Interview mit Harry McVeigh von White Lies

White Lies Press 2016Wenn eine Band schon zum Interview aufgeteilt werden muss, freue ich mich ja eigentlich immer, wenn ich das bärtige Mitglied zum Gespräch bekomme. Ihr wisst schon, ich und Bärte. Im Fall der White Lies war der Bartträger der Band, Charles Cave, im Nebenzimmer zum Telefoninterview und ich hatte das Vergnügen mit Harry McVeigh, Sänger und Gitarrist der Band aus London. Der war zwar glatt rasiert aber auch sehr nett. Nachdem wir zu Anfang ein kleines Missverständnis aus dem Weg geräumt haben, haben wir uns sehr angeregt über das neue Album „Friends“ unterhalten, über die Lektionen, die man im Leben lernt und wie man über Kontinente hinweg zusammen arbeitet.

Ich war überrascht als ich gelesen habe, dass ihr für die Aufnahmen und alles selber bezahlt habt und ohne ein Label involviert zu haben.

Wir hatten schon ein Label, das für das Album bezahlt hat….

Im Pressetext klang es so, als ob ihr alles selber gemacht hättet.

Als wir angefangen haben Songs für das Album zu schreiben hatten wir keinen Plattenvertrag und mussten deswegen die Songs erst einmal selber bis zu einem gewissen Punkt entwickeln. Wir mussten versuchen sie wie gute Aufnahmen klingen zu lassen, damit wir einen Vertrag kriegen. Das ist das erste Mal, dass wir ein Budget bekommen haben um ein Album aufzunehmen. Sie haben uns Geld gegeben und wir sollten dann mit einem Album zurückkommen. Normalerweise haben wir dem Label gesagt, wir wollen in dieses Studio und mit diesem Produzenten zusammenarbeiten. Und sie meinten dann: „Ok, gut, wir sorgen dafür“. Diesmal mussten wir selber mit dem Studio verhandeln und die richtige Menge an Zeit finden und dafür sorgen, dass wir im Budget bleiben. Es war spaßig. Ich habe diesen Aspekt davon auch sehr genossen.

War es schwer alles selber zu entscheiden?

Natürlich ist es das und man denkt, dass es das sei. Aber die Sache ist: Wenn man einmal anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Es ist schwer, aber man muss weitermachen.

Ihr wart ja in Bryan Ferrys privatem Studio in London’s Olympia, das nicht oft genutzt wurde. Ich denke dann, wenn man an so einen besonderen Ort geht, dass man vielleicht drüber nachdenkt, dass die Musik, die man dort aufnimmt, es auch wert ist an solch einem Ort aufgenommen zu werden. Oder denkt ihr da nicht drüber nach?

Wir haben nicht sonderlich viel darüber nachgedacht. Es war sehr nett in einem Studio zu sein, das vorher noch nicht häufig genutzt wurde. Und es war ein guter Ort. All die großartige Musik, die dort aufgenommen wurde, aber auch die Geschichte hinter all dem Equipment und die Erinnerungsstücke in dem Studio sind großartig. Wenn man seinen Kopf richtig in die Arbeit steckt, dann hat man nicht so viel Zeit darüber nachzudenken. Wenn man dann mal einen Schritt zurücktritt und eine Tasse Kaffee trinkt oder was auch immer, realisiert man erst, dass das sehr cool ist.

Ihr habt auch mit dem Equipment vor Ort gearbeitet, nicht wahr? Ich habe von anderen Musikern im Interview gelernt, dass Synthesizer und andere Instrumente ihr eigenes Leben haben können – hast du die Erfahrung auch gemacht?

Absolut. Und vieles von diesem alten Equipment ist einzigartig, keines klingt wie das andere.

Macht es euch was aus, dass ihr diese Sachen nicht mit auf Tour nehmen könnt? Dass ihr dann anders klingt?

Es gibt viele, die sich darüber einen Kopf machen. Viele Musiker denken viel darüber nach welches Zeug sie mitnehmen und sie kaufen viele Sachen. Ich weiß nicht, ob wir uns darüber so viele Sorgen machen. Ich bin froh meine Instrumente gefunden zu haben und benutze sie solange wir Zeit haben. Ich finde das sehr inspirierend.

Außerdem zwingt es einen den Sound neu zu erfinden, weil man nicht jedes Mal die gleichen Instrumente hat wie beim Album zuvor.

Das ist wahr. Jedes mal wenn man ein Album macht, versucht man es nach White Lies klingen zu lassen. Wir nutzen immer ein anderes Studio und anderes Equipment und es kommt dann auch immer aus einem anderen Winkel oder einer anderen Richtung. Wir versuchen es dann zu uns zurückzubringen. Aber es zwingt uns ein anderes Gefühl oder einen anderen Geschmack hinzuzufügen.

Und in diesem Fall hat das Album dann so einen Disco-Vibe. Ich finde das sehr faszinierend.

Ja, es ist großartig. Ich liebe diesen Teil. Ich liebe diese Instrumente. Mit ihnen rum zu spielen hat viel Spaß gemacht. Manchmal ist es sogar sehr schwer sich nicht komplett drin zu verlieren.

Das liegt vielleicht daran, dass ich ursprünglich dachte, dass ihr alles alleine gemacht habt. Ich dachte, es muss recht schwer sein sich nicht im Schreibprozess für das Album zu verlieren, wenn man da keinen im Hintergrund hat.

Das ist die Beziehung, die Charles und ich haben, wenn wir mit dem Schreiben anfangen. Wir sind diese Person für uns. Ich denke, wir sind da ganz gut. Wir waren nicht immer so gut darin, aber wir haben über die Jahre gelernt, dass man eine gute Grundlage wie Akkorde und eine Melodie braucht um einen guten Song zu schreiben. Und man muss alles was man kann versuchen um das zu schaffen, aber es ist sehr wichtig, dass die Produktion schnell vorwärts geht. Nicht zu viel drüber nachdenken und einfach Sachen raushauen und dann versuchen dazu zu singen oder eine Melodie dazu zu schreiben. Das ist eine Lektion, die wir gelernt haben.

Ihr seid ja auch schon seit 10 Jahren unterwegs.

Ich denke, wir haben den Fehler oft auf unserem zweiten Album gemacht. Man kann richtig hören, dass wir zu viel darüber nachgedacht haben wie es am Ende klingt. Wir haben mehr darüber nachgedacht wie wir interessante Sounds und eine interessante Produktion machen können als darüber einen guten Song zu schreiben.

Das war dann doch das schwere zweite Album?

Zu der Zeit haben wir das nicht gedacht. Wir haben so schnell daran gearbeitet und wir waren uns sehr sicher über die neue Richtung, die es damals nahm. Ich denke jetzt, es war nicht so toll. Wir hatten nicht realisiert, dass wir noch eine Menge zu lernen hatten. Wir waren einfach voll von Selbstvertrauen.

Wie junge Menschen es sein sollten. Und Fehler sollten sie auch machen können so lange sie diese hinterher auch erkennen. Und wenn nicht, ist es auch ok – es ist schließlich eure Musik.

Und wir hatten Glück. Die Menschen haben zu uns gehalten.

Und ich sehe Songs auch als Momentaufnahmen, die sich mit der Zeit verändern können. Man kann sie live anders aufbauen als auf dem Album.

Absolut. Das ist auch mit das Beste, wenn man live spielt. Die Songs entwickeln sich weiter. Ich wünschte auch, dass wir das Album nochmal aufnehmen könnten. Wir sind keine Band, die viel im Probenraum zusammen kommt und die Songs live zusammenspielt bevor wir ins Studio gehen – obwohl wir das vielleicht tun sollten. Wir neigen dazu alles in Stücken aufzunehmen und es erst am Ende komplett zusammen zu setzen. Vielleicht sollten wir dem live spielen mehr Zeit widmen. Auf dem ersten Album haben wir das gemacht und das kann man dem Album anhören. Es ist sehr wichtig die Songs live zu spielen und dass die Basis stimmt, weil man auf der Bühne sehr limitiert ist und wir mögen es, viele bombastische und over-the-top Elemente unseren Aufnahmen hinzuzufügen. Wenn man den Song dann live spielt muss man sich wirklich auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Man ist sehr limitiert, in dem was man machen kann. Man kann nicht alles spielen. Das ist eine gute Übung, weil man drüber nachdenkt, was wirklich wichtig ist für den Song und worauf man sich bei den Aufnahmen fokussieren sollte.

Ich denke, das letzte Album hatte mehr einen erzählerischen Stil, während bei diesem es so wirkt als ob es thematisch näher an euch dran ist und zeigt was ihr gerade durchlebt. Für mich geht es darum überall Freunde zu haben und nicht in der Lage sein zu können für jeden da zu sein.

Ich denke das stimmt. So fühle ich das auch. Es geht darum wie wir in die Lebensphase kommen, in der man heiratet und Menschen Kinder kriegen und die Leute wegziehen oder etwas Neues probieren wollen, eine andere Richtung in ihrem Leben einschlagen wollen. Deine Freunde gehen weg und machen verschiedene Sachen. Eigentlich ist das sehr aufregend.

Mit „Morning in L.A.“ konnte ich mich gut identifizieren. Meine beste Freundin ist nach Texas gezogen und jetzt müssen wir es immer planen um mal zu skypen.

Das ist bei uns auch so. Gerade als wir mit den Aufnahmen fertig waren und das Mastering anfing, sind meine Frau und ich nach San Francisco gezogen. Als Band leben wir diesen Song jetzt auch. Wir müssen jetzt herausfinden wie das funktioniert und planen wenn wir drüber reden wollen wann ich wegen dem Album zurückfliege. Es ist komisch diese Distanz zu haben. Wir hatten sowas als Band auch noch nie.

Ist es schwer eine Band zu sein? Zusammen zu sein?

Es ist schwieriger, aber wir sind schon schon viel länger Freunde als dass wir zusammen arbeiten. Wir sind uns sehr nah. Es ist nicht schwer sich über das Telefon oder Skype zu verbinden. Man fühlt sich immer noch sehr nah. Ich mag San Francisco sehr und mag Kalifornien. In Zukunft möchte ich dort auch etwas arbeiten, mit Charles schreiben. Ich denke, das wäre eine interessante Veränderung in der Dynamik der Band, wenn man woanders hingeht und kreativ wird.

Interview: Dörte Heilewelt