Interview mit Max Jury

Max_Jury_presspic1

Max Jury veröffentlichte mit seinem selbstbetiteltes Debütalbum eine Ansammlung von Songs, die direkt ins Ohr gehen. Gekonnt mixt der 24 Jährige dafür Soul und Gospel mit einer Prise Country. Das Ergebnis geht ins Ohr und bleibt hängen. Für die Aufnahmen setzte er sich mit Hip Hop Produzent Inflo für ein paar Songs zusammen und nahm den Rest im Wohnzimmer seines Bassisten und besten Freundes Stacy TK auf. Nach seinem Akustikkonzert im Ramones Museum Berlin hatten wir das große Vergnügen mit Max zu lachen, über sein Debütalbum zu reden und darüber wie es ist seine Heimat Des Moines, Iowa, für London zu verlassen – wenn auch nur für ein paar Monate. Viel Spaß beim Lesen!

Ich habe zuerst das Album gehört und dich dann das erste Mal live gesehen und dachte: „Das ist ja trauriger als ich es mir vorgestellt hätte“. Das war überraschend. Als du „Numb“ gespielt hast, konnte ich den Gospelchor in deinen Gesangspausen hören.

Ohne ihn ist es ganz anders. Man sieht das Skelett des Songs mehr.

Im Allgemeinen verbreiten Gospelsänger auch immer Hoffnung.

Absolut. Sie machen das ganze Album auch erbaulicher und tröstend, aber ohne sie ist es etwas düsterer, nicht wahr?

Ja. Ich war leicht verwirrt. Hast du dir vorgestellt dass es Hörern passieren könnte, die deine Musik vorher nicht kannten?

Ich bin sicher das passiert. Als ich das Album aufgenommen habe, wollte ich dass es diesen erbaulichen Faktor hat, dieses wohlige Gefühl, das von Gospelsängern und den Arrangements herrührt. Wenn ich alleine bin, ist es eine andere Sache. Die Texte werden mehr zum Leben erweckt und man kriegt die Geschichte dahinter mehr mit. Akustisch wird es offensichtlich etwas düsterer. Es ist interessant zu sehen wie die Songs in verschiedenen Settings verschiedene Leben annehmen.

Das ging mir bei „Ella’s Moonshine“ so. Das ist einer meiner Lieblingssongs auf dem Album – bis gestern habe ich den Text aber nicht richtig verstanden.

Das ist eine lustige Geschichte. Es ist eine wahre Geschichte. Es gibt sie wirklich, sie lebt in North Carolina. Sie lebt in einem Baumhaus, hat Hühner und ist Schmied. Sie macht auch ihren eigenen Moonshine, den verbotenen Alkohol.

Hoffentlich macht der einen nicht blind! Sind alle deine Songs so persönlich oder nimmst du manchmal auch Geschichten, die Freunden von dir zugestoßen sind und verarbeitest die?

Die meisten Sachen sind mir zugestoßen, aber ich nehme auch viel von meinen Freunden und was in ihren Leben passiert. Die Songs sind eine dramatisierte oder auch romantisierte Version von dem was eigentlich passiert ist. Oft handeln sie von einem Freund und ich schreibe aus seiner Perspektive. In diesem Sinne sind sie alle ziemlich autobiographisch. Hinter einem Song wie „Black Metal“, der schon früher veröffentlicht wurde, steht eine wahre Geschichte, die meinem Freund passiert ist. Mein bester Freund ist auch mein Bassist und wir haben auch das Album zusammen produziert. Oft erleben wir die gleichen Sachen und deswegen ist es einfach für uns gemeinsam zu schreiben und an einem Song zu arbeiten, weil wir viele Erfahrungen teilen. Wir beeinflussen unsere Leben gegenseitig.

Beste Freunde, ihr tourt zusammen, das Album wurde teilweise in seinem Wohnzimmer aufgenommen – Ich denke mal, es wäre schon merkwürdig, wenn es da keine Verbindungen gäbe.

Das wäre das Merkwürdigste überhaupt. All diese Zeit mit jemanden zu verbringen und dann mag der dich nicht. Wir sind Freunde seitdem wir uns mit 18 getroffen haben. Er ist ein großer Einfluss für mich, besonders in meinen privaten Leben. Ohne ihn wären einige Dinge nicht so passiert, er ist immer eine große Hilfe. Es ist eine Schande, dass ich ihn nicht so oft sehe wie ich es gerne würde. Er spielt in anderen Bands und hat sein eigenes Projekt. Es ist immer großartig, wenn wir uns gemeinsam hinsetzen und schreiben können.

Das ist eines der Probleme eines Musikers, dass man seine Freunde nicht so oft sieht. Einer weiteres ist ja auch, dass man nicht so viele Konzerte selber sehen kann, weil man zur gleichen Zeit arbeitet.

Es ist natürlich kein richtiger Job, aber ich nenne es meinen Job. Wenn ich an vier, fünf Nächten einer Woche in einem Nachtclub spiele, ist es das Letzte was ich an meinem freien Abend machen will. In dieser Beziehung ist es schon fordernd. Wenn ich auf Festivals spiele, kann ich viele Bands sehen.

Ich habe mal mit jemandem geredet, der Konzerte nicht mehr genießen konnte, weil er die ganzen Fehler hören würde.

Ich höre nicht unbedingt die Fehler oder so. Ich genieße es noch immer, aber ich denke es muss einfach ein Künstler sein, den ich mag. Ich gehe nur zu einem Künstler, den ich kenne, vermutlich mag und wirklich gerne hören möchte. Ich würde mich vermutlich sehr anstrengen in einen Club zu gehen und eine neue Band auszuchecken, weil ich ja das Gleiche mache. Das ist ein wenig traurig, oder?

Wenn du live spielst, ist es dir dann wichtig, dass alles perfekt ist oder ist alles gut so lange die Emotionen rüberkommen?

Das Zweite. Das ist eine wirklich gute Frage und ich habe mich schon viel damit beschäftigt. Wenn man sich zu sehr darauf fixiert, dass alles perfekt sein soll oder wie auch immer meine Version von perfekt ist, kann man seine Authentizität, das Gefühl und die Emotionen verlieren. Ganz besonders wenn man solche Musik macht wie ich sind diese Dinge sehr wichtig. Als ich angefangen habe und ich eine falsche Note gespielt habe, bin ich immer ausgeflippt. Mittlerweile kümmert es mich nicht mehr, wenn ich mal eine falsche Note spiele solange sich der Auftritt gut angefühlt hat. Wenn die Menschen eine Verbindung eingegangen sind, es nachempfinden konnten und ich alles geben habe, dann ist es gut.

Zwischen deinen Songs bist du oft ganz lustig, wie viele Musiker, die traurige Musik machen – liegt es daran, dass man die Traurigkeit ausbalancieren will, so dass der Zuhörer nicht depressiv nach Hause geht?

Ich denke da ist was dran. Nur um bei meinen Verstand zu bleiben versuche ich lustig zu sein, wenn ich nicht spiele. Die Songs kommen ja aus einer Zeit als ich an einem düsteren Ort war. Ich bin allgemein eher eine melancholische Person in meiner Freizeit, aber diese Sachen hier zu machen, macht mich glücklich. In Berlin zu sein, Leute treffen, spielen und reden. Andere kennen zu lernen und etwas von ihrer Kultur zu lernen. Das genieße ich. Sobald ich zurück in meinen Apartment in London bin, heißt es zurück zur Traurigkeit. [lacht]

Ich nehme an, das ist dann besser für das Schreiben von Songs? Ich stelle mir vor dass es schwerer für dich ist einen traurigen Song zu schreiben, wenn du gerade total glücklich bist.

Das kommt drauf an. Manchmal ist es gut in der Lage zu sein diese traurigen Situationen zu reflektieren wenn es einem gut geht. Mein nächstes Ziel ist es einen nachdenklichen, bedeutungsvollen, tiefen und wirklich glücklichen Song zu schreiben. Aus irgendeinem Grund ist das sehr schwer. Ich werde von der Düsternis angezogen. Ich bin nicht immer glücklich.

Hat sich die Art wie du Songs schreibst verändert seitdem du von Des Moines nach London gezogen bist?

Ich bin nur für sechs Monate in London. Ich lebe immer noch in Des Moines. Es ist eine Übergangsperiode. Der Großteil vom Album wurde in Des Moines geschrieben. Ich habe es im vergangenen Jahr im Juni/Juli beendet. In den letzten Jahren bin ich immer wieder in London gewesen. Seit Februar bin ich komplett dort. Es hat sich ein wenig geändert, ein paar Sachen habe ich schon geschrieben seitdem ich zurück bin. Es ist interessant. Ich schreibe mehr über das Leben in London, was dort passiert, was ich mache und wie sich das unterscheidet. Neue Dinge zu genießen, neue Probleme. Meine Art zu schreiben hat sich schon verändert.

Wenn du da nur für sechs Monate lebst, ist es dann schwer, wenn du nicht all die Sachen bei dir hast, mit denen du sonst schreibst?

Ja, ist es. Mein Label hat ein kleines Studio, aber manchmal ist es ausgebucht und ich kann auch nicht einfach aus dem Bett aufstehen und zum Klavier gehen wie ich es gewohnt bin. In meiner Wohnung gibt es eine Akustikgitarre, auf der ich ein wenig schreibe. Das vermisse ich. In Des Moines hatte ich in einem Haus ein Zimmer gemietet und konnte aus dem Bett direkt zum Klavier gehen. Aufstehen und direkt arbeiten – das ist cool. Es ist jetzt eine Herausforderung. Ich konnte auch insgesamt nicht so viel mit rüberbringen, in diesem Sinn fühle ich mich nackt. Man hat nicht all seine Klamotten und und so. Man fühlt sich etwas unbeständig.

Max Jury @ Ramones Museum, (c) Dörte Heilewelt

Bevorzugst du dann das Piano zum Komponieren oder ist es am Ende egal so lange es ein Instrument gibt?

Im Allgemeinen bevorzuge ich das Piano. Die meisten meiner Songs sind auf dem Piano geschrieben. Meistens funktioniert das am Besten, aber es hängt auch vom Song ab. „Beg & Crawl“, „Dreams“ und „Elle’s Moonshine“ habe ich auf der Gitarre geschrieben. Es machte mehr Sinn. Der Rest entstand auf dem Piano. Eine Ausnahme gibt es noch: „Little Jean Jacket“. Das schrieb ich auf der Gitarre und habe es dann zum Klavier zurück gebracht. Für mich ist das Piano einfacher. Ich kann es besser erfassen, es macht mehr Sinn für mich. Ich sehe mich selber nicht wirklich als Gitarristen. Ich habe es nur angefangen um mal was anderes als das Klavier zu haben. Am Klavier fühle ich mich wohler.

Dann ist London ja eine richtige Herausforderung für dich, wenn du nicht permanent ein Klavier zur Verfügung hast.

[lacht] Genau. Das ist mein Problem. Das nächste Album besteht nur aus der Akustikgitarre. Nein, ich mach nur einen Scherz. Es ist alles gut. Es ist zwar eine Herausforderung, aber ich habe in letzter Zeit nicht so viel geschrieben. Vielleicht zwei oder drei Songs. Ich war viel beschäftigt mit Tagen wie heute. Aber ich bin mir sicher, dass ich in der Lage sein werde mich hinzusetzen und am Piano zu arbeiten sobald ich zurück in Des Moines bin.

Schreibst du dann schnell oder eher langsam?

Es kommt drauf an. Ich habe lange Phasen, in denen ich nichts schreibe. Wenn ich dann schreibe, bin ich ziemlich schnell. Zum Beispiel gibt es mal zwei, drei Monate in denen ich nichts schreibe und eines Tages wache ich auf und schreibe. Ich erinnere mich, dass ich an einem Tag „Standing On My Own“, „Little Jean Jacket“ und „Dreams“ geschrieben habe und dann wieder Monate nichts und dann schreibe ich wieder drei Songs. So ist das manchmal. Manchmal fühlt sich der Brunnen einfach etwas trocken an und ich versuche es nicht zu erzwingen. Das geht nicht immer. Manchmal muss man es auch erzwingen, weil man in einer Writing Session mit jemand anderen sitzt oder man eine Deadline hat. Aber wenn ich Glück habe und es nicht erzwingen muss, dann lebe ich mein Leben bis mir etwas in den Sinn kommt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Manchmal wacht man einfach auf und weiß man will heute ein paar Songs schreiben und manchmal wacht man auf und denkt sich „wow, heute werde ich nichts tun, zumindest nicht produktives“.

Wie schwer ist es sich in Schreiblaune zu bringen, wenn man es wie beim Co-Writing muss?

Manche Sachen sind schwerer als andere, wenn man einen Song komponiert. Zum Beispiel ist es für mich sehr einfach mir Akkorde oder eine Melodie zu überlegen, die man spielen könnte. Das kann ich sofort. Aber mit Texten verbringe ich gerne viel Zeit, damit sie auch Sinn machen und dass man sich damit auch wohl fühlt. Das scheint manchmal unmöglich zu sein. An einigen Tagen hat man Glück und es funktioniert, die Stimmung passt und an anderen Tagen eben nicht. Für mich hängt es bei Co-Writing auch von der anderen Person ab. Wie ihre Persönlichkeit ist. Mit manchen geht es besser als mit anderen. Ich denke, es ist wichtig sich als gleichberechtigte Partner anzusehen. Man darf keine Angst davor haben einen Vorschlag zu machen, weil man schafft dann nichts. Als ich noch jünger war habe ich auch mit Leuten zusammen geschrieben, die Songs für große Stars schreiben. Ich war 18 und hatte immer Angst etwas vorzuschlagen, aber du darfst keine Angst haben deine Ideen einzubringen.

War es ein langer Prozess das zu lernen?

Ja. Erst seit letztem Jahr habe ich mich erst so richtig wohlgefühlt mit anderen Songs zu schreiben. Das hat mich vier oder fünf Jahre gekostet das zu lernen. Mein Bassist Stacy und ich schreiben schon so lang ich mich erinnern kann zusammen. Wir kommen klar, sind Freunde und es war einfacher. Aber in einem professionellem Umfeld hat es lange gedauert.

Vielen Dank für das Interview, Max!

www.maxjury.com

Interview & Livefoto: Dörte Heilewelt