So war’s beim Reeperbahn Festival 2015

Reeperbahn Festival 3 (c) Florian TrykowskiVier Tage, über 600 Einzelveranstaltungen in über 70 Locations, davon rund 400 Konzerte verschiedenster Genres rund um die Reeperbahn im Herzen Hamburgs. 10 Jahre Reeperbahn Festival, das heißt zehn Jahre tolle Newcomer und neue Clubs rund um die Hamburger Reeperbahn entdecken. Auch in diesem Jahr konnte das Reeperbahn Festival wieder auf voller Linie überzeugen.
Das Jubiläumsjahr hatte natürlich auch so manch kleines Highlight zu bieten: so wurde unter anderem das Klubhaus St. Pauli am Spielbudenplatz mit sechs neuen Spielstätten eröffnet. Ein riesiger mit LED-Fassade verkleideter, goldener Klotz der im krassen Kontrast zu der neusten und wohl schönsten Location des Festivals steht, der altehrwürdigen St. Michaelis Kirche. Zum ersten (und hoffentlich nicht letzten) Mal konnten die Macher des Festivals dieses Wahrzeichen als Austragungsstätte gewinnen.
Als weitere Besonderheiten, die im Rahmen des Festivals, aber nur für geladene Gäste, stattgefunden haben, sind sicherlich die Verleihung des Helga Festival Awards sowie der VIA! VUT Indie Awards zu nennen. Ein weiteres Highlight für viele Besucher dürfte hingegen sicherlich der Special Act (der erst einen Tag vor Festivalbeginn bekannt gegeben wurde) 5 Sterne Deluxe gewesen sein, die am Samstag für Einlass-Stop am Docks gesorgt haben. Auch einen Auftritt von New Order, die im Rahmen eines exklusiven Prelistenings ihr neues Album vorgestellt haben, erlebt man so nicht bei jedem Festival.
Als Neuerung gab es in diesem Jahr erstmals ein Partnerland beim Reeperbahn Festival, das mit eigener kleiner Open Air Bühne aufstrebende Künstler aus Finnland vorgestellt hat. Unter dem Motto AusFinnland! hat diese Länderkooperation auch im Rahmen der Konferenz, die in jedem Jahr mit vielen Branchen-Vorträgen parallel zum Festival stattfindet, wunderbar funktioniert. Im kommenden Jahr wird es somit wieder einen Länderschwerpunkt geben, der dann aus den Niederlanden kommen wird. Wir können uns also vielleicht schon auf einen besonders guten Pommes- und Poffertjes Stand freuen, die sicher etwas besser ankommen dürften als Rentierfleisch – sorry, Finnland.
FünfSterneDeLuxBeim Reeperbahn Festival gab es also wie immer ein buntes Programm, das neben musikalischen Highlights auch Kunstausstellungen, Filme oder andere Shows wie zum Beispiel die Türsteherlesung „Zeit für Zorn“ zu bieten hatte. Die Türsteherlesung findet in Hamburg in unterschiedlichen Abständen in verschiedenen Locations statt und ist immer sehr gut besucht. Dieses Jahr luden die drei Türsteher ins Imperial Theater, ein kleines Krimitheater am Anfang der Reeperbahn, das eine besonders gemütliche Atmosphäre bietet. Viktor, Henning und Mark, allesamt sind oder waren sie auf dem Kiez an der Tür aktiv, erzählen amüsante Anekdoten aus dem Leben eines Türstehers, wobei es wirklich eine Menge zu berichten gibt.
Ein weiterer Pflichttermin beim Reeperbahn Festival ist seit Jahren Ray’s Reeperbahn Revue, wofür man schon mal gut eine Stunde bevor überhaupt Einlass ist, am Schmidt’s Theater anstehen kann. Als erster Tagesprogrammpunkt lädt Ray Cokes sich jeden Tag um 17 Uhr vier bis fünf Bands aus dem Festivalprogramm ein, um diese in intimer Atmosphäre vorzustellen. Schon oft bin ich so auf Bands gestoßen, die ich mir im Anschluss beim Festival angesehen habe, wie auch in diesem Jahr wieder. Durch Ray’s Empfehlung habe ich mir die aus Washington DC stammende Band RDGLDGRN angesehen, die bei ihrem kommenden Album Dave Grohl für die Aufnahmen an den Drums gewinnen konnten und Pharrell Williams als Co-Songwriter. Auf der kleinen Bühne im Schmidt‘s Theater konnten die beiden vorgetragenen Songs schon sehr gut einheizen und auch der richtige Gig in der Großen Freiheit war gut besucht. Den Namen dieser Band sollte man sich mit ihrer Mischung aus Rock, Hip Hop und Pop definitiv merken.
Mein ganz persönliches Highlight war der Auftritt von Frank Carter, den der ein oder andere vielleicht noch als Ex-Frontmann der Gallows in Erinnerung hat, mit seiner neuen Band The Rattlesnakes. Eine Show puren Punkrocks mit einem fluchenden aber trotzdem sehr sympathischen Engländer, die das Publikum komplett zu begeistern vermochte. Es ist wohl immer etwas schwierig im Rahmen einer Tour, bei der die Leute nur wegen Dir zu den Konzerten kommen, einen Zwischenstopp auf einem Festival zu machen, wo viele Leute kommen, die noch nie zuvor von Dir gehört haben. Frank Carter thematisierte dies auch direkt, indem er anfangs noch aufforderte näher zu kommen, da er nicht so weit springen könne, ruderte dann aber zurück, dass er bei diesem aus „fucking industry people“ bestehendem Publikum natürlich etwas vorsichtiger sein würde. Lange Rede kurzer Sinn, die Hälfte der Show hielt er sich im Moshpit direkt vor der Bühne auf, für einen Song bestieg er den Tresen und für das letzte Drittel der Show wurde die Bühne kurzerhand in die Mitte der Venue verlegt. Das Schlagzeug wurde mit schnellen Handgriffen ab und wieder aufgebaut und die komplette Band hat das Set inmitten des Publikums, inklusive Circle Pit ums Schlagzeug herum, zu Ende gespielt. Das Reeperbahn Festival kann also auch Punkrock, womit bewiesen sein dürfte, dass sich im Programm wirklich für jeden etwas finden lässt. Ganz andere Klänge schlug so zum Beispiel William Fitzsimmons im Michel an, denn manchmal braucht es nicht viel mehr als einen Mann und seine Akustikgitarre.

Das Reeperbahn Festival ist ein Festival der Gegensätze, von kleinen abgefuckten Kneipen über schicke Clubs bis hin zur Kirche ist alles dabei, wobei das Festival von Jahr zu Jahr weiter wächst. Wer einen der bekannteren Acts sehen will, muss sich vorher bewusst sein, dass ein wenig Schlange stehen dazu gehört und man vielleicht auch mal nicht mehr reinkommt. In dem Fall geht man aber einfach in die nächstbeste Location und entdeckt so vielleicht seine neue Lieblingsband.
Liebes Reeperbahn Festival, du hast einen festen Platz in unserem Herzen und gehörst in jedem Fall zu unseren Lieblingsfestivals. Auf die nächsten 10 Jahre!

War dabei: Samira Szago

www.reeperbahnfestival.com