Interview mit Talisco

Talisco ziert die First We Take Berlin-Poster der „French Connection“ Nacht im September. Wo man nur hinschaut, ist sein markig bärtiges Gesicht zu sehen. In seinem Heimatland Frankreich hat er bereits den Starstatus erreicht, Deutschland scheint nicht weit davon entfernt zu sein. Seine Single „Your Wish“ vom Album „Run“ wickelt in ihrer Eingängigkeit und Größe viel zu leicht um den Finger. Den Song umweht eine ordentliche Prise Enthusiasmus, das geht auch an dem Franzosen selbst nicht vorbei. Im Interview, mitsamt Dolmetscherin an seiner Seite, versucht er seine Gefühle in Worte zu fassen und zugleich auf das vorzubereiten, was von ihm noch kommen mag.

Deinen eigenen Worten zufolge geht es in deiner Musik um Freiheit. Gibt es davon mehr in deinen Songs als in deinem alltäglichen Leben?

Ja, denn in meinem Alltag stellt es sich als schwierig dar immer frei zu sein und nur das zu tun, was ich möchte. Darum bedeutet es mir viel, dieses Gefühl in die Musik zu überführen. Es ist wichtig sich mental frei zu fühlen. So lange ich in meinem Kopf keinerlei Restriktionen habe, kann ich auch auf eine komplette Entfaltung in der Realität verzichten.

Inwiefern hilft die Klarheit der englischen Sprache bei deinem Wunsch nach Freiheit in deiner Musik?

Zunächst einmal ist mein Englisch nicht sehr gut. Trotzdem ist es für mich sehr einfach, die richtigen Worte in dieser Sprache zu finden. Weil ich keinen großen Wortschatz habe, ist es automatisch direkt. Mit den wenigen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, erreiche ich viel. Ich muss von vornerein sehr geradlinig an die Arbeit und an das Formulieren von Songtexten herangehen.

Es scheint ganz so, als würde diese Art von Geradlinigkeit sich auch gut an deine Liebe zur Routine anschmiegen.

Auf jeden Fall. Aber jeder braucht doch hin und wieder ein bisschen Routine im Leben. Wenn auch nicht zu viel davon. Denn dann wird es schwierig die Persönlichkeit und Kreativität freizusetzen, wenn man immer nur dem Gewohnten nachgeht. Leider ist es für mich im Moment nicht möglich eine richtige Routine zu entwickeln, weil ich aktuell so viele Konzerte und Interviews gebe und jeden Tag woanders bin…

Fällt es dir leichter deine Gefühle in Worte oder in Melodien zu verpacken?

Definitiv in Melodien. Emotionen in Texte zu verpacken, erweist sich generell schon als ein kompliziertes Unterfangen. Aber in dem Stück „So Old“ ist es mir doch sehr gut gelungen. Obwohl ich gestehen muss, dass ich den Song nicht live spielen kann, weil er so gefühlsbetont ist. Das geht absolut nicht. Weil er so dermaßen traurig für mich ist. Einmal habe ich versucht das Lied bei einem Konzert zu spielen und das war schlimm… Ich musste ganz schön schlucken. Weil es in dem Lied darum geht, dass geliebte Menschen sterben werden. Enge Vertraute, wie Eltern, Geschwister und Freunde. Es geht um den Moment, wenn du jemanden anschaust und siehst, dass dieser dir nahestehende Mensch bald sterben wird. Das ist schon hart… Aber meine Oma sagte immer: „Alles ist in Ordnung. Es gibt nichts Schlimmes.“ Das ist das Einzige, was mich aufmuntern kann und mir auch den Mut gibt all das zu tun, worauf ich Lust habe. Ich will keine Angst haben, sondern mein Leben aktiv leben. Wenn ich etwas möchte, dann hole ich es mir auch. 

War das schon immer so?

Nein, ich habe mich schon verändert. Aber ich wusste trotzdem immer, dass nichts passiert, wenn man nur auf seinem Sessel sitzen bleibt und auf etwas Neues wartet. Zum Beispiel habe ich eigentlich nicht sehr viel Selbstvertrauen. Doch um aktiv zu bleiben, gebe ich mir immer wieder neue Aufgaben, um weiterzukommen. Aber manchmal lässt mich die Angst vor dem Verlust von geliebten Menschen regelrecht erstarren.

Um gegen dieses Gefühl anzukämpfen, würde ich jeden nur möglichen Tag versuchen mit genau diesen Menschen Zeit zu verbringen. Aber du bist permanent auf Tour. Wie passt das zusammen?

Das geht für mich schon in Ordnung, so lange ich weiß, dass die mir wichtigen Personen gesund sind. Dass es ihnen gut geht. Außerdem mag ich nicht nur an einem Ort und einer Stelle sein. Wenn ich mich nicht physisch und mental fortbewege, bin ich schnell gelangweilt. Ich muss Träumen können. Und wenn ich auf einem Fleck bleibe, ist eine Sache weniger neu und ich habe weniger Lust auf sie.

Was willst du als nächstes ausprobieren?

Ich will mich mehr am Piano ausprobieren. Denn ich liebe große Melodien und ich will auch sehr bald ein weiteres Album machen, da könnte das zum Einsatz kommen.

Was hält dich vom Arbeiten ab?

Liebe, Emotionen… Das ist wie bei allen Künstlern. Man arbeitet genau damit, aber es kann auch hinderlich sein. Aber am Ende ist insbesondere Herzschmerz immer gut in der Musik, oder?

Interview und Fotos: Hella Wittenberg