Interview mit Bosse

Bosse ist gut drauf. Als wir uns in der Empfangshalle von Universal Music treffen, drückt er mich zur Begrüßung wie einen alten Freund gleich mal an sich. Das nenne ich einen Icebreaker. Aber Bosse hat auch allen Grund, sich des Lebens zu freuen. 2013 wurde mal schnell zum erfolgreichsten Jahr seiner bisherigen Karriere. Gold Status für das fünfte Album „Kraniche„, diverse Preise, ausverkaufte Hallen. Und zum Jahresabschluss, kurz vor Weihnachten. gipfelte das Ganze in einem besonderen Konzert in der Hamburger Sporthalle. Dieses wurde aufgezeichnet und erscheint nun am 18. Juli als CD/DVD – „Kraniche – Live in Hamburg“. Schon in den ersten Minuten unserer Begegnung wird klar, worauf Bosses Erfolg sich begründet. Er ist ein wahrer König der Herzen. Witzig, charmant, ehrlich. Selten habe ich bei einem Interview so viel gelacht. Und trotzdem schaffen wir es dann doch noch, uns fokussiert über die wichtigen Dinge zu unterhalten. Er ist eben auch ein Profi, der Bosse.

Ein Live Album ist ja eine tolle Sache. Aber bestimmt auch ein schwieriges Unterfangen. Wie entscheidet man sich überhaupt, welchen Moment man festhält?

Oft ist es so, dass wenn man denkt, man hatte den Moment, man diesen ausgerechnet nicht aufgenommen hat. Das hatte ich schon so oft! Früher habe ich oft meinen Stick direkt ins Mischpult gesteckt und mitgeschnitten, auch als Kontrolle für alle Beteiligten hinterher. Dann kann man gucken, ob man für bestimmte Momente zu lange braucht oder warum man da schon wieder gekichert hat. Die letzten vier Jahre haben wir die großen Konzerte schon immer richtig aufgenommen, auch mit Kamera. Und nie war es so, dass der Moment da war, von dem man dachte, das passt jetzt so. Ich hätte wenn dann immer stückeln müssen. Köln drei Nummern, vier aus Frankfurt und den Rest aus Hamburg und Berlin. Machen ja viele und kann auch super sein. Aber irgendwie… ich hatte mir das schon öfter hin gelegt, aber dann ist der Moment nicht da. Dann war letztes Jahr, kurz vor Weihnachten klar, dass das in Hamburg schon etwas Besonderes sein würde, allein mit den viielen Gästen. Wir haben wirklich alle, mit denen wir mal was gemacht haben eingeladen und dann hab ich gesagt, jetzt bitte nochmal drei Kameras mehr und aufnehmen! In der Mitte habe ich gemerkt, alles klar, das ist es.

Musikalisch den richtigen Moment auszuwählen ist eine Sache. Wie geht es Dir mit Deinen Ansagen zwischendrin? Ich geh da mal von mir aus, die es furchtbar hasst, sich selbst auf Aufnahmen zu hören…

Ich hab ja grundsätzlich mit allem ein Problem. Deswegen kann man das auch nur abnicken. Mittlerweile bin ich da aber schmerzfrei. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt. In dem Moment war es auch gut für mich, alles was später kommt, fühlt sich beschissen an, aber man muss durch. Ich glaube, die ganz schlimmen Sachen haben wir aber auch raus genommen (lacht). Peinliche Sachen! Wenn man so überemotional wird. Wobei… Überemotionalität gibt es eigentlich gar nicht. Und die Leute, die sich darüber beschweren, sollen das mal selber machen. Würde gerne wissen, was die in dem Moment sagen.

Mit inzwischen fünf Alben im Gepäck – fällt es Dir schwer eine Setlist zusammen zu stellen?

Es ist traurig zum Teil. Es gibt sicherlich viele Lieder, von denen ich weiß, dass der Moment, in dem ich sie geschrieben habe, verloren gegangen ist. Die spiele ich dann gar nicht mehr. Dann gibt es welche, die funktionieren live immer, die spielt man dann. Oder wenn sie einen zu sehr langweilen lässt man sie auch mal weg. Manche sind auch Wackelkandidaten. Wie zum Beispiel „Wartesaal“, das ich eigentlich ganz gern dabei hätte, aber das ähnelt vom Tempo her aber „Yipi“, das irgendwie dabei sein muss. Wenn sowas raus fällt, das ist dann ein bisschen traurig. Ich kann ja auch nicht fünf Stunden spielen. Aber schwierig ist es eigentlich nicht. Man beerdigt ja keinen!

Das Konzert in Hamburg war ja der Abschluss eines unglaublichen Jahres für Dich. Erstes Mal Goldstatus, diverse Preise, ausverkaufte Konzerte… Kann man da überhaupt noch einzelne Höhepunkte fest machen oder wird alles zu einem einzigen, großen Freudentaumel?

Es ist manchmal schon ein ganz schöner Wust, das muss man so sagen. Ich versuche aber, einen möglichst klaren Überblick zu bewahren. Dass, zum Beispiel, wenn ich einen GEMA Preis kriege ich weiß, dass ich gerade einen GEMA Preis kriege. Ich weiß dann vielleicht nicht immer, was das gerade zu bedeuten hat, aber ich habe keinen Bock, das alles gestresst abzufrühstücken. Das kann einem super schnell passieren, weil die letzten zwei Tage vor dem GEMA Preis habe ich Konzerte gespielt und ich hab ja auch noch Familie und andere Sachen. Wenn es zu viel wird, läuft man Gefahr, sich nicht mehr richtig zu freuen, dann ist man nur noch müde und will abends ins Bett. Das versuche ich zu vermeiden. Wobei ich sagen muss dass, seitdem es mehr geworden ist, es auch irgendwie weniger anstrengend ist. Denn mit einem Sprinter auf ein Konzert zu fahren, auf dem wenige Menschen sind, Merchandise selber zu verkaufen, nicht abzurechnen, weil es nix abzurechnen gibt, danach noch einen saufen, im Etap Hotel pennen und dann weiter zu fahren ohne Off Day ist anstrengender als in die Columbiahalle zu fahren, da wird alles aufgebaut und man geht hoch und singt seine Lieder.

Das habe ich schon oft gehört, dass das Touren viel leichter wird, sobald man sich einen Nightliner leisten kann.

Das ist einfach kacke ab einem gewissen Alter. Ich mach das jetzt schon, seitdem ich 14 bin und bin jetzt 34. Meine Band und ich knallen gut auf die 40 zu, haben Kinder gezeugt und hatten irgendwann das Gefühl, wenn das so weiter geht müssen wir die Tour abbrechen wegen Rücken (lacht). Seit circa fünf Jahren ist es leichter geworden. Bei der ersten Tour zu „Wartesaal“ hatten wir zum ersten Mal einen Nightliner. Ein Scheißding zwar, aber immerhin. Wenn man angefahren ist, kam der Schrank raus. Aber das war trotzdem super.

Du sagst, seit 20 Jahren machst Du Musik, seit circa fünf Jahren ist es leichter geworden. Wie bringt man sich die restlichen Jahre zum Durchhalten?

Ich habe ja mein Leben lang immer irgendwelche Jobs gemacht. Das war für mich total normal. Ich mache Musik, aber um mir das leisten zu können, muss ich halt arbeiten gehen. Noch nicht einmal als mein Kind kam hatte ich das Gefühl, dass ich drüber nachdenken muss wo die Kohle her kommt, da ich sowieso immer gekocht oder irgendwas anderes gemacht habe. Trotzdem muss man das, was man macht und die Leute, mit denen man es macht, total lieben, damit es nicht an irgendwas zerbricht. Aber ich denke, dadurch, dass wir es so viele Jahre anders nicht kannten, hätten wir es auch noch ein paar Jahre so weiter gemacht. Jetzt, da alles ein bisschen größer geworden ist, kann man es ganz anders genießen. Demut ist da wirklich das passende Wort! Wenn Du groß anfängst und direkt in der O2 spielst, alles aufgebaut bekommst und denkst, das läuft immer so, das kann in einer bösen Überraschung enden. Deshalb hören viele wieder auf und gehen am Ende zurück in die Douglas Abteilung, wo sie mal her gekommen sind.

Bald spielst du deine ersten Unplugged Konzerte. Wie darf man sich Bosse unplugged vorstellen?

Inzwischen wissen wir sogar wie die Songs klingen werden. Das Ziel war, es nicht so zu machen wie ein normales Unplugged Konzert: wir laden uns vier Streicher ein und die E-Gitarre ist jetzt die Akustikgitarre… ich wollte das Ganze auf links ziehen, jedes Lied soll eins um die Ohren kriegen, aber der Moment, der das Lied ausmacht, sollte trotzdem da sein. „So oder so“ ist jetzt zum Beispiel eine Polka geworden. Dazwischen spielen wir noch Bossa Nova und Rumba. Wir haben auch einen Cellisten dabei, aber ich wollte nicht so eine Streicher-Orgie, wo man irgendwann denkt, jetzt reicht’s aber auch mit dem einen Gefühl. Wir haben jetzt 38 Instrumente und bestellen immer noch indische Klanghölzer oder Autoharps ausm Country Land. Jeder darf dann rum kloppen wie er will. Also, es soll jetzt nicht so ganz Waldorf mäßig werden, ein bisschen Struktur muss schon rein.

Interview: Gabi Rudolph

Fotos: © Universal Music