Mette Lindberg von The Asteroids Galaxy Tour im Interview

Inmitten des gemütlich rustikalen Innenhofs des Michelberger Hotels steht eine zierliche Blondine im Leopardenoutfit und großer Sonnenbrille. Mette Lindberg schafft es, einem jeden Ort immer noch ein wenig mehr Glamour zu verleihen. Ob in der schläfrigen Nachmittagshitze Berlins oder später auf der Bühne des Astra Kulturhauses. Mit ihrer selbstsicheren Ausstrahlung zieht sie die Blicke überall auf sich. Doch bevor die Sängerin des dänischen Kollektivs The Asteroids Galaxy Tour als Vorband von Vampire Weekend ins Scheinwerferlicht getaucht wird, nimmt sie sich Zeit über Eltern, Emotionen und das Erwachsenwerden zu plaudern.

Hast du genug vom Leben auf Tour?

Mette Lindberg: So viele Menschen haben gerade Urlaub, nur Musiker nicht. Wir bespielen Festivals. Dennoch wollten wir es klein halten und nur wenige Festivals mitnehmen. Die letzten drei Jahre haben wir einfach so viel live gespielt. Es waren um die 130 Shows überall in der Welt. Unser zweites Album entstand sogar während wir auf Tour waren. Jetzt wollten wir mehr Zeit zu Hause verbringen und dort im Studio an neuen Songs arbeiten. Das lässt uns herunterkommen. Ich fahre wieder mit dem Fahrrad zur Arbeit, koche mein eigenes Essen. Zwar mag ich das Tour-Leben und das damit einhergehende Abenteuer, aber es nervt mich nach allem fragen zu müssen und nur zwischen Pizza und Sandwiches zum Essen wählen zu können.

Gemeinsam mit Lars Iversen bist du der Kern von The Asteroids Galaxy Tour. Inwiefern hat sich das Verhältnis zwischen euch über die Jahre verändert?

Wir sind zu besseren Freunden geworden und können über alles reden. Auch wenn schnell mal die Emotionen hochkochen. (lacht) Ich denke, das lässt uns so glänzen.

In welchen Momenten fühlst du dich weniger glänzend?

Wenn es um Sprachprobleme geht. Auch wenn ich Englisch und ein bisschen Deutsch spreche, kann es manchmal schwierig werden. Erst heute hatte ich so eine Situation mit einem Taxifahrer, der kein Englisch konnte, sich aber mit mir unterhalten wollte. Zuerst war ich total überfordert, aber dann habe ich mich einfach im Deutsch sprechen versucht und es ging irgendwie. Trotzdem fühlte ich mich wie ein 6-jähriges Kind. (lacht) Es gibt auch Momente, in denen ich mich als Musikerin nicht so gut fühle und am liebsten Feuerwehrfrau wäre. Denn auch wenn ich in vielerlei Hinsicht privilegiert bin, verbringe ich doch so viel Zeit weit weg von meiner Familie und meinen Freunden. Aber gleichzeitig brauche ich das Tief genauso wie das Hoch. Nur glücklich zu sein, wäre total langweilig. Es ist wichtig auch mal weinen zu können.

Wann hast du das letzte Mal geweint?

Oh, ich bin sehr emotional! Ich weine schon, wenn ich alte Menschen sehe. Wenn man ihnen zum Beispiel helfen muss, um in den Bus einsteigen zu können. Da muss ich an meine Eltern denken, die auch immer älter werden. Ob bei Hochzeiten, Geburtstagen oder auch bei guter Musik – ständig weine ich. Das ist schrecklich! Vor ein paar Jahren starb ein Freund von mir an Krebs. Er hatte zuvor Musik gemacht und wollte, dass diese auch nach seinem Tod weiterlebt. Also sang ich einen seiner Songs bei einem Presse-Event und fing sofort vor allen an zu weinen. Ich konnte gar nicht mit der Situation umgehen… Und dann weinten plötzlich ganz viele Leute im Publikum! Das alles wurde gefilmt und meine Eltern waren auch dabei. Was es umso schwieriger machte, denn in dem Song ging es darum sich von seinen Eltern zu verabschieden… Trotzdem war es keine durchweg schlechte Erfahrung. Irgendwie hatte es auch etwas Gutes.

Sind dir Tränen unangenehm?

Diese Emotionalität kann manchmal sehr störend sein. Einmal waren zwei meiner Freundinnen bei einem ziemlich großem Konzert von uns im Publikum. Die Beiden haben ihre Arme in die Höhe gereckt und mir lautstark zugejubelt. Also sang ich einen Song für sie. Da fingen sie zu weinen an und ich musste wegschauen damit ich nicht auch anfange.

Was an deiner Heimat vermisst du? 

Ich vermisse den Klang der Stadt. Kopenhagen ist so klein, dass ich überall zu Fuß oder mit dem Fahrrad hinkomme. Das liebe ich! Ich mag die Sicherheit, welche ich dort empfinde. Und auch die Gewissheit, dass ich mich dort blind zurechtfinde und in jeder Ecke der Stadt Freunde von mir wohnen, mit denen man auch mal einen Barbecue veranstalten kann.

Was ist deine früheste Kindheitserinnerung?

Als ich ungefähr anderthalb Jahre alt war, trat mir in der Kindertagesstätte eine Erzieherin auf die Finger und merkte es gar nicht, was mich sehr traurig gemacht hat.

Kannst du dich an eine Zeit entsinnen, in welcher du keine Musik gemacht hast?

Ich habe schon immer gesungen und ein Instrument dazu gespielt. Zusammen mit meiner Familie, meiner Schwester, meinen Verwandten. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich damit begonnen eigene Texte über Songs drüber zu singen. Gemeinsam mit meiner Schwester kreierte ich bald eigene Lieder. Dann kam ich auf die Musikschule und habe einfach weitergemacht, obwohl ich nicht zwingenderweise Musikerin werden wollte. Bevor ich mit den Asteroids anfing, arbeitete ich in einem Jugendclub mit Kindern im Alter von zehn-zwölf Jahren und nachts in einer Bar. Das ist jetzt sechs oder sieben Jahre her…

Warst du schon immer so selbstsicher?

Als junger Teenager wollte ich nicht, dass man mich ansieht, weil es mich unsicher werden ließ. Aber dann hatte ich sehr gute Freunde, mit denen ich gewachsen bin. Jetzt fühle ich mich sehr stark. Ich gehe Dinge nicht zögerlich an und bin keineswegs schüchtern. Der Grund dafür ist auch, dass ich an vielen kreativen Schulen war, wo man für ein Jahr bis anderthalb Jahre blieb. Da lernte ich die unterschiedlichsten Leute kennen und alle unterstützten einander. Daran konnte ich wachsen. Denn es half mir zu erkennen, dass ich nicht nur der Clown sein muss, sondern auch schön sein kann. Man muss dabei nicht der Norm entsprechen. Ich hatte also eine wunderbare Schulzeit. Sie hat mich glänzen lassen.

Deine Eltern wussten dich also auf die richtige Weise zu unterstützen?

Ja, sie sind sehr cool. Ich denke zurzeit viel über meine Eltern nach. Weil sie älter werden und ich so viel auf Reisen bin, mich aber so gern mehr um sie kümmern möchte… Sie sind meine Freunde und ich mag, was sie tun. Eigentlich sollten sie im Ruhestand sein, aber sie arbeiten trotzdem. Mein Vater ist selbstständig und reist durch die Welt, um Reden vor großem Publikum zu halten. Manchmal sagt er zu mir, dass es ja irgendwie das Gleiche wäre, was wir beruflich machen müssen. Darauf antworte ich immer nur: fast, fast…. (lacht) Egal wohin ich reise, er kann mir immer berichten, dass er schon einmal dort war.

Deinen Eltern erscheinen sehr locker. Wäre Hausarrest bei ihnen undenkbar gewesen?

Naja, ich war ein schwieriges Kind. Ich habe immer rumgebrüllt, war schnell gereizt und hyperaktiv. Ich wollte immer meinen Kopf durchsetzen. Aber als ich dann zum Teenager wurde, bin ich viel ruhiger geworden und meine Eltern hatten überhaupt keine Probleme mehr mit mir. (lacht)

Wolltest du schon immer lange Haare haben? 

Als Kind hatte ich kurze Haare und sah wie ein kleiner Junge aus. Weil ich auch immer so schmal war und die weißen Haare in alle Richtungen standen. Meine Eltern bekamen zudem von den Kindern von Freunden Kleidung geschenkt und das waren immer Jungs-Klamotten. Aber als die Schule begann, hatte ich dann lange Haare. Ich fühle mich damit irgendwie geerdeter.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg