Interview mit Little Scream

Ich war untröstlich, als am 21. April diesen Jahres Prince starb und mit ihm eine der größten Inspirations-, Musik- und Liebesquellen meines Lebens. Kurz darauf fiel mir zum ersten Mal „Cult Following“ in die Hände, das zweite Album der aus Amerika stammenden, in Kanada lebenden Laurel Sprengelmeyer, die seit 2010 als Little Scream Musik macht. Laurels Musik ist das beste Beispiel dafür, wie allgegenwärtig Prince‘ Einfluss in der Popmusik ist und immer sein wird. Und gleichzeitig sind die Songs von Little Scream sowie Laurels Bühnenperformance wunderbar eigenständig und schlichtweg begeisternd. Nach ihrem Showcase im Berliner Michelberger Hotel hatten Laurel und ich Gelegenheit, uns über ihre Musik zu unterhalten und eine Runde gemeinsam um unsere große Liebe Prince zu trauern. Little Scream ist bei uns noch nicht allzu bekannt – möge sich das ganz bald ändern!

Ich muss es gerade raus sagen: Dein Album „Cult Following“ ist zur Zeit eine meiner absoluten Lieblingsplatten.

Das freut mich so sehr! Ich habe sehr hart daran gearbeitet. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles hinein geben muss, das ich zu geben habe. Ich wollte dass alles daran irgendwie besonders ist, jedes kleine Detail. Es ist auf eine Weise komplex, dass es sich manchen Leuten vielleicht nicht auf Anhieb erschließt. Aber wenn man sich die Zeit nimmt es sich genau anzuhören, dann versteht man all die kleinen Details und kann sich in die Tiefe begeben. Wie wenn man sich ein Gemälde lang genug anschaut.

Man hat das Gefühl es erzählt eine Geschichte. Jeder Song hat eine Einführung, dadurch hängt alles irgendwie zusammen. Das finde ich toll, vor allem in einer Zeit, in der man sagt dass Alben als Veröffentlichungsform immer unwichtiger werden.

Ja, das war mir ganz wichtig. Ich habe mir in der Zeit alle möglichen DJ Sets angehört. Nicolas Jaar zum Beispiel. Ich finde seine Arbeit sehr interessant. Ich liebe seinen BBC Essential Mix. Über eine Stunde verbindet er die verschiedensten interessanten Musikstile miteinander. Es fühlt sich an wie eine musikalische These, über alles was ihn in seinem Leben beeinflusst. Diese stylistische Freiheit ist etwas, das mich sehr berührt. Das ist es, was ich mit einem Album erreichen möchte, ich möchte mit Freiheit schreiben, verschiedene Dinge ausprobieren, sie zusammen bringen. Auf diese Weise können ein Song wie „Silent Moon“ und „Love As A Weapon“ zusammen auf einem Album existieren. Außerdem finde ich, dass man als Musiker eine gewisse Verantwortung hat. Es gibt so viel Musik da draußen und ich finde, wenn man ein Album macht und von den Leuten erwartet, dass sie sich die Zeit nehmen es anzuhören, dann soll auch eine Absicht dahinter stecken. Zeit ist kostbar und die Leute haben immer zu wenig davon. Sie wollen sie nicht verschwenden. Wozu macht man sonst ein Album?

Man hört es definitiv, dass du dir viele Gedanken gemacht und viel Herzblut rein gelegt hast. Gleichzeitig ist deine Musik nie verkopft, sondern einfach sehr unterhaltsam, mit vielen eingängigen Popmelodien.

Gut! Ich wollte dass man Spaß dabei hat. Gleichzeitig ist es, glaube ich, auch ein sehr ernstes Album.

Ist es schwer, die Balance zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit zu finden?

Ja, definitiv. Der Spaß ist für mich die größere Herausforderung. Wenn ich allein schreibe, ist es leicht für mich, düster, ernst und introvertiert zu werden. Ich liebe aber fröhliche Musik, also wollte ich mich mehr in diese Richtung öffnen. Deshalb habe ich dieses Mal Leute dazu genommen, mit denen ich geschrieben habe. Wenn ich mit anderen zusammen bin, bin ich fröhlicher, aber das Schreiben an sich war für mich bis jetzt immer ein eher introvertierter Prozess, wie Tagebuch schreiben. Also dachte ich, ich muss meine Türen ein wenig öffnen. Durch die Menschen, mit denen ich diesmal geschrieben habe, meine Schwester und Richard (Reed Parry, u.a. Arcade Fire) zum Beispiel, wurde alles ein bisschen verspielter. Es hat sich sehr natürlich angefühlt. Wenn man diese Tür öffnet, kann man beides haben. Es macht Spaß, wenn alle da sind, man kann sie aber auch wieder schließen und ganz für sich sein. Außerdem ist meine Musik für eine Solokünstlerin recht komplex, es gibt so viele Facetten in den Arrangements auf diesem Album. Ich habe da definitiv Unterstützung gebraucht und es haben mir viele Leute geholfen. Manche sind bekannter in der Musikszene, andere nicht so. Ich habe zum Beispiel sehr viel mit den Barr Brothers gearbeitet, aber sie werden in der Presse kaum erwähnt, weil sie nicht so bekannt sind.

Ich liebe die Barr Brothers! Ich habe mal ein Interview mit ihnen gemacht und wäre auf dem Weg dorthin beinah von einem Krankenwagen überfahren worden, während ich ihre Musik gehört habe. 

Ist das nicht eine entsetzliche Art zu sterben? Von einem Krankenwagen überfahren werden… bestimmt sind schon Leute von einem Krankenwagen überfahren worden, während sie Prince gehört haben. Und als Künstler wird man so etwas nie erfahren! Was für eine absurde Vorstellung.

Es ist auf jeden Fall offensichtlich, dass die poppige Seite deiner Musik sich auf diesem Album weiter entwickelt hat. Kam das auch durch dieses Öffnen?

Ja, auf jeden Fall. Zum einen. Zum anderen wollte ich diesmal stärker die vielen verschiedenen Musikrichtungen erkunden, die ich selber gerne höre. Und auf jeden Fall Prince. Ich liebe Prince so sehr und höre seine Musik sehr viel. Ich schreibe Songs und spiele Gitarre – und er ist in diesen beiden Dingen einfach der Beste auf der Welt. Und natürlich auch was das Singen angeht.

Es ist schön, dass du von ihm in der Gegenwart sprichst.

Absolut! Er ist es immer noch! Auch wenn er nicht mehr da ist. Keine Ahnung ob ihn je jemand übertreffen wird. Er ist eine Woche gestorben nachdem mein Album raus gekommen ist. Das ist total verrückt. Ich bin immer noch so traurig, dass er tot ist. Es ist furchtbar. Vor einem Jahr habe ich ihn noch live gesehen, das war die beste Show, die ich jemals gesehen habe. Mit vielen meiner Musikerfreunde rede ich immer noch ständig darüber. Einen Tag bevor er gestorben ist, haben wir noch über diese Show gesprochen. Er ist immer noch so gegenwärtig. Obwohl ich ihn viel lieber noch hier hätte als ständig dieses Gesprächsthema zu haben. Drei der Songs auf meinem Album haben wir in dem gleichen Studio mit dem gleichen Tontechniker gemixt, der auch „Purple Rain“ gemixt hat. Daran sieht man, wie unmittelbar ich den Vergleich gesucht habe.

Ich leide auch immer noch sehr darunter, dass er gestorben ist. Aber die Tatsache, dass Künstlerinnen wie du seinen Einfluss sich zu eigen machen und sein Werk weiter entwickeln, finde ich regelrecht tröstlich.

Ich glaube sein Tod lässt mich die Dinge noch ernster nehmen als früher. Die Leichtigkeit und die Würde mit der er alles gemacht hat, seine unfassbaren Gitarrenkünste – das ist die Messlatte. Vor allem als Frau. Ich glaube, es gibt heutzutage mehr Raum für Frauen, die Gitarre spielen und singen. Das ist ein ganz neues Genre, das sich eröffnet. Ich finde, Frauen sind gerade dabei, Gitarrenmusik auf eine neue Art relevant zu machen. Das entwickelt sich, es ist wunderbar und sehr wichtig für mich.

Ich habe mir nie so viel Gedanken darüber gemacht, wie besonders es ist, wenn eine Frau Rock Gitarre spielt, bis vor ein paar Jahren Anna Calvi kam und alle Männer durchgedreht sind.

Sie ist so eine verdammt gute Gitarristin! Ich glaube, dass sie immer noch unterschätzt wird, weil sie so wahnsinnig schön ist. Sie sieht aus wie ein Model! Menschen machen es sich oft leicht Frauen abzuurteilen, die in ihren Augen zu schön sind. Von wegen: „Sie ist nur so erfolgreich, weil sie so schön ist.“ Das ist totaler Schwachsinn, sie ist unfassbar talentiert! Ich habe mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie aufregend es sein kann, wenn eine Band nur aus Frauen besteht, bis ich zum ersten Mal Sleater Kinney live gesehen habe. Es ist völlig normal für uns, reine Männercombos auf der Bühne zu sehen. Aber eine Frauenband hat eine ganz besondere Energie. Natürlich geht es in erster Linie darum, einfach eine Band zu sein. Aber es ist trotzdem etwas Besonderes.

Jede Menge relevanter weiblicher Popmusik heutzutage hat sich aus der Riot Girl Ära der 90er Jahre entwickelt. Peaches zum Beispiel…

… und sie ist großartig! Vor allem wenn es darum geht, seine eigenen Regeln zu definieren. Es ist wichtig, dass es Vorreiter gibt. Sie hatte ihre und ist jetzt auch wieder Vorbild für andere Frauen.

Angenommen, die Rock’n Roll Fee würde dir einen großen Wunsch gewähren. Was auch immer du als Künstlerin machen möchtest, es wäre möglich. Was würdest du dir wünschen?
Ich würde so weiter machen wie jetzt. Mit mehr Songs… einfach ein bisschen mehr wie Prince sein. Mit seiner Leichtigkeit und seiner Würde. Das ist die ultimative Herausforderung als Künstler. Immer besser werden in dem was man tut. Dieses unglaublich existentielle Gefühl das man daraus zieht, wenn man genau das tut, was man tun will. Ich glaube, das ist bis jetzt kein besonders spezifischer Wunsch… Na gut, meine Musik vor tausenden von Leuten spielen – who love the shit out of it! (lacht)
Interview: Gabi Rudolph (with a little help from Heilewelt)