Interview mit TOY

Die britische Musikpresse nässt sich mal wieder ein vor lauter Freude. Grund dafür ist der experimentelle, düstere Sound von TOY. Vier Jungs und ein Mädchen, Anfang zwanzig, aus Brighton. Sänger Tom Dougall, Gitarrist Dominic O’Dair und Bassist Maxim Barron haben schon zusammen bei Joe Lean & the Jing Jang Jong gespielt. Ohne Erfolg, der Plattenvertrag blieb aus. 2010 holten die drei Schulfreunde Charlie Salvidge als Drummer und Alejandra Diez als Keyboarderin hinzu. Im September 2012 erschien das Debüt-Album „TOY“.
Kein Indie-Punk, keine erneuter Strokes-Abklatsch – Etwas völlig anderes. Auf der krampfhaften Suche nach der passenden Schublade, werden häufig die Horrors herangezogen. Psychodelic, Krautrock und Shoegaze sind die „klassischen“ Schlagworte. Die Band selber möchte sich gar nicht kategorisieren lassen. Die fünf halten sich den Rücken frei, für jede musikalische Entwicklung.
Ich treffe Sänger Tom und Gitarrist Dominic vor ihrem Gig in Köln. Tom sieht aus wie der 15-jährige Bruder von Ian Curtis. Blass, schlaksig, die Augen meistens zu Boden gerichtet. Der bordeaux-rote Trenchcoat ist ihm etwas zu groß und er zupft unsicher an seinen Haaren. Seine Stimme dagegen ist tief und sonor. Sie will einfach nicht zu diesem schüchternen Jungen passen. Dominic erinnert mich gewaltig an Rupert Grint. Rothaarig, neugierig und er lacht viel. Und so sitzen die zwei Jungs auf einem Stockbett, rauchen Zigarillos, und es fühlt sich ein bisschen an wie Klassenfahrt.

Was ist der Unterschied zu Joe Lean & the Jing Jang Jong?

Tom: Das war nicht unsere Band. Eigentlich haben wir nur ausgeholfen, irgendwie. Jetzt schreiben wir alles selber. Das ist die Musik die wir machen möchten.
Dominic: Ja genau. Wir haben keine musikalischen Grenzen. Wir schreiben und komponieren zusammen. Wir machen das wozu wir Lust haben und wenn wir some fucking weird electronic sounds ausprobieren möchten, dann machen wir das.

Ihr schreibt und komponiert also alle fünf zusammen? Womit fangt ihr an? Mit der Melodie oder den Lyrics?

Tom: Normalerweise haben wir zuerst die Melodie.
Dominic: Dafür gibt es kein Grundrezept. Das kann so viele Einflüsse haben. Mal eine Melodie, eine Bass-Line, ein Rhythmus oder ein Gitarrenriff. Der Text kommt meistens zum Schluss, wenn wir verstanden haben welche Struktur der Song hat.

Was hört ihr aktuell für Musik?

Dominic: Bob Lind!!! Ein großartiger amerikanischer Singer-Songwriter. Der schreibt unglaublich Texte.
Tom: Heartbreaking stuff! Als wir Freunde wurden und anfingen zusammen abzuhängen, hörten wir viel Velvet Underground. Das war unsere Lieblingsband und dann natürlich New York Dolls, the Stooges, Rolling Stones. Eben das gute Zeug.
Dominic: So Zeug wie die Beach Boys und die Birds.

Wenn ich mir so die Britische und gerade die Londoner Musikszene angucke, dann fällt mir schon ein gewisses Phänomen auf. Ich nenne das „the London disease“: Ein Haufen talentierter Musiker gründet eine Band. Die sind erfolgreich, haben Fans, werden geliebt und plötzlich kommt der große Knall. Alles bricht auseinander. Die Musiker suchen sich andere Projekte und sind mit denen dann erneut erfolgreich. Habt ihr dafür eine Erklärung?

Dominic (lacht laut): Ja, ich weiß was du meinst. Viele Bands werden overhyped und brechen dann zusammen. Wir versuchen das zu vermeiden.
Tom: Ich glaube der große Unterschied in England ist, du bist wie unter einem Mikroskop. Wenn dich die Leute kennen und du deine Sache ganz o.k. machst, dann schreiben die über alles was du tust. Es wird permanent geredet und man versucht zu erklären: what’s it all about. Alles wird auseinander genommen. They really try to nail you.
Dominic: London hat auf jeden Fall seine Schattenseiten. Das was du beschrieben hast. Aber auf der anderen Seite ist es ein guter Ort, um eine Band zu gründen. In anderen Städten gibt’s bestimmt genauso viele talentierte Leute wie in London, aber in anderen Städten ist es viel schwieriger von einem Label gesigned zu werden.

Wie sieht’s aus mit Zukunkftsprojekten?

Dominic: Nächstes Jahr kommt unser neues Album. Das erste wurde am 10. September veröffentlicht und das zweite soll auch wieder im August-September rauskommen.

Nehmt ihr im Sommer die große Festivaltour mit?

Tom: Auf jeden Fall!

Funktioniert euer Sound open-air, auf großen Bühnen?

Tom: Ich glaube, dass wir in kleinen Clubs am besten klingen aber wir versuchen, mit allen Umwelteinflüssen klar zukommen. Das wird schon gehen.
Dominic: Unser Sound ist sehr dicht, sehr komplex. Es gibt viele Gegenmelodien und polyphone Kombinationen. Wir lieben die Atmosphäre in kleinen Läden. Aber bei größeren Gigs kann die P.A.-Anlage unseren Sound meistens besser handeln. Wir spielen überall gerne. Wir mögen auch den Gedanken, dass jedes Konzert anders klingt. Wenn du auf eine Band stehst und häufig auf Konzerte gehst, dann willst du vielleicht gar nicht immer wieder denselben perfekten, präzisen Sound hören.

Mal ‘ne ganz andere Frage: Welchen Film habt ihr zuletzt gesehen?

Tom: Ich hab letzte Woche diesen fantastischen Film gesehen: Lawrence of Belgravia. Ein Dokumentarfilm über den Sänger von Felt. Er hat’s nie wirklich geschafft, obwohl er so talentiert ist, eine echte Kultfigur. Es war sehr bewegend, aber auch lustig. Super Film.
Dominic: Der letzte Film den ich gesehen hab war mal wieder Clockwork Orange. Ich hab den schon so oft gesehen. All time favourite! Wir freuen uns aber auch sehr auf Crossfire Hurricane. Das wird eine sehr umfangreiche Dokumentation über die Rolling Stones. Das wird großartig!

O.k.! Endspurt! Entweder-oder? Pink Floyd oder Joy Division?

Dominic: Pink Floyd!
Tom: Aber nur das erste Album! Nur Syd Barrett! Das zweite Album ist auch noch o.k. aber den Rest kann ich nicht ausstehen. (lacht)
Dominic: Keiner von uns! Wir lieben Joy Division aber mit Syd Barrett kann keiner mithalten.

David Bowie oder Elton John?

Dominic: BOWIE!!! (kriegt sich kaum ein vor Lachen)
Tom: BOWIE!!! I can’t stand Elton John!

Die schwierigste zum Schluss: Libertines oder Babyshambles?

Dominic/ Tom: LIBERTINES!!!

Jungs! Es war mir eine Ehre!

Interview: Julia Floß
Fotos: Jens Herrndorff