Liebes Tagebuch…

Gabi Rudolph…endlich habe ich mein jahrelanges Vorhaben in die Tat umgesetzt und angefangen „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace zu lesen. Ich bin fest entschlossen es durchzuziehen, auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, ob literarischer Hochgenuss oder sportlicher Ehrgeiz dabei am Ende überwiegen werden. Obwohl ich, im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten, recht schnell und viel lese, habe ich für die ersten 600 Seiten knapp vier Wochen gebraucht. Und dann habe ich ausgerechnet dass, vorausgesetzt, ich lese ungefähr im gleichen Tempo weiter, es schon bald November sein wird, bis ich damit durch bin. Dann ist das Jahr ja schon fast vorbei! Wie furchtbar. Oder?
Das Wetter macht es einem im Moment ja nicht besonders schwer zu vergessen, dass der Herbst langsam aber sicher an der Tür kratzt. Wenn man aber am späten Nachmittag im Schatten auf der Wiese im Park sitzt, kann es passieren, dass einem zwar ein sommerlich warmes Lüftchen um die Nase weht, der Popo hingegen aber irgendwie lustig klamm und kalt wird. Etwas leicht morbides hat so ein deftiger Spätsommer schon. Meine Kinder zumindest scheinen mit dem Bevorstehen der dunklen Jahreszeit wenig Probleme zu haben. Mein Sohn fragt mich schon, ob wir endlich mal wieder Plätzchen backen und meine Tochter findet es sowieso wahnsinnig gemütlich, wenn der Himmel wolkenverhangen ist. Erst kürzlich meinte sie, draußen würde es aussehen als läge schon Schnee in der Luft.
Gegen potentiell aufkommenden Herbstblues empfehle ich, einfach mal Zuhause eine Runde zu Die Antwoord auf Clublautstärke zu tanzen. Meine Kinder haben irre viel Spaß daran. Überhaupt finde ich, dass Die Antwoord als Kinderunterhaltungsband massiv unterschätzt werden. Vor kurzem habe ich das Video zu „Banana Brain“ mit einer Gruppe Kinder verschiedenen Alters geguckt, und alle waren gleichermaßen begeistert. Das hat mich direkt in meiner Auffassung bestätigt, dass Ninja und Yolandi in Wirklichkeit total niedlich sind. Meine Lieblingsszene ist übrigens, wie Ninja Yolandi die Haare schneidet.

Ich habe ja sowieso keinen Grund mich zu beklagen. Mein musikalischer Herbst ist bereits bis in den tiefsten Winter hinein gerettet, jetzt da Jack White sein Akustik-Best-of-Album raus bringt. Okay, zugegeben, ich finde die Platte ist schon ein ganz schöner Lückenfüller geworden. 80 Prozent der Songs hat man so schon gehört, einige sind nur neu abgemischt, dazu kommt eine Handvoll unveröffentlichter Songs und alternativer Versionen. Ist er nicht ein bisschen zu jung und vor allem viel zu kreativ für eine derartige Werkschau? Aber gut, wenn er die Veröffentlichung zum Anlass nimmt auf große Akustik Tournee zu gehen, lasse ich es ihm durchgehen. Wer mich kennt weiß ja, dass es nicht allzu viel gibt, das ich Jack White nicht nachsehen würde. Solang er nicht auf die Idee kommt, Dolly Partons „Jolene“ im Duett mit Helene Fischer zu singen. Ja, da lachst du! Aber The Boss Hoss haben diesen satanischen Plan tatsächlich einst in die Tat umgesetzt. Erstaunlich, wie ein und dasselbe Business zu komplett unterschiedlichen Planeten werden kann. Und nein, ich verlinke das hier jetzt nicht, wenn du es wirklich sehen willst, musst du schon googlen.
Aufgrund meines vorherbstlichen Gemütlichkeitssyndrom nutze ich die Abende hauptsächlich für ausgiebige Verabredungen mit meinem guten Freund Netflix. Im Moment bin ich mitten in „The Get Down“, die von Baz Luhrman entwickelte Serie über das Ende der Disco-Ära und die Entwicklung des Hip Hop von der Subkultur zum Massenphänomen. Ich bin ja nicht per se ein Fan von Baz Luhrman, manchmal ist mir die Grundstimmung seiner Filme zu hysterisch. Wenn man aber den Pilotfilm von „The Get Down“ sieht, lässt sich schwer verleugnen, was für ein gutes Gespür er für das Inszenieren, vor allem der musikalischen Szenen hat. Das zeigt sich auch im Vergleich zu den weiteren Folgen, bei denen nicht mehr Luhrman selbst Regie führt. Dieses spektakuläre Gefühl, das ich bei manchen Szenen des Pilotfilms hatte, scheint sich nicht auf die Dauer zu halten. Anders war es beim (wie ich finde absolut gerechtfertigten) Hype-Phänomen „Stranger Things“. Man, was habe ich mich gefürchtet! Und das mit absoluter Hingabe, völlig unfähig aufzuhören. Das ging schon ganz schön in die Richtung von dem, was David Foster Wallace als „Unendlicher Spaß“ bezeichnet. Apropos, hast du gesehen, wie Millie Bobby Brown bei Jimmy Fallon Nicki Minaj rappt? Ich bin ja schwer verliebt und hab die Adoptionspapiere schon auf dem Tisch. Dann könnten sie und meine Tochter demnächst gemeinsam nach Schnee Ausschau halten.

Wie auch immer, ich fürchte ihn nicht, den kommenden Herbst. Ich habe noch knapp 900 Seiten unendlichen Spaß vor mir, ich habe „Narcos“ noch nicht gesehen und die winterliche Konzertsaison verspricht auch das ein oder andere Highlight. Hey, im Januar kommen The Flaming Lips nach Berlin! Wie kann man da noch Angst vor dem Vergehen der Zeit haben.

Bis bald,

Deine Gabi