Interview mit Prag

Erik Lautenschläger, Tom Krimi und Nora Tschirner bilden zusammen das Trio Prag. Um ihre noch recht junge Band vorzustellen, luden sie Ende 2012 in der Kegelbahn Wedding zum Gespräch. Sobald man diesen urigen Ort betritt, hört man auch schon Nora Tschirner singen. Sie gibt gerade einen Song von Roxette zum Besten und versichert, dass diese Band einen großen Einfluss auf die nächste Platte von Prag haben wird. Alle lachen. Generell wird in und mit dieser Band ausgedehnt und viel gelacht. Egal, ob es sich thematisch um ihren musikalischen Background, die Texte oder um den Wunsch eines Konzertortes handelt. Prag sind verdammt gut drauf. Wen wundert es auch? Ihr Erstlingswerk „Premiere“, welches im Januar 2013 erscheint, ist ein liebevolles Gesamtkunstwerk, auf dem jedes einzelne Stück so besonders und pompös zugleich klingt, dass es auch wunderbar auf den Soundtrack eines Oscar-Gewinnerfilms passen würde.

Wie seid ihr zur Musik gekommen?

Erik: Ich habe meiner Schwester eine Gitarre geschenkt und sie spielte nicht darauf. Die Gitarre stand also im Nachbarzimmer herum bis ich begonnen habe darauf Lieder zu spielen, zum Beispiel von Leonard Cohen oder Neil Young. Da war ich zwölf oder vierzehn Jahre alt. Ich war auch ganz lange im Chor und habe zu jedem Lied, was nicht bei drei auf dem Baum war, gesungen.

Tom: Ich wurde als letztes von drei Kindern in eine Familie hineingeboren nur um das häusliche Streichquartett zu komplettieren. Das musste ich ein paar Jahre ertragen bis ich es schaffte meine Pubertät dazu zu benutzen um mich dagegen aufzulehnen und damit aufzuhören. Ein Jahr später gaben sie mir eine Gitarre, weil sie es nicht mit ansehen konnten, dass ich gar nichts mache. So wurde das Ganze noch mal in die richtige Richtung gedreht.

Nora: Ich habe mit sechs angefangen Klavier zu spielen und habe das zwei Jahre in der Musikschule mit mäßigem Erfolg gemacht. Ich war nicht sonderlich versessen aufs Üben. Und dann kam das Testosteron in mir durch. Denn die Jungs fangen ja alle mit dem Gitarre spielen an damit sie so die Mädchen beeindrucken können. Ich dachte mir: das kann ich auch! Was natürlich totale Idiotie war, weil ich gar keine Mädchen beeindrucken wollte und Jungs sehr unbeeindruckt sind, wenn man klassische Gitarre spielt.

Nora und Erik, was war der Reiz am Mitmachen beim schulischen Chor?

Erik: Es war ein wirklich cooler Schulchor. Fast alle, die in einer Band gespielt haben, waren auch im Chor. Wir waren die Lässigen.

Nora: Als man in der zehnten Klasse alt genug war, um in den großen Chor zu kommen und nicht mehr in dem weniger guten kleinen Chor sein musste, wollte man da unbedingt rein. Weil dort die ganzen coolen Jungs und Mädchen waren. Wir haben mal Bach dann wieder „California Dreamin’“ von The Mamas & The Papas oder auch Gospel gesungen. Man hatte richtig Bock auf diese Mischung. Wir hatten dieses Jahr auch 20-jähriges Chor-Jubiläum und sind im Konzerthaus am Gendarmenmarkt mit Orchester und ungefähr 200 Leuten aufgetreten. Das hat richtig geknallt.

Tom: Darum beneide ich euch richtig. Wir hatten nur so eine coole Ballettgruppe.

Wann war klar, dass es ein gemeinsames Projekt von euch geben wird?

Erik: Letztes Jahr haben wir das beschlossen. Die Erik & Me Platte war gerade abgeschlossen und ich hatte ein bisschen Luft für etwas Neues. Ich bin dann mit meinen Liedern, die da noch irgendwie geschlummert haben, zu Tom gegangen. Wir kennen uns schon Ewigkeiten aus der Berliner Indie-Musikszene und jeder hat für jeden schon mal etwas gemacht. Als es diesen Stapel von Liedern gab, dachten wir, dass es der richtige Anlass sei um es mal zusammen zu probieren.

Ist der Gedanke an das Geld verdienen prominenter wenn man alles im Alleingang auf die Beine stellt?

Nora: Geld spielt eine größere Rolle, wenn man für etwas verantwortlich ist. Das Denken strukturiert sich um. Wenn ich Geld verdiene, denke ich hauptsächlich an Prag. Dabei glaube ich nicht, dass wir alles wieder reinholen werden, wenn die Platte draußen ist. Das wäre zwar toll, aber ich finde, man muss aufpassen, dass man so nicht denkt. Dann gerät man in Zugzwang. Man sollte versuchen anders zu planen und so tun als wäre das Geld in den Gulli gefallen. Nur so funktioniert es. Schon beim Entstehungsprozess denkt man natürlich daran, dass ein größerer Geldbetrag super dafür wäre, um noch eine Messerspitze raufzuhauen oder sich noch ein Konzert leisten zu können.

Erik: Gerade bei diesen umfangreichen Arrangements, die wir haben, würde man schon gerne mal mit einen großen Orchester auftreten. Nur setzt sich ein Orchester nicht freiwillig hin und spielt unentgeltlich.

Nora: Bei unseren Konzerten sind wir zu zehnt auf der Bühne und das muss auch irgendwie bezahlt werden.

Erik: Da kriegt so eine Konzertgröße eine komplett andere Dimension. Wenn man als Indie-Band zu viert auf der Bühne steht und 500 Leute vor einem sind, freut man sich. Aber jetzt klingt das gleich ganz anders.

Nora: Das Geld verdienen ist daran gar nicht mal so das Thema wie nicht zu viel Geld zu verlieren. Wir würden gern weitermachen und investieren extrem viel dafür.

Denkt ihr zuerst an euch?

Tom: Mit dem Gedanken das für andere zu machen, hätte ich wahrscheinlich schon vor zwanzig Jahren aufgehört. Es ist immer eine Form von Selbstbespaßung und Therapie.

Nora: Nur so kommt es von einem sinnvollen Ort in einem. Ich habe auch MTV so moderiert. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass in dem Augenblick Leute vor dem Fernseher sitzen. Das war mir viel zu abstrakt. Es geht immer nur maximal um die Leute, die gerade im Raum sind und das ist das Wichtigste daran. Dabei können auch Sachen entstehen, die für andere funktionieren.

Dabei ist die Frage wie viel Kritik man ertragen kann.

Nora: Je mehr man weiß, warum man etwas gemacht hat und warum es einen selber gefällt, desto besser kann man Kritik aushalten. Wenn sie konstruktiv ist, nimmt man sich etwas davon heraus und nutzt es für die Zukunft. Wenn sie hämisch und negativ ist, prallt sie eher ab.

Tom: Die Frage bei Kritik ist doch, ob man danach fragt. Meist wird uns die Kritik einfach zugeworfen. Ob wir sie auffangen, ist immer so eine Frage. Wenn man nach Außen schielt, wartet man darauf gerichtet zu werden. Wir richten uns lieber selber und deshalb greift es uns nicht in unseren Grundfesten an, was Leute über uns sagen.

Erik: Natürlich ist positive Kritik toll. Als wir die guten Reviews zu unseren Konzerten gelesen haben, freuten wir uns schon sehr darüber.

Wie persönlich müssen die Geschichten in den Songs sein?

Erik: Es handelt sich um Persönliches, aber auch um viele Beobachtungen. Die Texte sind über einen ziemlich langen Zeitraum entstanden. Manche hatte ich sogar schon in ganz frühen Erik & Me Zeiten geschrieben und die haben nur darauf gewartet ein Kleid zu bekommen wie das, was Tom dann entworfen hat. Ich finde es schön, dass die Texte immer noch funktionieren.

Tom und Nora, inwiefern funktionieren Eriks Texte für euch?

Tom: Ich hatte immer große Schwierigkeiten mit deutscher Sprache in der Musik und habe selber auch nur englischsprachige Musik gemacht. Erik ist der erste Sänger und Texter, der es schafft diese Sprache zu benutzen, so dass ich es toll finde. Auch vielen nichtdeutschen Freunden von mir geht es so. Von daher ist die Identifikation sehr hoch.

Nora: Die Texte sind sowohl inhaltlich als auch von der Lautmalerei her toll. Diese Kombination mochte ich von Anfang an.

Unterliegt die Homogenität eures Albums einer genauen Planung oder ist sie eher Nebeneffekt?

Erik: Es ist so, dass wir uns bestimmte Sachen verboten haben. Wir dachten uns, wenn wir diese Indie-Songs in die Zeitspanne der 50er, 60er Jahre einhüllen, dann können wir auch bestimmte Instrumente nicht spielen. Dadurch kommt etwas sehr Homogenes zustande. Tom ist aber auch streng. Nora und ich wären da nur halb so streng gewesen und hätten vielleicht auch mal einen kleinen Folksong durchgehen lassen.

Wer ist in der Band die Person, die am schonungslosesten die Wahrheit sagt und das auch darf? 

Nora: Jeder. Das ist das Gute. Sonst geht es auch nicht. Wir können uns nicht mit Befindlichkeiten aufhalten. Wir sind alle an einem guten Ergebnis, sowohl menschlich als auch musikalisch, interessiert. Bei uns gibt es einen sehr stimmigen Bandgeschmack.

Tom: Es geht auch darum wie man die Wahrheit sagt und wir verstehen uns sehr gut darauf eher das Zuckerbrot anstelle der Peitsche zu benutzen.

Woher kam der Gedanke eure Faszination für die 50er und 60er Jahre in Musik umzuwandeln?

Erik: Die Faszination geht nicht von der spießigen Nachkriegszeit der 50er Jahre aus, sondern von dem, was in der Musik zu der Zeit abging. Gerade in den Bereichen, die wir bespielen. Also deutscher und englischer Schlager. Ich liebe zum Beispiel Scott Walker. Diese unfassbaren Riesenarrangements und dazwischen so ein schwülstiger Sänger. Das fand ich schon immer toll. Mir gefällt auch die Intelligenz in der Musik, die von den Menschen ganz normal als Popmusik aufgenommen wurde. Die Leute haben damals Jazz als Popmusik gehört! Das muss man sich mal reinziehen, was da alles Pop war.

Tom: Wie offen und mutig die Leute damals waren. Es fasziniert uns zum Beispiel wie sie mit Filmmusik umgegangen sind. Wenn man sich die Musik außerhalb des Films vorstellt, würde man wohl sagen, dass das überhaupt nicht geht. Aber mit dem Bild kann es eine Information sein, die einem warm den Rücken runtergeht. Dieser Mut und die Offenheit in Bezug auf den noch nicht so festen Popbegriff haben uns sehr stark beeinflusst.

Nora: Die Faszination richtet sich eher auf die Kunst als auf den Durchschnittsbürger oder die gesellschaftliche Norm. Uns interessiert das, was damals herausragend war. Heutzutage inspirieren auch die Leute, die hervorstechen. Es geht nicht um die Musik, die damals die ganze Zeit lief, sondern um die großen Perlen in all den Geschichten. Modisch, künstlerisch, filmisch und musikalisch.

Wie rundum positiv ist euer Eindruck von Prag?

Erik: Wenn ich an den Prager Frühling denke, ist das eine weniger positive Geschichte.

Nora: Natürlich kann man jetzt alles Geschichtliche aufzählen, aber für mich ist es sehr positiv bewertet, wenn ich den Namen höre. Weil ich dabei an unsere Band und eine wunderschöne Zeit in dieser Stadt denke. Ich assoziiere damit eine große Wärme und Melancholie.

Tom: Und was die Tschechen an Kinderfilmen geschaffen haben! Das ist ein großartiger Kosmos. Meine Generation ist geprägt von „Pan Tau“ und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.

Erik: Wir haben uns dort immer wohl gefühlt. Die Architektur der Stadt, das Art Deco, die Kaffeehauskultur lieben wir sehr.

An welchem Ort in Berlin würdet ihr gern einmal auftreten?

Erik: Der Admiralspalast ist ein schöner Ort. Oder der Heimathafen. Ich würde aber auch gern in klassischen Konzerthäusern spielen.

Nora: Ich würde am liebsten im Friedrichstadtpalast spielen. Oder auf der MS Europa, wenn sie denn mal nach Berlin kommt. Es wäre toll auf einem Kreuzfahrtschiff in einem großen Saal aufzutreten.

Tom: Ja, aber ich hätte auch nichts gegen die Philharmonie. Endlich mal wo spielen, wo es gut klingt.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg