Night Moves im Interview


Nights Moves - credit Bryan Derballa - hires2
Bereits im März letzten Jahres erschien das zweite Album „Pennied Days“ der aus Minneapolis stammenden Band Night Moves. Leider hat das Album hierzulande nicht so viel Aufmerksamkeit erfahren, wie es vielleicht verdient hätte. Wer auf sphärisch bombastische Sounds mit 70er Flair steht, sollte es sich aber unbedingt anhören. Nicht nur Bands wie Tame Impala und Flaming Lips beherrschen psychedelischen Dream Pop und vermögen es, den Zuhörer auf eine farbenfroh melodiöse Reise mit zu nehmen. Micky Alfano und John Pelant, der Kern der Band, sehen dazu noch genau so aus, wie sie sich anhören – als würde vor der Tür der Hippie-VW- Bus für den Road-Trip abseits der großen Highways warten. Dass der Sound auch wunderbar live funktioniert, haben Micky und John – unterstützt von ihren vier Bandkollegen – bei ihrem live Auftritt in Berlin bewiesen. Vor dem Konzert habe ich mich mit den Beiden über ihre Musik unterhalten und ob Kälte in Minneapolis gleich Kälte in Berlin ist.

Wie geht es euch?

John: Ich friere. Mir ist total kalt.

Wie ist das Wetter in eurer Heimat Minneapolis?

John: Auch kalt, aber hier ist es eine andere Kälte. Vielleicht empfinde ich das aber auch anders, weil ich an einem fremden Ort bin. Oder ich bin einfach aufgeregt (lacht).

Micky: Ich habe das Gefühl, dass man ständig feuchte Klamotten hat, wenn man bei so einem Wetter durch die Gegend reist. So viel zum glamourösen Popstar Leben.

Wie ist es, wenn man aus einer Stadt kommt, die so stark mit einem Künstler assoziiert wird?

Micky: Du meinst Prince?

John: Wenn du in einer Stadt wie Minneapolis aufwächst, dann ist es irgendwie Normalität. Keiner macht was Großes draus. Wenn man dann später selbst Musiker ist, versteht man erst richtig die Tragweite.

Erfährt das Thema Musik dadurch in der Stadt eine andere Wertschätzung?

John: Ja, es gibt eine Menge Clubs und eine Menge Bands. Die Stadt war schon immer sehr durch die Musik geprägt. Jeden Tag in der Woche gibt es eine Menge Konzerte. Man bekommt also viel Inspiration und es ist einfacher für kleine Bands einen Auftritt in einem der Clubs zu bekommen. Selbst wenn man noch nicht bekannt ist, findet man immer irgendwo einen Ort wo man auftreten darf. Das ist auf jeden Fall ein guter Nährboden für Kreativität.

Micky: Es gibt einige Namenhafte Bands, die aus Minneapolis kommen, wie zum Beispiel The Replacements oder Hüsker Dü.

John: Da habe ich eine lustige Geschichte mit Grand Hart, dem Drummer von Hüsker Dü. Ich habe mal rückwärts eingeparkt, in einen zugegebenermaßen recht kleinen Parkplatz. Da stand ein Typ auf dem Balkon, neben meinem Haus, und fing an zu klatschen. Das hat mich total genervt, ich dachte was ist das denn für ein Idiot, der sich über mich lustig macht. Ein paar Tage später war ich auf einer Party von unserem Label Domino. Und wer stand da? Der Typ, der geklatscht hat. Wir wurden einander vorgestellt und es war Grand Hart! Ich meinte zu ihm: klatsche nie wieder, wenn ich einparke (lacht).

Jetzt aber zu eurer Musik. Ihr klingt sehr 70er lastig und seht ja auch so aus. Woher habt ihr diese Inspiration. Ihr seid ja eher zu jung um diese Zeit selbst erlebt zu haben.

John: Wir fanden die Musik und den Style schon immer cool. In unserem Freundeskreis hatten viele lange Haare und die Musik, die wir beide gut finden, kommt aus dieser Zeit. Wir sind jetzt aber nicht besonders psychedelisch unterwegs und hängen nur ab und sind verpeilt.

Haben eure Eltern diese Art von Musik gehört?

John: Ja, wir waren immer von 70er Musik umgeben wie zum Beispiel Crosby Still and Nash. Ich habe mal eine Platte von George Harrison geschenkt bekommen. Die habe ich dann bei meinen Eltern entdeckt. Das war für mich ein Zeichen wie zeitlos und generationsübergreifend diese Art von Musik ist. Die warme, softe Art gefällt uns extrem gut. Auch die Art der Instrumentierung, die meist etwas üppiger ist, mögen wir sehr gerne – diese satten Soundteppiche.

Ist es nur die Musik, die ihr attraktiv findet oder auch der Spirit dieser Zeit?

John:  Nein gar nicht. Da sind wir eher sehr fokussiert, wir sind überhaupt nicht solche Typen, die in den Tag hineinleben und schauen, was passiert. Es ist wirklich der Sound, nicht der Lifestyle.

Micky: Wir versuchen aber nicht nur den 70er Sound zu imitieren, sondern neue Elemente hinzu zu fügen. Das spiegelt sich in der Art wieder, wie wir Gitarren einsetzen oder bestimmte Sounds, die wir mit der Drum-Maschine erzeugen.

Euer Album Pennied Days ist sehr inspiriert von euren eigenen Erlebnissen. Ist das eine Art Tagebuch?

John: Ich finde es viel einfacher und authentischer über etwas zu schreiben und zu singen, was einen selbst bewegt als über die Geschichten anderer. Daher ist es schon sehr autobiografisch geworden: wo wir gerade stehen, Liebe, Beziehungen… Manchmal fängt alles mit einer Zeile an, man fängt an zu schreiben und weiß gar nicht so recht, von was der Song handelt. So war das bei „Alabama“. Da wurde mir erst rückblickend klar, über was ich eigentlich geschrieben habe. Das ist die Magie des Song Schreibens.

Ich habe manchmal den Eindruck, Männer können viel besser über Beziehungen in ihrer Musik schreiben als direkt zu sagen, was sie denken. Da hapert es dann immer ein bisschen.

Micky: Du hast sooooo recht, das stimmt total. Das Meiste was wir gefühlsmäßig in unserer Musik verarbeiten, würden wir wahrscheinlich nie jemanden so sagen. Diese Gefühle sind meistens irgendwo ganz tief vergraben. Wir haben zum Glück die Musik als Vehikel um sie hervor zu holen. Da kommt dann unsere softe und sentimentale Seite zum Vorschein (lachen). Bei vielen Männern bleibt das wahrscheinlich immer verborgen.

Das ist natürlich schwierig, wenn man keinen Freund hat, der einem Liebeslieder schreibt. (Gelächter)

Mickey: Ja, vielleicht sollte man viel mehr über Musik kommunizieren. Vielleicht würde das einige Missverständnisse und Unklarheiten beseitigen.

Ihr sagt, die Songs handeln auch davon, was euch in der Zukunft bewegt. Wie sehr beeinflusst euch das, was gerade mit Trump in den USA passiert?

John: Eigentlich sind wir nicht wirklich eine politische Band, wir können uns aber schon gut vorstellen, dass es die nächsten Songs beeinflussen wird. Das ist ja schon massiver Bullshit, der da gerade abgeht. Das wird noch der blanke Horror.  Das wird man beim Songs schreiben  sicherlich nicht so einfach ausblenden können. Und das ist ja gerade erst der Anfang.

Seht ihr euch als Band in der Verantwortung bei so einem Thema eure Stimme zu erheben?

John: Man muss jetzt erst mal sehen was passiert. Wir waren bisher nie politisch, daher ist es auch eine Gratwanderung glaubwürdig zu bleiben. Mal schauen, in welche Richtung sich das inhaltlich entwickeln wird. Ich glaube aber es liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Person, die Stimme zu erheben. Wahrscheinlich ist das aber so, wenn man wie wir eine Plattform durch die Musik hat, liegt es noch mehr in der Verantwortung gegen Ungerechtigkeit und Missstände anzugehen.

Micky: Ich frage mich manchmal wie viele unserer Fans vielleicht Trump Supporter sind. Man sieht ja zum Beispiel auf Facebook immer nur seine eigenen „Freunde“, die alle gegen Trump wettern. Man hat sich da aber so seine eigene Blase kreiert, die alles nur wie ein Echo wiederholt. Ich frage mich, wie es da draußen wirklich aussieht und wie das so bei den Fans ist. Ich kann mir vorstellen, dass Bruce Springsteen die Hälfte seiner Fans verloren hat, als er angefangen hat Hillary zu unterstützen. Er ist der Inbegriff von Born in the USA und tritt für Hillary ein. Das ist schon ein wirklich mutiges Statement.

Im Gegensatz dazu finde ich unglaublich befremdlich, was Kanye gemacht hat. Was sollte das Meeting mit Trump?

 John: Ja, was war das denn bitte für ein Scheiß?! Der hat so ein unglaubliches Ego, aber da passen die beiden ja gut zusammen.

Micky: Er würde glaube ich alles für Publicity machen. Alle Celebrities hassen Trump und was macht Kanye? Er inszeniert ein großes Treffen und beide klopfen sich auf die Schulter. Der Typ ist so durch, der würde einfach alles für sein Ego machen, man kann ihn nicht mehr ernst nehmen. Dabei habe ich ihn mal in Minneapolis gesehen. Die Performance war richtig gut. Aber man hält sich lieber von ihm fern.

Night Moves | Domino Records Photo by Bryan Derballa

Zurück zu eurer Musik. Euch gibt es fast seit sieben Jahren als Band und ihr habt bisher zwei Alben produziert. Dauert der Prozess ein Album zu schreiben sehr lange?

John: Wir wollen einfach gut sein. Es gibt so viele Songs, die es nicht auf das Album schaffen, weil wir sie einfach nicht für gut genug halten. Damals in unseren Highschool-Bands hat dieser Prozess der Selbstreflektion einfach nicht existiert. Wir haben einfach alles raus gehauen und dann war es im Nachhinein manchmal peinlich, was für eine schlechte Qualität manche Songs hatten. Das ist so peinlich, wenn du Demos verteilst und dann sagst: hört mal der eine Song, der ist ganz ok, aber der Rest, na ja der ist nicht so toll. Mit dem ersten Album hatten wir den Anspruch etwas zu machen, hinter dem wir hundert Prozent stehen können und es hat funktioniert. Bei dem zweiten Album hat das Label dann mehr mitgesprochen. Der Label-Chef hat sich die ersten Songs angehört und uns dazu gebracht weitere Songs zu schreiben, damit wir nicht das erste Album genau so noch mal machen.

Hilft das dann, so ein Feedback von außen zu bekommen?

John: Viele wären bei so einem Feedback während des Songwriting-Prozesses wahrscheinlich genervt. Jeder darf aber eine konstruktive Meinung zu unserer Musik haben. Mich hat es in diesem Fall gepusht noch weitere Songs zu schreiben. Es ist nicht einfach ein zweites Album zu machen, wenn man ein gutes erstes hatte. Man will sich natürlich weiter entwickeln, darf aber auch nicht die Fans verprellen, die man durch das erste Album gewonnen hat. Man muss eine gute Mischung finden: wiedererkennbar aber frisch.

Micky: Zudem ist der Prozess recht langwierig, bis eine Platte draußen ist. Man schreibt, liefert die Songs ab und dann dauert es noch mal sechs bis acht Monate, bis ein Album dann draußen ist. Manchmal dauert es bis zu einem Jahr, bis die Fans ein Album hören können, obwohl man es schon längst fertig hat. Das fühlt sich echt komisch an, aber so funktioniert die Musik-Industrie heutzutage.

John: Außerdem haben wir ja gerade auch noch mal eine EP „Carl Sagan“ rausgebracht.

Eigentlich gabs die schon auf Vinyl, wenn man die Delux Version unserer Platte bestellt hat oder auf unseren Shows. Jetzt gibt es sie aber auch digital und die Leute denken ohhhh etwas Neues. Dabei haben wir das Material schon vor langer Zeit geschrieben. Ich denke dann Leute, kauft euch einen Plattenspieler, dann bekommt ihr auch das gute Zeug (lacht).

Man sagt ja oft, das dritte Album ist das Schwierigste. Habt ihr Angst davor?

John: Ja? Ich dachte immer das zweite ist das Schwierigste.

Micky: Mit dem dritten Album zeigt sich meistens, ob man den Durchbruch schafft oder nicht. Es ist nicht unbedingt das schwierigste im Sinne der Songs. Nach dem dritten Album entscheidet sich meist, ob die Fans noch Lust auf dich haben oder ob sie das Interesse verlieren.

John:Angst haben wir aber nicht. Wir haben auch schon viele Songs fertig, bis jetzt sind wir ganz zufrieden, mit dem was wir haben. Wir sind sehr zuversichtlich.

Dann hoffen, wir noch viel von Euch zu hören und freuen uns auf alles was kommt!

Interview: Kate Rock

Fotos: Bryan Derballa

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