Interview mit Sorry Gilberto

Anlässlich des Erscheinens ihres dritten Longplayers „Construction Work and Stormy Weather“ (Goldrausch Records), und kurz vor Beginn ihrer von uns präsentierten Tour,  traf ich Sorry Gilberto zu einem ausführlichen Interview. Geladen haben wir uns ins in die Raucherlounge des „Lass uns Freunde bleiben“, also konnte ja kaum noch was schief gehen. So machten es sich neben mir also noch Anne von Keller und Jakob Döbers gemütlich und erzählten von Manigfaltigem.

Hallo ihr zwei. Nun ist sie also endlich da, die neue Platte, das heißt so ganz noch nicht, denn Erscheinungsdatum ist ja erst Ende Oktober…

Jakob: Genau. Eigentlich ist alles fertig, aber Release ist erst am 26.10.2012 und die große Releaseparty ist am 12.10.2012 im Marie-Antoinette hier in Berlin.

Und schon wieder so ein langer Titel.  Und schon wieder eine Zeile eines Liedes aber kein Titel eines Songs. Hat das irgendeine Bewandtnis?

Jakob: Das stimmt so ja nicht. Die erste Platte hieß ja nur „Memory Oh“ und das war ja ein Titel der Platte. Danach sind wir davon abgewichen, das stimmt.
Anne: Wir sind auch schon kürzer geworden. Bei unsere letzte Platte „It was the longest day and we didn`t know how to end it” haben wir auch lange überlegt ob wir das machen können, aber die Platte musste so heißen, ging einfach nicht anders.

Na gut, und könnt ihr den aktuellen Titel „Construction Work and Stormy Weather“ irgendwie erklären?

Jakob: Erklären würde ich ihn gar nicht wollen, aber ich könnte sagen dass er, also der Titel  diesmal sehr früh fest stand.
Anne: Wir hatten noch nie so früh den Titel. Viel früher als wir  die Songs hatten.

So wie bei Bands von 16-jährigen die sich erst mal einen geilen Namen überlegen, und dann mal gucken ob sie auch noch Musik machen?

Jakob: (lacht) Genau. Ich meine, alle wirklich großen Bands haben sich erst mal einen Namen gesucht. Das ist das Wichtigste…naja…und natürlich hilft es auch so eine Klammer zu haben. Bei allem weiteren. Ich glaube das verändert auch nochmal die Arbeit wenn du weißt in welchem Rahmen es später gehört. Wie ein Faden der sich durch alles zieht. Dann ordnest du nochmal neu die Sachen. Und natürlich machen die Begriffe auch was auf…
Anne: Außerdem hat es tatsächlich gestürmt an dem Tag.

Aber ihr befandet euch nicht in einer Baustelle gerade?

Anne: Die ist ja immer da…
Jakob: Die Songs der Platte sind eben auch sehr unterschiedlich. Dazu passte dieses Bild von einer Baustelle.

Wie würdest du die Songs in dieser Unterschiedlichkeit den beschreiben? In euren Pressetexten und in manchen Rezensionen tauchen immer so komische Begriffe auf. Z.B. „Kleinteilig“. Was soll das heißen? Pink Floyd sind dann „Großteilig“, oder wie?

Jakob:  Ja, gute Frage…Kleinteilig meint wohl in erster Linie, dass wir von dem was in den Songs so los ist, doch überschaubar bleiben. Obwohl es diesmal schon mehr als sonst bei uns gibt. Streicher standen ziemlich früh fest, und Schlagzeug ist auch bei einigen Songs dabei. Aber du hast recht, kleinteilig würde ich das auch nicht nenne. Wir wollten dieses mal einfach etwas mehr an Instrumenten.
Anne: Es gab jetzt aber nicht den konkreten Plan: Das muss jetzt größer werden. Das hat sich ergeben, weil wir eben auch Leute kennen und schätzen die zum Beispiel die Streicher oder Schlagzeug beigesteuert haben. Aber immer unter der Prämisse dass es für uns zu zweit auch live spielbar bleibt, das ist uns extrem wichtig.

Habt ihr denn so was wie Wünsche wie die neuen Sachen aufgenommen werden, wolltet ihr bestimmte Seiten zeigen die bis jetzt kaum zu hören waren?

Jakob: Naja, das ist ja immer schwierig zu sagen was man vom Hörer erwartet. Aber eben „Stormy Weather“..das passt schon. Es geht rauer zu als zuletzt. Ruppiger vielleicht. Also wo Leute früher vielleicht mal gesagt haben: „Ach  ja, niedlich die Musik“, das ist die neue Platte nun wirklich nicht. Klar, manchmal verspielt, aber eben nicht niedlich. Letztlich ist, glaube ich, die einzige Erwartung dass die Leute sich die Platte wirklich anhören, nicht so nebenbei sondern ein, zwei Mal auch bewusst.

Mit Erwartungen meinte ich auch noch eure Erwartung an den Erfolg. Das ist eure dritte Platte, und ist es euch da wichtig auch in der Wahrnehmung noch mal eine Stufe höher zu gehen, oder kann es letztlich auch bei den 200 Leuten bleiben die hier in Berlin z.B. zu eurem Konzert kommen würden ?

Anne: Natürlich wünschen wir uns so was wie Erfolg, oder eben Wahrnehmung, aber erwarten kann man so was nicht. Also wir hätten nix dagegen..
Jakob: Und wir tun ja auch was dafür. Also mit unseren Mitteln, die zu uns passen. Wir konnten uns schon immer vorstellen auch größer zu werden. Aber es darf uns nicht verlieren dabei. Das war uns immer wichtig. Natürlich Erfolg zu haben mit der Musik, aber nie in irgendwas zu landen das wir nicht mehr unter Kontrolle haben, und was auch nicht zu uns passen würde…

ZDF Sommergarten also nicht?

Jakob: (lacht) Na ja, das wäre sogar schon wieder interessant…wahrscheinlich. Wir haben ja mal drüber gesprochen dass du die fetten Youtube Klicks eigentlich nur hast, wenn du wenigstens einmal den Schulhof kriegst. Dann geht`s los…und die Erwartung haben wir nun bestimmt nicht.

Also kein Schulhof-Hit dabei.

Jakob: Nee, ganz viel, aber kein Schulhof-Hit. Wir sind eben auch nicht Cro oder so. Erwartungen…nee, also wie gesagt. Dass die Leute sich Zeit lassen beim Hören. Wir haben da ne Menge Liebe reingesteckt, und die sollten die Leute irgendwie dann auch wahrnehmen.

Ein Thema, z. B. in „The Jury“ oder früher in „Dear Akademie“ ist die Bewertung des eigenen Lebens von außen. Ist euch so eine Bewertung von außen bewusst?

Anne: Naja, es geht glaube ich nicht um die Konkrete Bewertung einer Person von außen, sondern um diesen Moment mal aus sich rauszutreten und sich selbst anzuschauen…
Jakob: Genau. Gerade wenn du bisschen älter wirst gibt es ja immer mal Momente, in denen du dich mal neben dich stellst und dir anschaust was eigentlich mit dir passiert ist in deinem Leben, wer du geworden bist mit der Zeit und wer eben auch nicht.

Das ist ja nicht immer ein schöner Moment…

Jakob: Auf keinen Fall. Das kann auch extrem schmerzhaft sein. Und trotzdem sind es die Momente in denen du deine Identität erkennst. Selbstbewusst wirst mit der Zeit, weil du akzeptierst was du eben nicht bist, und nicht kannst. Aber auch siehst, was du kannst und geschafft hast mit deinen ganz eigenen Mitteln und Wegen.

„Mittel und Wege“ ist ein gutes Stichwort. Die Aufnahmen sind zu großen Teilen ja in deiner Küche entstanden, Anne. War das eine bewusste Entscheidung? Hatte es mit der Akustik zu tun?

Anne: Es war beides. Zum einem hat die Küche einen schönen Hall, wir proben da ja auch die ganze Zeit und mögen die Akustik da sehr. Zum anderen hat es auch was mit der Athmosphäre zu tun. Ich habe schon eine leichte Studiophobie. Dem Gesang hat es auf jeden Fall gut getan, in vertrauter Umgebung aufzunehmen. Die Anspannung ist natürlich auch da wenn du weißt dass es aufgenommen wird, aber es ist viel besser dort.

Dann mal zu dem was andere so über euch sagen…Was immer wieder kommt ist neben dem Begriff „Kleinteilig“ die Beschreibung „Antifolk“ oder „Urbanfolk“. Was meint das?

Jakob: Klar das sind so Label…Folk erst mal würde ich sogar unterschreiben, wenn es heißt Geschichten zu erzählen. Was Folk ja auch ausmacht. „Antifolk“ kommt dann ja eher aus der Haltung dahinter, in New York haben Folkbands irgendwann angefangen andere Wege zu gehen, andere Themen zu haben…das kommt dann aus einer DIY Herangehensweise. Peaches oder letzlich sogar Jonathan Richtman wird da ja auch zugeordnet, und all diese Bands sind schon auch unser Hintergrund. Grade auch von der Haltung.

Oft wird in diesem Zusammenhang auch von der „Berliner Szene“ gesprochen. Empfindet ihr euch als Teil davon?

Jakob: Ja letztlich schon. Wir sind jetzt keine große Familie, und es gibt Bands in diesem Bereich die noch mehr Socialising machen da, aber es gibt schon einige befreundetet Bands oder Leute, die einem helfen. Oder man unterstützt sich beim Booking, stellt sich Sachen zur Verfügung. Also es gibt bestimmt Musikszenen wo weit mehr Konkurenz herrscht. Insofern ja.

Gut, dann sei abschließend noch gesagt, dass ich die neue Platte sehr, sehr gerne mag. Sowohl die zarteren Stellen als auch die Raueren. Ich hab sie bewusst gehört aber auch ein paar Mal nebenbei und muss sagen: funktioniert beides. Also vielen Dank für das Gespräch und euch viel Glück in den nächsten Wochen bei all den PR Sachen, die nun anstehen.

Anne: Danke. Euch auch alles Gute!

Interview: Marcus Reinhardt