Interview mit Miss Platnum

Als ich Miss Platnum treffe um mit ihr über ihr neues Album „Glück und Benzin“ zu reden, ist der Frühling noch in weiter Ferne. Draußen herrscht Blitzeis, Berlin schlittert sich durch den Tag. Miss Platnum zeigt sich davon unbeeindruckt, sie trägt bombastische Plateauschuhe. Im Zimmer ist es muckelig warm und wir reden über Musik. Balkan, Electro, Chansons, eben über all das, was Miss Platnum und ihr überraschendes, neues Album ausmacht.

Wenn man zu den Anfängen von Miss Platnum zurück denkt, ist Dein neues Album schon eine Überraschung. Nicht nur wegen der deutschen Texte, die ganze Stimmung ist anders. Man hat das Gefühl, dass Du Dich noch einmal ganz neu öffnest, einen sozusagen in Dein Herz gucken lässt.

Schön. Genau das war die Absicht.

Wie ist es zu diesem Wandel gekommen? Natürlich auch im Hinblick auf die Sprache. War es eine bewusste Entscheidung oder ist es im Schaffensprozess einfach passiert?

Beides eigentlich. Es war ein Prozess, der unter anderem damit anfing, dass ich auf Peter Fox‘ Platte mit gesungen habe, dann bei Marterias „Zum Glück in die Zukunft“. Da habe ich schon angefangen die Berührungsängste mit dem Deutschen zu verlieren, die ich auf jeden Fall hatte. Und das Team, das wir haben, ist immer mehr zusammen gewachsen, zuletzt auch durch das „Lila Wolken“ Projekt. Danach wurde die Idee ein bisschen konkreter. Ich wusste, wenn ich das machen will, dann weiß ich auch mit wem ich das machen will, mit welchen Leuten ich die Texte schreiben will. Ab da war es eigentlich eine ganz natürliche Weiterentwicklung von dem, was ich gemacht habe. Ich wollte auch bewusst etwas Neues machen. Nochmal so eine Balkan/R&B Platte… ich wusste, das ist es irgendwie nicht, da geht es nicht weiter. Zu entscheiden ich mach das jetzt auf Deutsch war also der erste Schritt. Danach gab es ganz viele Entwicklungen, musikalisch haben wir einige Reisen hinter uns gebracht. Es hat ja auch fast drei Jahre gedauert. Und das ist jetzt dabei raus gekommen! Ich bin froh dass, obwohl wir so lange daran getüftelt haben, es immer noch sehr echt ist.

Das ist es, absolut. Ich mochte auch die Kunstfigur der Miss Platnum, die Du früher kreiert hast. Künstlichkeit gehört zur Popmusik in einem gewissen Maß ja dazu. Dann aber zu sagen ich trete da jetzt raus und zeige mich noch einmal von einer anderen, persönlicheren Seite, finde ich spannend. Und mutig!

Klar. Wenn man sich dem Ganzen auf Deutsch nähert, ist man auf jeden Fall nackter. Ich wusste, alle würden die Texte verstehen, auch wenn man nur halb hin hört checkt man sofort, worum es geht. Hinter dieser Kunstfigur und der Sprache konnte ich mich viel besser verstecken. Es war auch wichtig für mich, dass ich das konnte, weil ich zu dieser Zeit als Künstlerin noch nicht so weit war, so klar auszusprechen worum es mir geht. Es sind ja auch sehr emotionale Texte. Irgendwie brauchte ich diese Zeit. Jetzt bin ich auf jeden Fall bereit dafür, ich muss mich nicht mehr verstecken. Das ist glaube ich das Gefühl, das auf der Platte mitschwingt.

Du bist in Rumänien geboren und aufgewachsen, deine Familie hat aber deutsche Wurzeln. Mit was für einer Sprache bist du groß geworden?

Meine Eltern haben kein Deutsch gesprochen. Sie haben mich aber in den deutschen Kindergarten und die deutsche Schule gesteckt. Witzigerweise konnte ich mit ihnen dann keine Schulaufgaben machen. Ich habe eine Großtante, die deutschstämmig ist, die hat mir mit solchen Sachen geholfen.

Und was sagen Deine Eltern dazu, dass Du jetzt auf Deutsch singst?

Die finden das gut. Die finden sowieso alles gut was ich mache. Mittlerweile, das war nicht immer so. Das ist aber auch normal, dass man erst einmal nicht begeistert ist, wenn die Tochter verkündet: „Ich zieh jetzt aus und mach Musik“. Stell Dir einfach vor, Deine Kinder machen das (lacht). Aber das war mir egal. Ich wusste, dass ich das machen will und muss.

Von der Sprache abgesehen finde ich auch auffällig, dass Deine Stimme auf „Glück und Benzin“ noch einmal ganz anders zur Geltung kommt. Also, nicht dass Du früher nicht schon toll gesungen hättest, aber an manchen Stellen habe ich doch gestaunt, wie stimmgewaltig Du sein kannst.

Das habe ich früher schon auch gekonnt (schmunzelt). Ich bin der Überzeugung, dass man als Sängerin nicht immer alles zeigen muss, was man hat. Es geht um eine Farbe, darum, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Wenn man ein Bild malt will man auch nicht alle Farben rein knallen, die es gibt. Ich mag Sängerinnen nicht, die die ganze Zeit irgendwelche Koloraturen machen. Da kann ich mir ein Lied anhören, das ist irgendwie cool, aber dann wird es mir auch zu viel. Das dudelt so vor sich hin und man denkt: „Was hat sie jetzt gesagt? Ach na ja, egal“. Die Texte auf meiner Platte sind ja auch so schön. Das sage ich jetzt nicht, weil ich sie geschrieben habe, sondern weil ich sie auch mit Leuten zusammen geschrieben habe, mit Freunden. Ich höre viel mehr hin, wenn auch mal eine Pause ist. Wenn auch mal etwas mit leiser, gebrochener Stimme gesungen wird. Deswegen mache ich das so. Ich weiß auch, dass ich die Fähigkeit habe, da viel mehr raus zu holen, aber das ist nicht mein Ansporn. Es ist ja Kunst, kein Sport!

Ganz hast Du Deine musikalischen Balkanwurzeln auf „Glück und Benzin“ nicht abgelegt. Woher glaubst Du kommt es, dass diese Art der Musik viele Menschen so tief trifft und begeistert? Ich habe schon Partys auf Balkanbeats abgehen sehen, dagegen sieht jeder Technoclub wie ein Kindergarten aus.

Darüber habe ich mich auch schon oft mit Freunden unterhalten. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es der Hunger danach, alles hinter sich zu lassen und einfach mal auszurasten. Zack, Gläser an die Wand, noch’n Schnaps. Dann prügeln wir uns vielleicht noch und ziehen uns alle nackt aus. Man hat ja auch dieses Bild vom Balkan im Kopf, dass es dort so ist. Hier ist im Alltag alles viel geordneter und gesitteter. Tatsächlich war es zwischendrin so, dass ich gedacht habe ich muss total weg von dieser Referenz. Jetzt schwingt es ab und zu mehr, mal weniger mit, da bin ich schon froh drüber. Ich will auch nicht das weg werfen, das ich früher gemacht habe. Es war eine gute Zeit und hat mich dahin gebracht wo ich jetzt bin.

Ursprünglich hattest Du ja sogar überlegt, insgesamt noch weiter von den Electrobeats weg zu gehen, wie ich gelesen habe.

Ja, es gab die Überlegung, noch mehr in Richtung Chanson zu gehen. Hildegard Knef trifft James Blake, habe ich damals gesagt. Schon elektronisch, aber nicht so Beat-lastig. Es gibt ja noch Songs, die so sind, wie „Frau Berg“ oder „Kleiner Schmerz“. Für eine ganze Platte fand ich das aber ermüdend. Ich dachte irgendwann: „Oh Gott, bin ich jetzt schon so alt, dass ich so ’ne lahme Platte mache?“ (lacht) Ich steh total auf diese Musik. Ich liebe zum Beispiel Tom Waits. Irgendwann will ich sowas auch mal machen. Manchmal braucht man einfach mehrere Etappen. An ein paar Songs habe ich mich nochmal selbst dran gesetzt, neue Impulse rein gebracht, auch ein bisschen selbst produziert. Dann habe ich es den Jungs gegeben, dass sie es dann fertig machen, es geil klingen lassen. Aber es war wichtig, das alles ausprobiert zu haben. Zwischendrin findet man auch mal alles scheiße, aber jetzt bin ich sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Ich frage mich oft, wo man sich seinen Input her holt, wenn man an elektronischer Musik arbeitet. Wie ist es bei Dir, gehst Du zum Beispiel in Clubs?

Da bin ich immer sehr angewiesen auf Tipps, weil ich überhaupt nicht im Electro Business drin bin. Ich entdecke immer mal wieder Sachen, die ich richtig geil finde, wie zum Beispiel Disclosure. Eine meiner Lieblingsband sind Little Dragon, die vermischen das auch super. Ansonsten bin ich immer total überfragt, weil ich gar nicht weiß wo die Partys sind, auf denen solche Musik gespielt wird. Meistens gehe ich irgendwo hin wo ich eingeladen bin. Ich schlage eher selten die Zeitung auf und gucke was so geht. Eigentlich schade, weil es mich schon interessiert und immer sehr inspirierend ist. Aber in den letzten drei Jahren, in denen ich an der Platte gearbeitet habe, war Musikkonsum eher anstrengend für mich. Man ist ja die ganze Zeit mit Musik beschäftigt. Es ist einfach eine Illusion, dass man nach Hause geht und sich noch ’ne Platte auflegt.

Auch nicht zur Inspiration?

Ne, Inspiration versuche ich mir dann gerade nicht durch Musik zu holen. Ich finde das eher blockierend. Ich höre dann eher wenig bis gar keine Musik und versuche eher Sachen zu finden, die von selber aus mir raus kommen. Inspiration hole ich mir eher durch Ausstellungen oder durch Bücher, die ich lese.

Die Glücksfee gewährt Dir zum Abschluss noch einen Wunsch für 2014. Was darf es denn sein?

Dass mein Album total durch die Decke geht, natürlich (lacht).

Er möge sich erfüllen! Viel Glück! Und Benzin natürlich. Und vielen Dank für das Gespräch!

Miss Platnums neues Album „Glück und Benzin“ erscheint diesen Freitag.

Interview: Gabi Rudolph