quoten, die sich relativ konstant hielten und sogar noch zum Finale der zweiten Staffel Ende 2016 ihren Höhepunkt erreichten. Zahlreiche Preise, wie den Deutschen Fernsehpreis für beide Staffeln, den Grimme Preis in der Kategorie „Kinder und Jugend“ oder den Deutschen Schauspielerpreis für das beste Ensemble. Immer her mit den Preisen, sie sind alle verdient! Denn vom „Club der roten Bänder“ kann man tatsächlich etwas lernen. Zum einen, wie wenig es letztendlich braucht, um überzeugend gutes Fernsehen zu machen. Und zum anderen, so kitschig es klingen mag, tatsächlich auch ein bisschen was fürs Leben.
Der Fairness halber muss man sagen, das Rad neu erfunden haben die Macher des „Club der roten Bänder“ nicht, denn das Ganze basiert auf einer katalanischen Fernsehserie, „Polseres vermelles“, und dem Thema angenommen haben sich inzwischen insgesamt 13 Länder mit eigenen Adaptionen. Aber gut, auch der Versuch, erfolgreiche internationale Formate für den heimischen Markt zu adaptieren ist schon des öfteren schief gegangen. Warum ist „Der Club der roten Bänder“ so besonders gelungen?

Nächtliche Rollstuhlrennen und eine Abschiedsparty für ein Bein

Die Geschichte ist natürlich so schrecklich wie dankbar. Sie stammt aus der Feder des Spaniers Albert Espinosa, der in seinem gleichnamigen Roman auf eigene Erinnerungen und Erfahrungen zurückgreift. „Der Club der roten Bänder“ erzählt die Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen auf der Kinder- und Jugendstation eines fiktiven Kölner Krankenhaus. Leo und Jonas, die beide dem Krebs bereits ein Bein opfern mussten, Alex, der an einer schweren Herzerkrankung leidet, Toni, der sich bei einem Unfall beide Beine gebrochen hat und an einer leichten Form von Asperger Autismus leidet und Emma, dem einzigen Mädchen im Bunde, die wegen Magersucht eingewiesen wurde. Und dann ist da noch Hugo, der seit einem Umfall im Schwimmbad im Koma liegt und im Club der roten Bänder die Rolle des guten Geistes einnimmt. Die Serie folgt den Sorgen und Nöten der jungen Patienten und zeigt dabei, wie Jugendliche versuchen, ihr zum Teil schweres Schicksal nicht nur mit bewundernswerter Kraft und Energie, sondern auch mit Humor anzugehen. Da wird schon mal eine Abschiedsparty für ein Bein gefeiert oder nachts ein heimliches Rollstuhlrennen auf den Fluren gefahren.
Ein Format, das sich derart intensiv auf seine jugendlichen Hauptfiguren konzentriert (sämtliche Erwachsene, auch die Ärzte, nehmen Nebenrollen ein), lebt natürlich von seinen Darstellern. Und auch hier macht der „Club der roten Bänder“ alles richtig. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Jungdarsteller spielen, wie sie sich den Sorgen ihrer Figuren und der ihrer Mitspieler stellen, ist wirklich besonders. Auch dass man sich getraut hat, für die jugendlichen Rollen sowohl Nachwuchstalente als auch zum Teil ältere, erfahrene Schauspieler zu besetzen, bringt das Ganze spielerisch auf ein viel höheres Level. Tim Oliver Schultz, der den Clubanführer Leo spielt, ist im wahren Leben bereits 28 Jahre alt, geht aber problemlos als Jugendlicher durch. Etwas, das in den USA ständig gemacht wird (wer denkt, dass Jason Priestley zu Zeiten von „Beverly Hills 90210“ noch im Highschool tauglichen Alter war, der irrt), wovor man in Deutschland im Zuge der Glaubwürdigkeit oft immer noch zurückschreckt. Letztendlich tut es dem Ensemble sichtlich gut, einen derart erfahrenen Anführer zu haben.
Hinzu kommt, dass der „Club der roten Bänder“ ein Format ist, dass trotz seiner jugendlichen Hauptdarsteller komplett altersübergreifend funktioniert. Meine 11 Jahre alte Tochter und ich haben beide Staffeln gemeinsam geguckt, an den selben Stellen miteinander gelacht und entsprechend auch zusammen um die Wette geheult. Es ist ein sehr schönes, seltenes Gefühl, sich gemeinsam eine Packung Taschentücher zu teilen und dabei unterhaltungstechnisch gleichermaßen auf seine Kosten zu kommen.

Lebensratgeber, für die der Begriff viel zu spießig ist

Die roten Geheimnisse von Albert Espinosa

Die roten Geheimnisse von Albert Espinosa

Aber auch inhaltlich kann man aus den Geschichten über Freundschaft, Zusammenhalt, Tapferkeit und Durchhaltevermögen einiges mitnehmen. Es ist die härteste Schule des Lebens, durch die Albert Espinosa in jungen Jahren gehen musste. Er verlor durch den Krebs selbst ein Bein und musste lernen, jeden Tag mit der Angst vor dem viel zu frühen Tod zu leben. Seine Erinnerungen hat er aufgeschrieben, um anderen Hoffnung zu geben, die vielleicht ähnliches erleben müssen, um der Welt zu zeigen, wie wichtig es ist, positive Kraft aus sich selbst zu schöpfen. Neben seinen persönlichen Erinnerungen hat er inzwischen eine Reihe von Sachbüchern veröffentlicht, in denen er versucht, mit Humor und ohne erhobenen Zeigefinger neue Sichtweisen zu eröffnen, die einem helfen können, das Leben positiver zu sehen. „Fehler sind bloß aus dem Zusammenhang gerissene Erfolge“, schreibt er zum Beispiel in seinem neuesten Buch „Die roten Geheimnisse“, einem Lebensratgeber, für den dieser Begriff eigentlich viel zu spießig daher kommt. Es ist ein liebevoll illustriertes Buch, das jetzt nicht mit bahnbrechenden, neuen Erkenntnissen aufwartet, aber einem doch, wenn man sich darauf einlässt, die eine oder andere neue Einsicht mitgeben kann. In einem ist Albert Espinosas Grundmessage eindeutig: Angst ist der Motor für alles Negative. Wissen und Mut der wichtigste Schritt in ein erfüllteres Leben. Er weiß wovon er spricht. Den Krebs besiegt zu haben, heißt nicht automatisch frei von Angst zu sein. Und mit was für Ängsten schlägt man sich schon als gesunder Mensch jeden Tag herum.
Wer Selbsthilfebücher eigentlich kitschig findet, sollte sich trotzdem trauen, einen Blick in „Die roten Geheimnisse“ zu werfen. Es liegt ein freundliches Augenzwinkern über allem, Espinosa ist weit davon entfernt, sich selbst und sein Schicksal zu ernst zu nehmen. So wie die jugendlichen Figuren in „Club der roten Bänder“, die uns zeigen, dass die Welt nie still steht, dass das Leben irgendwie weiter geht, wenn man sich die grundsätzliche Lust an ihm nicht nehmen lässt. Dass Fernsehunterhaltung so etwas zu vermitteln mag, das ist doch wirklich etwas ganz Besonderes.

„Der Club der roten Bänder“ Staffel 1 & 2 sind bei Universum Film auf DVD erschienen. Mehr Infos zur Serie gibt es hier.

„Die roten Geheimnisse“ von Albert Espinosa ist bei Kailash erschienen und kann hier käuflich erworben werden. 

Foto: Vox