Interview mit Børns

09-BornsSo ein schöner junger Mann. Und so ausgeglichen! Garrett Borns, auf der Bühne genannt Børns, aus Grand Haven, Michigan, macht Musik als hätte er die letzten Jahre seines Lebens in einem Baumhaus in Kalifornien gelebt. Ach ja richtig, hat er ja auch. Da wundert es einen nicht mehr, dass der 24 jährige musikalisch und als Person wirkt, als hätte er den Großteil seines Lebens auf der Sonnenseite desselbigen verbracht. Diesen Sommer hat er sein aktuelles Album „Dopamine“ mal wieder eingepackt und erfreut uns mit einer Reihe Festival Shows. Zuletzt beim verregneten Hurricane, im August beim Sziget Festival in Budapest. Wir haben ihn uns zwischendrin mal kurz gekrallt und ein bisschen nachgebohrt, ob die sonnige Fassade auch stand hält. Spoiler vorweg: tut sie!

Du wirkst immer unglaublich ausgeglichen. Wie sieht es denn aus wenn du mal wütend wirst?

Wenn ich wütend werde? Meine Haare werden rot, ich verwandle mich in einen tasmanischen Teufel. Du willst es nicht erleben. Ich weiß nicht… ich werde tatsächlich nicht so schnell wütend. Wenn dann meistens wenn ich gerade aufgewacht bin und noch kein Frühstück hatte. Ich brauche immer sofort etwas nach dem Aufwachen. Und wenn es eine einzelne Blaubeere ist.

Schön, dass du mal wieder bei uns in Europa bist und Shows spielst. Gefällt es dir hier?

Oh ja, sehr! Der europäische Markt ist sehr wichtig für mich. Wir hatten keinen wirklich ausgeklügelten weltweiten Release Plan für mein Album, umso wichtiger sind die Shows. In Brüssel neulich haben Mädchen mir nach der Show Schokolade geschenkt. Man, gibt es da gute Schokolade! In Amsterdam haben wir vor über 400 Leuten gespielt. Der Raum war komplett voll. Und alle sind total mitgegangen und haben es super aufgenommen. Wir kriegen hier sehr viel zurück vom Publikum.

Dein Sound wird ja als sehr amerikanisch bezeichnet. Man sagt, deine Zeit in Kalifornien habe dich sehr beeinflusst und es werden gerne Vergleiche zu den Beach Boys gezogen. Ich persönlich finde ja, dass deine Musik auch einen ziemlich europäischen Vibe hat. Wie siehst du das?

Ja wirklich, findest du das? Das finde ich gut. Ich habe das Gefühl, den Musikern in Europa geht es mehr darum, ein künstlerisches Gesamtkonzept zu schaffen als einfach nur ein Popalbum raus zu bringen. Natürlich geht es in erster Linie darum, dass man sein Publikum unterhält. Aber auch bei den Shows hier in Europa fällt mir immer wieder auf, dass die Leute sich wirklich für die Musik interessieren und sie mehr wie Kunst behandeln. Sie ist für sie mehr als Unterhaltung für eine Nacht. Wobei ich denke, dass sich das nicht widerspricht. Auch wahre Kunst kann einen eine Nacht lang unterhalten. Aber ich habe das Gefühl, sie hören intensiver zu. Außerdem gehören viele europäische Künstler zu meinen Einflüssen, genauso wie auch Kalifornien. Ich wollte immer einen typischen Beach Boys Song schreiben. Und ich finde, vieles auf dem Album hört sich nach Freiheit und Weite an. Wenn man an der Küste in einem Canyon lebt, das überträgt sich natürlich auf das Gefühl im Kopf. Ich habe immer wieder Sounds mit meinem iPhone aufgenommen, Kojoten die nachts vor meiner Tür geheult haben zum Beispiel. Solche Samples habe ich benutzt. Und den Gesang haben wir zum Teil bei offenem Fenster aufgenommen, man hört auch mal die Vögel im Hintergrund. Das alles zusammen genommen macht „Dopamine“ natürlich schon zu einem kalifornischen Album.

Glaubst du dementsprechend, dass du die Musik machen würdest die du heute machst, wenn du weiter in Michigan gelebt hättest, wo du aufgewachsen bist?

Nein, glaube ich nicht. Der Typ mit dem ich meine Aufnahmen mache, Tommy English heißt er, kommt aus Chicago. Wir kommen aus einer ähnlichen Gegend und haben ähnliche Ansichten. Getroffen haben wir uns aber in Kalifornien und dort miteinander aufgenommen. Aber wir wissen beide wie es ist, aus dem mittleren Westen zu kommen, sind quasi verwandte Seelen. Diese Beziehung hatte auch einen großen Einfluss auf das Album.

Kann man sich das wirklich so vorstellen wie man es über dich im Internet liest – dass du in einem Baumhaus in Kalifornien gelebt hast und dort dein Album aufgenommen hast?

Die Aufnahmen habe ich nicht wirklich in dem Baumhaus gemacht. Es war der erste Ort den ich gefunden habe, als ich dorthin gezogen bin, es war eine Art Gästehaus. Ich wollte eigentlich auch gar nicht so lange bleiben, nur für ein paar Wochen, ein paar Songs schreiben, mir frischen Wind um die Nase wehen lassen und ein Gefühl dafür kriegen was es bedeutet, in LA zu leben. Und dann war da diese wundervolle Ort, ein Baumhaus im Garten einer Familie, sie nutzen es als Gästehaus für Freunde und vermieten es manchmal als Bed and Breakfast. Bevor es mir überhaupt richtig bewusst war, war ein Jahr rum, ich habe immer noch dort gelebt, geschrieben, aufgenommen, Leute getroffen, am Ende ein Album gemacht. Ich glaube dort zu leben hat mir eine Art künstlerischer Freiheit gegeben, die ich vorher nicht hatte. Wenn man in einem Apartment lebt, wo über, unter und neben einem Leute leben, verhält man sich anders. Man muss ständig darüber nachdenken ob die anderen einen jetzt hören, ob man jemanden stört oder aufweckt. Ich war unglaublich frei dort, konnte Tag und Nacht Musik machen. Eine sehr befreiende, künstlerische Erfahrung.

Ich habe ja ein großes Faible für Falsettstimmen. Wie hast du deine Stimme entdeckt und vor allem die Tatsache, dass sie sich so gut in der Höhe macht?

Ich weiß es gar nicht so genau. Aber auch die meisten meiner Lieblingssänger haben eine hohe Stimme bzw einen großen Stimmumfang. Und die meisten meiner Lieblingssängerinnen singen eher tief. Ich weiß auch nicht warum diese Art zu singen so großen Eindruck auf die Leute macht. Vielleicht weil es ein bisschen die Norm auf den Kopf stellt, das was man gewöhnt ist. Oder weil eine gewisse Sensibilität dazu gehört, seine Stimme in extreme Richtungen auszuloten. Für mich hat das etwas rohes, ehrliches. Ich habe schon sehr früh angefangen zu singen und meine Stimme eher nach und nach entdeckt. Selbst auf Aufnahmen, die gerade mal ein Jahr her sind habe ich das Gefühl, dass ich mich anders anhöre. Wenn man regelmäßig aufnimmt und tourt arbeitet man automatisch ständig an sich.

Wie fühlst du dich, wenn du darüber nachdenkst, was alles in den letzten Jahren passiert ist? Du machst schon so lange Musik, es gibt Aufnahmen von dir im Internet, auf denen du noch sehr jung bist. Und jetzt hat sich in relativ kurzer Zeit viel für dich bewegt.

Es ist total verrückt. Ich war in den letzten zwei Jahren eigentlich nie lange an einem Ort. Zuhause in LA war ich nicht mehr länger als ein paar Wochen am Stück. Völlig wild. Jedes Mal wenn ich in ein anderes Land komme wundere ich mich, dass es vorher schon die ganze Zeit existiert hat (lacht). Das erwischt mich jedes Mal. Und ich liebe es auf Festivals zu spielen. Diese riesigen Menschenmengen. Es ist fast zu viel passiert, um einzelne Highlights raus zu picken. Ein großes, buntes Ganzes mit einzelnen, glitzernden Highlights dazwischen.

06-Borns

Interview: Gabi Rudolph & Kate Rock

Fotos: Hella Wittenberg