Interview mit Danny Griffiths und Dave Pen von Archive – Teil 2

Im ersten Teil des Interviews (hier zu finden) haben wir mit Danny Griffiths und Dave Pen von Archive über den Einsatz von Orchestern, Simon Lole, fehlende Texte im Booklet vom neuen Album „With Us Until You’re Dead“ und darüber wie hart Dave auf der Bühne arbeiten muss. Jetzt geht es im Gespräch weiter mit dem neuen Mitglied im Kollektiv Holly Martin, dem zweiten weiblichen Mitglied Maria Q, dem nächsten Album, England und Alkohol. Viel Spaß beim lesen!

Wie habt ihr Holly dazugeholt?

Danny: Holly. Naja, letztens kam jemand und hat es durcheinander gebracht. „Also, ihr habt Holly in einer Bar kennengelernt?“. Wir haben Holly definitiv nicht in einer Bar kennengelernt.

Naja, ich habe in einem anderen Interview gelesen, dass Darius sie auf einer Party getroffen hat.

Danny: Es war so: Es ist ein Verleger gewesen, der ein Freund von uns ist und genaugenommen die erste Person, die ’94 mal Geld in Archive investiert hat. Andy, großartiger Mann. Er war die erste Person, die damals an Archive geglaubt hat. Er hat Geld in das Album investiert, das wir für die Aufnahmen ausgegeben haben und dann haben wir gar nicht bei ihm unterschrieben. Aber er war immer nur ein Fan und er liebt, was wir machen. Darius hat mit ihm letzten Jahr wieder Kontakt aufgenommen. Er hat dieses junge Mädchen, Holly Martin, publiziert. Und Darius meinte zu mir: „Du musst ihre Stimme hören. Sie kann verdammt nochmal singen“ und ich dachte „Ok, Australierin, nettes kleines Mädchen, 21, jung“ und dann habe ich ihre Stimme gehört und dachte, verdammte Scheiße sie hat wirklich was – wirklich gefühlvoll, sehr kraftvoll und sie hat schon mit vielen anderen Leuten zusammengearbeitet. Ich glaube, sie war schon in LA und überall mit anderen Schreibern und so. Ich denke, sie versuchten ein wenig sie in eine Art Adele oder so zu verwandeln, aber sie wusste noch nicht, was genau sie wollte und hatte Lust auf Experimente. Wir meinten, und bis dahin hatte ich sie noch nicht wirklich getroffen, ob sie nicht Lust hätte zu mir nach Hause zu kommen und auf einigen Hintergrundstücken zu spielen. Es funktionierte direkt. Und sie liebte es, dass sie singen konnte was auch immer sie wollte. Sie hatte keine keine Grenzen. Fluchen ist keine kluge Idee bei Alben und die erste Zeile war „Who The Fuck Is Anything“ und sie sagte, dass sie es liebte und erst dann fing sie an sich zu involvieren. Sie und ich sind eine großartige Partnerschaft in Bezug aufs Schreiben und wirklich natürlich. Für jemanden, der erst 21 ist, ist ihr Selbstvertrauen beeindruckend. Es machte ihr überhaupt nichts aus, dass ich fast doppelt so alt bin wie sie und dass Darius und ich Erfahrung haben. Sie ist ein bisschen wie ein Bursche, ein Wildfang. Ich weiß nicht. Es war ihr erstes Konzert mit uns letzte Nacht. Ich denke, dass sie einen großartigen Job gemacht hat.

Hättest du so etwas mit 21 Jahren gemacht?

Danny: Oh, ich hätte mir mit 21 in die Hosen gemacht. Nein, definitiv nicht. Ich hätte nicht das Selbstvertrauen gehabt um das zu machen, ich war zu stoned [lacht, und fragt Dave] Wärst du mit 21 einfach da raus gegangen?

Dave: Ja, natürlich.

Danny: Ah, ja, du hättest es schon mit 12 gemacht…

Dave: 21. Das war als wir angefangen haben. Wir haben mit Musik angefangen als ich gerade mal 20 war. Ich habe Konzerte in Pubs gespielt. Ich weiß nicht, vieles auf diesem Level.

Danny: Rauszugehen und vor Tausenden Leuten zu spielen ist brillant. Es war das erste Mal von vielen. Ich sage dir, wenn die Tour anfängt wird sie wachsen und wachsen. Es wird ihr sehr gut tun – für ihr Selbstbewusstsein und so und ihrem eigenem zukünftigen Material.

Dave: Die Schönheit hinter diesem ganzen kollektiven Gedankengut bei Archive ist, die Möglichkeit für uns mit jüngeren Leuten, Leuten aus verschiedenen Genres zu arbeiten, das alles kommt unter dem Mantel von dem was Archive ist, dem Sound von Archive, zusammen.

Entscheidet ihr zusammen?

Dave: Es ist eines dieser instinktiven Dinge mit Darius und Dan. Sie wussten es einfach. Sie wussten, dass sie großartig war und Dan sagte, dass sie einfach angefangen haben den Track zu schreiben. Es gibt kein geschütztes Ego in dieser Gruppe. Es ist was es ist und wenn es zum Sound passt, funktioniert es.

Danny: Es hätte auch ziemlich schief gehen können.

Dave: Ja, aber ich denke, wir sind mittlerweile mutig genug und weise genug um zu wissen, dass wenn es nicht richtig ist, dann wird es auch nicht passieren. Wenn es nicht innerhalb des ersten Tages richtig gewesen wäre, dann hätte es die beiden Songs auf diesem Album und die anderen Songs, die sie geschrieben hat, nicht gegeben. Wir haben fast 28 Songs aufgenommen, es ist also noch eine Menge in der Pipeline.

Danny: Es ist nicht nur das Talent. Natürlich ist das Talent ein großer Teil, aber es ist hauptsächlich die Persönlichkeit, das was man direkt von jemandem bekommt. Es hat sich direkt so angefühlt wie „Ich kann mit dieser Frau arbeiten“.

Dave: Das Line Up ist auch recht stabil seit der Noise Tour und Light, seitdem Pollard dazugekommen ist. Wir wussten doch, dass sich das ändern würde, oder? Soweit wie die Mentalität dahinter ist, wird Archive immer ein Buch mit einem offenem Ende sein. Es gibt keine geschlossenen Türen und ich denke, das ließ uns wachsen und lässt uns immer noch wachsen. Zusätzlich ist das erste Mal, dass wir in den deutschen Charts auf Platz 23 sind. Es ist das erste Mal, dass das jemals passiert ist.

Das war schon lange überfällig, wenn ihr mich fragt.

Dave: Das ist nett, dass Du das sagst, aber für uns ist es eine große Errungenschaft, weil Deutschland ein großer Markt ist. Ich mag es nicht auf diese Sachen wie Märkte etc. einzugehen, aber am Ende des Tages fühlt es sich für uns richtig gut an, nach all dieser Arbeit an diesen Punkt zu kommen und eine neue Sängerin einzubringen. Als wir „Controlloing Crowds“ gemacht haben, brachten wir Rosko zurück, bei „Lights“ waren es Pollard und ich selber und davor war es Craig usw..

Es ist immer sehr nett, weil man nie weiß was bei einem neuen Album passiert.

Dave: Genau das ist es. Und mit dem neuen Material, das wir machen ist es sogar noch mehr… Wir fangen wirklich an die Grenzen zu verschieben, weil wir einfach interessiert bleiben wollen und es scheint, dass die Fanbasis mit im Boot sitzt.

Danny: Ich denke, jeder wird auf den Death Reggae abfahren.

Dave: Ja, ich denke das hat Potential. Doo Wop Death Reggae… [Danny lacht]

(Grinsend) Es könnte sein, dass ihr mich dann verliert.

Danny: Nein, nein, entschuldige, wir sind etwas abgeschweift.

Ich habe gehört, dass ihr Ende des Jahres ins Studio gehen wollt.

Danny: Wenn die Tour zu ende ist… Ich glaube, wir beenden die Tour am 4. Dezember in London und ich und Darius gehen direkt [ins Studio]. [zu Dave] Kommst du auch gleich mit?

Dave: Kommt drauf an. Es kann sein, dass ich noch ein paar mehr Shows habe.

Danny: Das nächste Album wird im Februar fertig sein. Es gibt viele von uns und wir mögen es Songs zu schreiben und wir mögen es Musik zu produzieren, da passiert das einfach. Es sind drei Jahre seit „Controlling Crowds“ und es hat sich in dieser Zeit einfach eine Menge Material angehäuft. Es muss eine Menge veröffentlicht werden. Wenn es nach uns ginge, würden wir jedes Jahr zwei Alben veröffentlichen und wären damit ziemlich glücklich, weil wir genug schreiben um das zu tun. Es kommen aber Sachen wie Touren und so in den Weg. Es ist ein hartes Leben. [lacht]

Wie läuft es in Großbritannien? Ich erinnere mich daran, dass du beim letzten Mal gesagt hast, dass du dort keinen Markt für euch siehst.

Danny: Da hast du recht. Ich erinnere mich daran das gesagt zu haben. Ich persönlich denke nicht, dass das Timing wirklich richtig war für Archive in vielerlei Hinsicht. Der Markt in Großbritannien ist wirklich merkwürdig. Ich denke nicht, dass es komplett anders ist, aber so viele Leute konzentrieren sich auf Großbritannien um zu sehen was los ist. Und wir sind, wie du weißt, keine besonders radiofreundliche Band. Wir haben jetzt das Album veröffentlicht und es ist tatsächlich auch in Großbritannien erschienen. Das ist großartig und ich bin sehr glücklich darüber. Wir haben wirklich gute Rezensionen in Magazinen erhalten, die mir wichtig sind wie Q, Uncut und Mojo. Ich meine eine 4 von 5 in Mojo ist großartig. Das sagt alles. Es ist wirklich großartig. Und wir haben Fans in Großbritannien. Es sind nicht viele, verteilt in kleinen merkwürdigen Ecken von Großbritannien und wenn man sie alle zusammenzählt wären es ungefähr 10. Wir haben ein Konzert am 4. Dezember und starten jetzt eine Kampagne. Ich denke, was wir jetzt machen müssen, ist mehr live zu spielen, das haben wir auch in Europa so gemacht. Einfach rausgehen und spielen.

Dave: Wir hoffen nächstes Jahr ein paar Supporttouren und auf einigen Festivals zu spielen. Ich denke, mit einer Band wie Archive geht es viel über Mund zu Mund und es gibt eine Fanbasis, es muss als nur anfangen. Es ist der einzige Weg es zu machen. Wir werden auch eine Single veröffentlichen. „Hatchet“ ist die nächste Single.

Danny: Möglicherweise.

Dave: Möglicherweise? Das sind Neuigkeiten für mich.

Danny: Ich denke, sie ist es. [lacht]

Dave: Wir haben zwei Singles in der Pipeline für die UK. Mal sehen was wir dort machen können, es ist so ein schnelles Land für Musik. Es ist so überschwemmt. Es ist verrückt.

Danny: Wenn es nach mir persönlich ginge, würden wir direkt in die USA gehen. Um ehrlich zu sein: Scheiß auf Großbritannien. Ich bin wirklich zufrieden nicht in Großbritannien zu touren und hoch nach Halifax und Portsmouth…ach nein, Southhampton [kichert, Anm. d. Red.: Dave wohnt in Southhampton]… zu gehen. Ich denke, Amerikaner würden Archive eher verstehen als die Leute in Großbritannien.

Wieso das?

Danny: Ich denke, bezogen auf die Musik… eine Menge Bands, mit denen wir verglichen werden sind aus Amerika. Ich weiß es nicht. Ich habe einfach nur dieses Gefühl dort, es ist vielleicht nicht das was die Band denkt….ich weiß es wirklich nicht.

Dave: Ich weiß nicht. Es ist tricky. Es ist abhängig vom Vibe. Wir sind sehr ehrlich. Die Amerikaner mögen das und sie mögen Bands, die meinen was sie tun, aber das tun die Engländer auch…

Danny: Genaugenommen haben wir mehr Fans in Kalifornien als in Großbritannien. Merkwürdig. Wir haben eine gute Fanbasis in Kanada.

Dave: Vermutlich sollten wir erst dorthin gehen wegen dem französischen Teil. Das macht Sinn. Es gibt dort schon viele Verfolger.

Danny: Das Problem ist, dass wir es uns nicht leisten können dort auf Tour zu gehen, aber wir haben eine gute Basis dort. Wenn wir es uns leisten könnten, würden wir hinfahren. Es ist etwas anderes, wenn es um Großbritannien geht. Es ist wie Zuhause. Ich weiß nicht was es ist, es ist wie zuhause, wie Normalität, man geht zurück und zahlt Rechnungen und so etwas. Man trifft sich im Pub mit Freunden und spielt Pool und das Zeug. Ich mag es, dass man auf Tour geht und du fühlst dich verdammt großartig, weil die Leute deine Musik lieben und dann geh ich zurück und niemand weiß was zum Teufel wir machen. Nicht mal meine Freunde haben eine Idee.

[Es kommt ein junger Herr rein um uns mitzuteilen, dass wir noch 5 min. haben.]

Danny: Er ist verkatert.

Das ist die Schattenseite beim Alkoholkonsum, denke ich mal. Ich weiß es nicht, ich habe noch nie Alkohol getrunken.

Dave: Fair Play. Du verpasst nichts.

Danny: Wirklich nicht.

Das habe ich gehört. Lustigerweise sagen das meistens nur Leute aus Großbritannien, hier in Deutschland werde ich immer direkt gefragt warum.

Danny: Deutsche sind die größten Trinker in Europa oder nicht? Zumindest Biertrinker.

Ich hätte auf die UK getippt.

Dave: In Großbritannien gibt es die größten Komasäufer.

Danny: Ja, Komasäufer, aber nicht nur Bier. Ihr habt wirklich gutes Bier.

Auch das habe ich schon gehört.

Dave: In England ist es unmöglich, – naja, nicht unmöglich, aber sehr schwer – ein Sozialleben zu haben, wenn man nicht trinkt. Es ist einfach ein Teil der Kultur.

Danny: Eine sehr gute Freundin von mir, die ich aus London kenne, hat auch noch nie in ihrem Leben Alkohol getrunken und sie ist das Leben und die Seele jeder Party. Sie ist brillant. Und Maria, sie trinkt auch nicht.

Dave: Sie trinkt niemals. Ich habe sie mal einen Zoll Champagne trinken sehen.

Danny: Ich habe ihr einmal einen Tequila gegeben. Das war vor langer Zeit und sie war absolut betrunken.

Sie passt auf euch auf?

Dave: Ja, sie ist großartig. Sie ist sehr ruhig.

Danny: In unseren Augen macht sie nie was falsch. Sie ist perfekt.

Sie wirkt auch immer sehr glücklich mit sich selber.

Dave: Ja, sehr selbstbewusst.

Ich mag ihre Stimme, weil sie ist immer sehr klar, aber auf eine Art ist sie manchmal auch kalt. Ich denke, Holly ist ein wenig wärmer in ihrer Stimme.

Danny: Du hast recht.

Dave: Ich denke, Maria ist sehr… Ich will jetzt nicht total anmaßend klingen, aber sie ist ein ziemlich mysteriöser Charakter. Wir kennen Maria, weil wir mit ihr arbeiten. Dan kennt sie seit Jahren und Darius auch, aber ich denke, dass sie die vermutlich am wenigstens bekannte von allen ist. Maria ist ein sehr einzigartiger Charakter und das ist Teil ihrer Schönheit, finde ich.

Danny: Ja, es ist merkwürdig. Sie hat kein Interesse daran ein Star oder ähnliches zu sein, aber sie ist so selbstbewusst, wenn sie auf der Bühne ist. Aber wenn sie von der Bühne runter ist, war es das. Sie ist in ihrer Koje im Bus. Sie ist ein ziemliches Mysterium, aber es ist wunderbar mit ihr Zeit zu verbringen und zu reden. Sie ist brillant und sie gibt sich mit uns allen ab. Fucking Hell… 16 Leute im Bus, jetzt gibt es zwei Mädchen und sie gibt sich mit uns, die nur Scheiß reden, ab und sie lacht einfach. Sie findet es im allgemeinen sehr amüsant. Nur manchmal runzelt sie die Stirn.

Ich denke mal, sie hat keine andere Wahl…

Danny: Sie hätte die einfach Wahl es nicht zu tun. Ich meine damit, dass sie mit Anastasia und vielen anderen Leuten arbeitet und sie liebt das sehr. Es fühlt sich immer so an – und das hört sich sehr blöd an -, aber wenn wir uns treffen, auch wenn es nur eine Woche oder so war, dann sagt sie direkt „Ah, ich habe euch so sehr vermisst“ und das verblüfft mich einfach. Ich meine, sie ist zurück bei diesem Haufen von Idioten – wir fluchen die ganze Zeit und wir reden die ganze Zeit Blödsinn. Es ist genial. Sie ist perfekt. Sie findet es einfach amüsant und lächelt und geht dann ins Bett.

Vielen Dank für das Interview, Dave und Danny!

Archive werden im Oktober und November auf Tour in Deutschland sein:

19.10. Zürich (Schweiz), Komplex 475
20.10. Montreux (schweiz), Montreux Music & Convontion Center
22.10. München, Muffathalle
23.10. Hamburg, Docks
24.10. Dresden, Alter Schlachthof
29.10. Hamburg, Docks
30.10. Berlin, Huxley’s Neue Welt
1.11. Dortmund, Visions Westend
2.11. Darmstadt, Centralstation Darmstadt
4.11. Köln, E-Werk
5.11. Saarbrücken, Garage

https://www.archiveofficial.com/

Die englische Version des zweiten Teils gibt es wieder auf Dörtes Blog zu lesen.

Interview: Dörte Heilewelt