Interview mit SAM

SAM_Pressebild_1_web_Julian_SchröpelDrei Jahre lang war es eher ruhig um die beiden Brüder Chelo (DJ) und Samson Wieland (Rap) aus der oberschwäbischen Kleinstadt Ochsenhausen. Mit ihrem zweiten Album „Kleinstadtkids“ meldet sich das Rap-Duo SAM nun eindrucksvoll zurück. Im Interview verraten mir die beiden unter anderem, was für sie Heimat ausmacht, wie es zu der Zusammenarbeit mit Matthias Schweighöfer gekommen ist, und sie offenbaren ihre größten Stärken und Schwächen.

Am 3. März wird euer zweites Album „Kleinstadtkids“ veröffentlicht. Mit was für Gefühlen durchlebt ihr diese aufregende Zeit kurz vor dem Release?

Sam: Wir haben drei Jahre auf das Album hingearbeitet. Daher kommen einem die verbleibenden Tage bis zum Release so vor, als wären es nur noch Sekunden. Man hat gar keine Zeit mehr, aufgeregt zu sein. Wir sind uns zudem sehr sicher, dass das Album gut geworden ist und vielleicht ist das auch mit ein Grund, weshalb die Aufregung nicht ganz so groß ist. Nichtsdestotrotz ist es natürlich sehr spannend. Es fühlt sich wirklich an, als hätte man ein Baby groß gezogen, das man jetzt endlich den Leuten vorstellen kann.

Du hast es gerade erwähnt. Euer erstes Album „TTB“ ist 2014 erschienen, danach ist einiges passiert: Ihr seid relativ hoch gechartet und wart mit Cro auf Tour. Wie seid ihr denn an das zweite Album nach all dem Trubel herangegangen?

Sam: Ich muss sagen, beim ersten Album war der Gedanke, dass es gut sein muss viel intensiver als dieses Mal. Denn beim zweiten Album wollten wir einfach wieder genau das machen, was uns ausmacht und geprägt hat – Und das war einfach die Kleinstadt. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, zurück zu den Wurzeln zu gehen und ein Album über unsere Herkunft, über Ochsenhausen zu schreiben. Wenn man so an ein Album herangeht, fällt einem alles gleich viel einfacher. Denn man erzählt nur Echtes, jede Geschichte beruht auf tatsächlichen Erlebnissen. Ähnlich war es bei den Instrumentals, wo Chelo stark involviert war. Auch hier haben wir uns gesagt: Wenn wir ein echtes Album schreiben wollen, dann soll auch die Musik echt sein. Wir haben also alle analogen Instrumente eingespielt, weil es uns wichtig war, dass das ganze Bild stimmig ist.

Und wie sind dann die Songs konkret entstanden? Was entsteht bei dir zuerst, die Texte oder die Musik? Gibt es da ein bestimmtes Schema?

Sam: Man kann jetzt nicht sagen, dass es tatsächlich immer hundertprozentig gleich abläuft. Aber ich habe entdeckt, dass es für mich besser ist, wenn erst die Musik da ist und dann der Text folgt. Beim neuen Album haben wir immer mit einer Idee für die Instrumentals begonnen, haben dann eine Melodie darauf gelegt und als letztes kam der Text. So fühlt sich für mich das Zusammenspiel besser an.

Der Titel eures neuen Albums „Kleinstadtkids“ gefällt mir gut. Tatsächlich ist es ja so, dass man sich immer nach der Großstadt sehnt, wenn man als Teenager in einer kleinen Stadt aufwächst, weil man sich dort weg vom Schuss und abgeschieden fühlt. Ihr seid dann ja auch beide weggezogen in größere Städte, Sam nach Berlin und Chelo nach München. Wie seht ihr das Großstadtleben jetzt?

Sam: Es gab ja einen Grund, warum wir weggezogen sind aus Ochsenhausen. Wir wollten ein Album über die Kleinstadt machen und wie sagt man so schön? Im Norden ist der Süden am Schönsten. Ich wollte einfach raus, um dieses ganze Kleinstadt Ding aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. So denkt man plötzlich an Dinge, die man in der Vergangenheit gehasst hat, die man jedoch plötzlich vermisst und liebt. Oder es fallen einem Kleinigkeiten auf, die man davor gar nicht bemerkt hat und so war es dann für uns viel schöner von der Großstadt aus über das Kleinstadtleben zu schreiben.

Im Prinzip geht es ja auch genau um dieses Thema in eurem Song „Love You“, der eine Hommage an eure Familie, an eure Heimat und an Ochsenhausen ist. Was ist denn für euch Heimat?

Chelo: Heimat ist für mich definitiv Familie. Und da zählt natürlich auch der Freundeskreis mit rein. Wenn man nach Hause kommt und weiß, es ist jemand da. Ich muss sagen, ich kann mir zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr vorstellen, durchgängig in Ochsenhausen zu wohnen, aber ich fühle mich dort einfach jedes Mal wenn ich zurückkomme wohl. Heimat ist für mich Familie.

In Ochsenhausen hat für euch alles begonnen, ihr habt dort zum ersten Mal Musik gemacht. Wie hat sich das alles entwickelt?

Sam: Wir haben früh klassische Instrumente gelernt. Chelo hat mit 6 Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen und ich im gleichen Alter Gitarre. Da bei uns zu Hause sehr viele Instrumente herumlagen, habe ich dann irgendwann auch Schlagzeug und Chelo Piano gelernt. Klavier habe ich mir dann später selbst ein bisschen beigebracht. Es ging auf jeden Fall früh los, war aber zunächst alles sehr klassisch gehalten. Mit 12/13 hat Chelo dann mit einem Hip Hop Musical angefangen. Während er sich immer mehr für DJing interessierte war mir klar: Ich muss rappen. Da Chelo und ich ständig verwechselt wurden, wollte ich zudem etwas anderes machen als er um das nicht noch mehr zu forcieren.

Und wann wurde dir dann klar, dass es mehr ist als nur ein Hobby?

Sam: Eigentlich ist es für uns ja immer noch ein Hobby. Aber als ich in Ilmenau studiert habe, habe ich zwei bis drei Songs aufgenommen und an Chelo geschickt. Er fand sie so gut, dass ich zu ihm gefahren bin und wir ein ganzes Mixtape aufgenommen haben. Wir haben die entstandenen Songs in YouTube hochgeladen und plötzlich haben sich die Plattenfirmen für uns interessiert. Das war das erste Mal das ich mir dachte: „Vielleicht sollte ich mich doch gegen den akademischen Weg und für den künstlerischen entscheiden…“ Und das habe ich dann auch gemacht.

Sam, du bist auf dem Debütalbum von Matthias Schweighöfer „Lachen Weinen Tanzen“ als Feature bei dem Song „Auf uns zwei“ zu hören. Wie ist es denn dazu gekommen und wie war die Zusammenarbeit?

Sam: Wir sind jahrelange Freunde… (lacht) Der Kontakt kam über seine Managerin zustande, die ich gut kenne. Sie waren noch auf der Suche nach einem Rap-Part für diesen Song. Es war damals noch nicht ganz klar, ob das Lied überhaupt aufs Album kommt. Aber mein Rap ist so gut angekommen, dass es der Song tatsächlich aufs Album geschafft hat. Später habe ich mich dann noch mit allen getroffen habe und wir waren auch nochmal im Studio und haben alles neu aufgenommen mit einer Liveband. Für mich war das echt eine krasse Sache, weil es ein Riesenstudio war und da steckt ja auch einiges an Geld dahinter, Es war auf jeden Fall eine super Erfahrung.

Dann ist es auch spannend zwischendurch solche Sachen parallel zum eigenen Projekt zu machen?

Sam: Ja, denn es macht extrem viel Spaß. Ich schreibe auch viel für andere Künstler. Und die Zusammenarbeit mit Matthias war super, weil er einfach ein total lieber Typ ist. Er schätzt es auch wirklich, dass wir da am Start sind. Er hat unsere Musik auch schon davor gehört und konnte und genau sagen, welche Songs ihm gefallen und welche eher nicht. Das fand ich schon verrückt, dass sich so ein Typ dann tatsächlich unser Mixtape oder unser erstes Album angehört hat.

Was habt ihr denn dieses Jahr für Träume und Ziele?

Chelo: Das Wichtigste für uns in 2017 ist, das Album auf der Bühne zu präsentieren. Aber das macht uns ja auch Spaß, eine Tour oder Festivals zu spielen. Das Schöne daran ist, dass man da das direkte Feedback von den Leuten bekommt. Darauf arbeitet man eigentlich immer drauf hin, denn erst live bekommt man das Gefühl, dass die Platte auch tatsächlich dope ist. Außerdem gibt es immer witzige Geschichten, die auf Tour passieren.

Live ist es ja auch immer nochmal komplett anders als auf Platte…sowohl für die Fans als auch für euch.

Sam: Das Verrückte ist: Man haut eine Platte raus und die Leute hören sie noch tausende Kilometer weit weg und man weiß gar nicht genau, was sie davon halten. Bei einem Liveauftritt bekommt man die Reaktionen hingegen direkt mit, man spürt es dann ganz anders und kann es in den Blicken lesen, wie ein Song ankommt.

Wie stellt ihr euch denn einen perfekten Tag vor?

Sam: Wir haben jetzt ja drei Jahre lang an unserer neuen Musik gearbeitet. Daher wäre der perfekte Tag für uns endlich mal wieder mit allen Freunden auf ein schönes Festival zu gehen, dort dann spielen und Spaß haben, gutes Essen, ein bisschen was trinken – eine optimale Kombination von Spaß und „Arbeit“.

Habt ihr aktuell Musiker oder Bands, die ihr total abfeiert oder die euch vielleicht sogar ein bisschen inspirieren?

Sam: Also bei mir ist das J. Cole. Ich bin ein riesen Fan und sein Album hat mich auch sehr inspiriert. Ich finde ihn und seine Art Musik zu machen grandios.

Chelo: Ich höre gerade sehr viel Future, insbesondere den Song „Mask off“, der läuft bei mir on repeat.

Welche Schlagzeile würdet ihr gerne mal über euch lesen, wenn ihr morgens am Kiosk vorbeilauft?

Sam: „Sam hat eine Affäre mit Sara Nuru“ (lacht)

Chelo: „Sam heiratet Sara Nuru“(lacht)

Ihr seid Brüder und kennt euch also sehr gut. Was würdet ihr sagen, ist die größte Stärke des jeweils anderen? Und vielleicht möchtet ihr uns ja auch noch eine kleine eigene Schwäche verraten.

Sam: Ich finde es einfach toll, dass ich einen großen Bruder habe, mit dem ich alles teilen kann. Größte Schwäche? Seine Eitelkeit vielleicht. Mit seinen Haaren ist das ganz schwierig. (beide lachen)

Chelo: Ich darf mit den Schwächen anfangen, oder? (lacht) Der größte Vorteil ist, dass ich mit meinem Bruder gemeinsam Projekte umsetze, dass wir uns dabei zu 100% vertrauen können. Wir können einfach ehrlich und entspannt über alles reden, auch wenn uns das Leben mal auf den Sack geht. Die größte Schwäche ist wohl, dass er ein bisschen verballert wirkt, aber das wird schon, ich war früher auch mal so…

Sam: Das kommt vom Albumstress.

Danke für das Interview und viel Erfolg mit dem neuen Album!

„Kleinstadtkids“ ist am 03.03.2017 bei Chimperator Productions erschienen.

Interview: Marion Weber

Foto: Julian Schröpel