Interview mit Wouter Hamel

Der niederländische Jazz-Pop Sänger Wouter Hamel arbeitete bereits mit vielen internationalen Größen wie Buena Vista Social Club, Benny Sings und Caro Emerald. Bei keinem Künstler habe ich so viele Liveauftritte besucht wie bei Wouter Hamel und war daher, als ich ihn zuletzt im niederländischen  Heerlen live gesehen habe, über die neueren Aspekte in dem Sound seines aktuellen Album „Pompadour“ überrascht. Nach seiner Asientour nutzte ich die Gelegenheit und fragte nach.

 Du bist ja frisch von deiner Asien Tour zurück, wie war es?

Es war großartig! Ich denke, das war eine der besten Touren, die wir bis heute hatten.

Wir kennen uns jetzt schon einige Jahre. Und wenn ich zurückblicke, hat sich deine Musik stark verändert.  Wo kamen diese Änderungen her? Du wirst nicht eines Morgens aufgewacht sein und zu dir selbst gesagt haben, dass du fortan alles anders machen willst.

Das sehe ich ein wenig anders, denn auch heute ist meine Musik sehr melodisch und harmonisch. Ich stimme zu, dass die Sounds, die wir in den Alben und Produktionen verwendet haben, sich sehr verändert haben. „Lohengrin“ war ein eher melancholisches Album. Natürlich gab es hier und da Ausnahmen, aber es war doch sehr orchestral und ernsthaft. Dieses Mal entschieden wir uns Spaß zu haben, neue Dinge zu probieren, nicht einfach nur um sie zu probieren, sondern um sich von eingefahrenen Mustern zu befreien.  Du kennst ja „March, April, May“ – ich liebe diesen Song nach wie vor und ich singe ihn auch heute noch gerne, aber wenn ich „March, April, May“ jetzt geschrieben hätte, wäre das ein musikalischer Stillstand gewesen. Ich wollte mich weiterentwickeln und ich wollte meine Musik etwas eindringlicher, weniger subtil, gestalten. Das ist eigentlich die große Veränderung.

Ja, ich stimme zu, deine Handschrift ist in den Songs unverkennbar, aber fürchtest du dich nicht, einige Fans der ersten Stunde zu verlieren? Kurz vor der Veröffentlichung von „Pompadour“ war ich auf deinem Theater-Gig in Heerlen und in der Pause wollten einige Besucher an der Kasse ihr Geld zurück, und ich verstehe diese Leute auch. Sie hatten ein sehr klares Bild davon, was es bedeutet in den Niederlanden zu einem Theaterauftritt von Wouter Hamel zu gehen und es war ja etwas vollkommen anderes.

Ja, das kann ich mir vorstellen, allerdings bin ich ein Künstler und kein Geschäftsmann. Das bedeutet jetzt nicht, dass mir meine Fans vollkommen egal sind. Natürlich ist es wichtig für mich, dass Leute meine Musik auch mögen. Aber diese Theater Tour war einfach eine Tour zu viel. Wir haben viele solche Touren in den vergangenen Jahren gemacht aber ich bin der Meinung, dass wir etwas Besseres, Größeres machen sollten. Für ein paar Gäste, die kamen um zivilisierte, akustische Jazzmusik und einen groovenden Gentleman sehen wollten, war das dann nicht passend. Ich finde es schade, dass das nicht alle genießen können, aber ich kann nicht mein Leben lang wie bisher weitermachen. Obwohl… Wenn ich 60 bin, fange ich wieder damit an. [lacht laut]. lch bin noch keine 40, für mich ist jetzt noch die Zeit neues auszuprobieren, Dinge etwas anders zu machen und natürlich eine Clubtour zu machen. Wir werden immer zu Theater und Jazz zurückkehren können und es ist auch nicht so, dass ich Jazz mit Füßen trete und ich Jazz nicht mehr mag, aber es begeistert mich nicht mehr so wie früher.

Du tourst seit 4 oder 5 Jahren mit fast derselben Bandbesetzung. Wie steht die Band zu den Änderungen?

Das ist eigentlich ziemlich witzig, denn die Band fühlte sich auch irgendwie im alten Konzept gefangen. Außer Jasper, der eigentlich ein Jazz-Drummer ist, der nie in unserer Band richtigen Jazz spielen konnte.

Aber zu deinem neuen Album. In den ersten Alben hast du Songs über andere Personen, Prominente und erfundene Charaktere geschrieben. Später bei „Lohengrin“ fingst du an auch über dich zu schreiben. Was können wir bei „Pompadour“ erwarten?

Ich denke es ist ein Mittelding. Es gibt einige große persönliche Elemente die ich verarbeitet habe, aber auch fiktionale Charaktere wie Gretna Green. Ich habe nun endlich beide Aspekte des Songwritings entdeckt. Es muss nicht offen persönlich oder distanziert sein. Das Album ist ein gutes Beispiel, wie beide Aspekte zusammenspielen können. Meine Furcht ist aber, wenn es zu persönlich wird, ist es zu aufgezwungen. Das wird wahrscheinlich immer ein Problem für mich sein. Es ist nicht, dass ich Angst habe Geheimnisse preiszugeben, aber ich möchte, dass die Leute sich mit den Songs verbunden fühlen und nicht nur mit mir.

Besonders gefallen mir „Double Dutch“ und „The Lights“.

„Double Dutch“ hat mir besonders viel Spaß gemacht, da es dabei besonders um Tanzen geht, das hört man auch im Sound, der etwas bouncy ist. Ich arbeitete mit Michael Leonhart zusammen, der eine spezielle Herangehensweise an solche Sounds hat.  Er kam aus New York zu mir ins Studio und fing an Youtube zu öffnen, die Lautstärke auf null zu stellen und schaute beispielsweise nach Cab Calloway, einem früheren Jazz-Tänzer  oder nach Kindern mit einem Springseil, was selbstverständlich sehr bouncy ist. Mit ausgeschaltetem Ton versuchte er sich den Beat zu den Videos vorzustellen. Ich möchte das in Zukunft auch probieren, denn es ist eine wirklich visuelle Art um Musik zu machen. Bei „The Lights“ hingegen arbeitete ich mit Benny Sings zusammen. [Singt:] When the lights starts flashing war schon sehr viele Jahre in meiner iTunes Bibliothek, und sogar die Version die du von dem Album kennst, hatte ich seit 2 oder 3 Jahren auf meinem iPhone. Ich ließ ständig alle möglichen Leute reinhören, aber niemand verstand was ich damit meinte und ausdrücken wollte, weil es damals noch keinen Beat hatte. Und dann saß ich mit Benny Sings zusammen und er verstand es sofort und ich war so erleichtert, dass ich endlich The Lights nutzen konnte, denn ich mochte den Sound schon so viele Jahre.

Gibt es noch eine abschließende Nachricht, die du den Lesern zu deinem neuen Album mitgeben möchtest?

Also für diejenigen, die noch nie etwas von mir gehört haben, was gut möglich ist, weil ich ja in Deutschland nicht so bekannt bin: Wir sind sehr oft in Deutschland und wir lieben es wirklich jedes Mal. Ich denke unsere beste Tour war Deutschland vor zwei Jahren. Bitte kommt zu einer unserer Shows und habt Spaß mit dem Album!

Danke nochmals für deine Zeit.

Danke für das Gespräch und bis bald!

Interview: Thorsten Müller

Foto © Sanja Marusic