Howling Bells im Interview

IMG_4590 copyHowling Bells haben im Jahr 2011 damit begonnen ihren spirituellen Wurzeln nachzugehen. Auf „The Loudest Engine“ kann man diesem Versuch in zwölf Stücken lauschen. Im Rahmen ihres Supportgigs für Elbow im November letzten Jahres waren die Geschwister Juanita und Joel Stein für ein Gespräch über das mittlerweile dritte Werk und die damit einhergehende Reise sofort zur Stelle. Dabei erklärte die stets höflich lächelnde und mit leiser Stimme sprechende Juanita, dass man sich die Howling Bells als die vier Elemente vorstellen müsste. Wobei ihr Bruder das Feuer, Schlagzeuger Glenn Moule die Erde, Bassist Brendan Piccio die Luft und sie selbst das Wasser darstellen würde. Von der Verschmelzung dieser unterschiedlichen Charakteristika konnte man sich dann abends, pünktlich um 20 Uhr im gut gefüllten Berliner Huxleys überzeugen. Dort trugen sie neue wie auch alte Lieder mit wenig Worten zwischen den Stücken, aber umso größerem Pathos währenddessen vor.

Wann genau habt ihr euch gesagt, dass es nun Zeit für ein neues Album wird?

Joel: Eigentlich schreiben wir unentwegt an neuen Songs. Aber mit einem Mal hatten wir das Gefühl für ein neues Album genau jetzt bereit zu sein. Das war ein sehr intuitiver Prozess.

Juanita: Ab einem bestimmten Punkt mussten wir uns klar darüber werden wie man das Album klingen lassen möchte. Es beginnt und endet also mit den einzelnen Songs. Welche zehn bis zwölf Songs man auswählt, wird ganz klar den Stil des Albums zeichnen.

„The Loudest Engine“ stellt eurer Meinung nach euer Erwachsenwerden Album dar. Könntet ihr das näher erklären?

Juanita: Wir hören textlich und akustisch im Vergleich zu den letzten zwei Alben eine große Weiterentwicklung heraus. Die musikalischen Arrangements und die Themenbreite sind ganz anders. Es geht auf dem Album um das Leben und Wachsen im Tourbus und ein wenig auch um das Treffen von vielen interessanten Menschen auf Tour. Ich habe all diese Eindrücke in mich aufgenommen, wählte eine sehr observierende Herangehensweise, um darüber im Anschluss zu singen. Das ist meine Version vom Erwachsenwerden.

Joel: Mir ist der Sound sehr wichtig. Bei manchen Bands dauert es ewig bis sie ihren eigenen Stil finden. Mit diesem Album haben wir von innen heraus die echte und ehrliche Natur unserer Band gefunden. Dieser Fund ließ die Arbeit am Album flüssiger und intuitiver vorangehen. Diese Leichtigkeit wird für uns auch auf dem Album repräsentiert.

Was heißt es für euch im alltäglichen Leben ein Erwachsener zu sein?

Joel: Zu arbeiten. Obwohl ich denke, dass wir glücklich darüber sein können, dass wir tun können was wir tun. Aber neben der Musik habe ich noch einen anderen Job, bei dem ich immer denke, dass ich lieber Musik machen möchte als den anderen Job. Offensichtlich. Ich denke zum Erwachsensein gehört Dankbarkeit dazu. Dankbar zu sein, dafür, dass man auf Tour sein kann mit all den tollen Bands und selbst Musik machen kann, weil wir das so sehr lieben. Aber bei meinem anderen Job benehme ich mich wie ein Kind. In der Band kann ich kreativ explodieren und ich habe das Gefühl, dass das meine Mission auf dem Planet Erde ist. Es ist als ob man mir genau das richtige Spielzeug gegeben hat, mit dem ich und mein inneres Kind immer spielen können.

Juanita: In einer Band zu sein, erlaubt einem ewig ein Kind zu sein. Jeder andere Job auf der Welt zwingt einen dazu sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Aber in einer Band und auf Tour zu sein – da gibt es keine Alterslimits, keine Gesetze. Man kann sich verhalten wie und sein wer auch immer man sein möchte. Das ist ok, da man ein Musiker ist. Aber irgendwie muss man auch eine Balance finden, um nicht das ganze Leben lang ein Kind zu sein, weil das nicht gesund wäre.

Joel: Peter Pan Syndrom! Aber ich glaube, wir bleiben nur im Herzen jung. Das ist der Unterschied.

Habt ihr noch immer ein gutes Gefühl, wenn ihr eure alten Alben hört?

Joel: Ich höre mir nie unsere alten Sachen an.

Juanita: Doch, ich habe das erst neulich gemacht. Ich fühlte mich wunderbar als ich sie hörte. Es ist als würde man auf alte Fotos von sich selbst schauen. Man lernt die Zeit, die man hat, zu schätzen. Einfach alles mehr zu schätzen. Ich bin eine sehr nostalgische Person. Ich finde einfach alles romantisch. Die zwei Sekunden vor dem Jetzt sind zum Beispiel romantischer als dieser Moment.

Inwiefern hilft eure geschwisterliche Verbindung der Kreativität in der Band?

Juanita: Es hilft indem es eine Menge Mist außen vor lässt. Ich kann alles sagen, was ich will. Wenn er mir einen Song vorspielt, den ich nicht mag, dann kann ich ihm frei heraus sagen, dass ich ihn nicht mag und andersherum. Man möchte nicht immer nur höflich sein, wenn man mit jemandem in einer Band ist. Es muss möglich sein einen offenen Ideenaustausch zu haben und immer ehrlich zu sein. Und mit Joel habe ich das Gefühl, dass das umso leichter von der Hand geht.

Joel: Ja, das stimmt. Aber auch mit den Anderen sind wir seit fünf oder mehr Jahren zusammen in einer Band und da sollte solch eine Offenheit auch möglich sein. Juanita und ich kennen uns eben sehr, sehr gut. Aber seit wir so lange mit anderen Leuten in einer Band sind, gibt es selbst da keinen großen Unterschied. Man wird zu einer außerordentlich gut funktionierenden Familie.

Wie haben eure Eltern reagiert als ihr ihnen mitgeteilt habt, dass ihr euer Geld mithilfe der Musik verdienen wollt?

Joel: Mein Dad hat mich nur sehr lange angestarrt.

Juanita: Naja, er ist halt auch Musiker.

Joel: Es war kein guter oder ein schlechter Blick von ihm, er schaute einfach nur so als ob er sich an seine Anfänge in einer Band zurückerinnert. Aber unsere Eltern lieben unsere Musik. Es ist also alles gut.

Juanita: Sie sind sehr unterstützend und kommen öfter zu unseren Shows. Sie werden auch heute Abend dabei sein. Sie leben nämlich im Moment in Berlin.

Wenn euer Album eine Reise ist, wo geht diese hin?

Joel: Wo auch immer sie dich hintragen soll. Ich meine, für uns wird es eine andere Reise sein als für dich. Nur du kannst das wirklich beantworten.

Juanita: Die Reise hat gerade erst mit diesem Album angefangen. Also, frag mich in einem Jahr noch einmal wo es uns hingebracht hat. Ich schreibe auch einen Blog, weil ich das Gefühl hatte, dass ich diesen Prozess besser dokumentieren möchte. Als wir vor einigen Jahren diese großartige Tour mit Coldplay gemacht haben, schrieb ich nicht darüber und nun macht es mich sehr traurig, weil wir so viele wundervolle Sachen erlebt haben. Aber letztlich gibt es viele Songs, die von dieser Zeit auf Tour handeln. Nur dieses Mal will ich wirklich genau darüber schreiben wo wir hinfahren und was wir sehen. Es ist mir wichtig das alles nicht zu vergessen. Ich habe auch noch so viele Fotos von der letzten Tour. Sie sind sogar kategorisiert. Zum Beispiel möchte ich nicht das letzte Mal vergessen als wir im Huxleys mit The Killers gespielt haben. Das war toll, weil wir einige sehr besondere Menschen damals kennengelernt haben und es eine der ersten großen Rockbands war, die uns mit auf Tour nahmen. Aber auch diese Tour ist bis jetzt fantastisch. Wir lieben die Leute, wir lieben die Musik.

Worauf achtet ihr bei der Auswahl eines Supportacts?

Juanita: Wir schauen, welche Bands uns und das Publikum inspirieren könnten. Deshalb versuchen wir immer kontrastreiche Künstler heran zu bekommen. Wenn die Vorband einen ähnlichen Sound hätte wie wir, wäre das irgendwie sehr komisch.IMG_4589 copy

War die Zusammenarbeit mit Mark Stoermer von The Killers auch so inspirierend?

Joel: Er ist ein toller Typ. Es war sehr leicht mit ihm zusammenzuarbeiten.

Juanita: Er ist nicht nur ein toller Typ, er hat auch tolles Haar. (lacht) Er war wie ein fünftes Bandmitglied für uns. Wir haben uns sehr, sehr wohl mit ihm gefühlt und er hat uns geholfen die Musik aufzunehmen, die in unseren Köpfen und Herzen war.

Den Reviews zufolge seid ihr Dank ihm dem Mainstream erheblich näher gekommen.

Joel: Das sagen die Leute, die einen nur danach beurteilen, mit wem man zusammenarbeitet. Also was auch immer. Es ist genau das Gleiche wie mit Beziehungen. Man geht mit einer Person aus und andere haben diese Person vielleicht einmal getroffen und sagen daraufhin, dass das nichts werden kann. Der Großteil hat doch keine Ahnung wer Mark Stoermer wirklich ist. Sie sehen ihn nur aus einer Perspektive. Wir haben nicht darüber nachgedacht, was andere darüber denken würden. Das kümmert uns nicht wirklich. Das ist nichts was zählt. Wir sind gute Freunde und wir lieben die Musik, die wir gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Also ist es nur ein Problem für andere, nicht für uns. Denn sie werden gute Musik verpassen. Sie blockieren nur ihren eigenen Geist und das ist traurig.

Aber manchmal kann die Meinung eines Außenstehenden ganz hilfreich sein.

Juanita: Mark ist sozusagen unser Außenstehender. Wir haben das erste Mal mit ihm zusammen gearbeitet und er hat seine Meinung und seine Ideen zu unserer Musik beigesteuert.

Joel: Ich denke Außenstehende können auf jeden Fall hilfreich sein. Ich bin immer daran interessiert, was Leute, die vorher noch nie von uns gehört haben von unserer Musik halten. Zum Beispiel war ich für eine Weile auf einer Farm in Deutschland. Das Paar, bei dem ich unterkam, war sehr interessant. Sie haben Woodstock besucht, machen ihren eigenen Schnaps und sind halt generell sehr cool. Ihnen habe ich dann unsere Musik vorgespielt, was sehr interessant war. Weil ich sie mit etwas völlig Neuem konfrontiert habe. Sie hatten ganz andere Hörgewohnheiten und brachten eine ganz andere Perspektive in die Musik hinein, was sehr spannend war. Wir haben auch gerade eine Show in München gespielt, wo ein Typ auf mich zukam und meinte, dass das total neue Musik für ihn wäre. Das war einfach ein fantastisches Gefühl!

Juanita: Wir versuchen den Leuten auch einen besseren Zugang zu unseren Songs zu ermöglichen, in dem wir zum Beispiel zu einigen Songs auch die Texte im Booklet abgedruckt haben. Es ist für uns wichtig, dass die Leute wissen, worüber wir singen.

Nur immer weniger Menschen halten noch die echte CD in den Händen.

Juanita: Aber das unterscheidet dann die echten Musikfans vom Rest. Wenn man wirklich Interesse an einer Band und ihrer Musik hat, dann will man auch hören was sie sagen. Als echter Musikfan hört man nicht nur die Top 40 der Charts an, auch wenn das das ist, wozu man angehalten wird.

Ängstigt euch das?

Joel: Nein, mir machen viel mehr Quallen Angst. Obwohl ich mit dem Surfen groß geworden bin und dadurch ständig Quallen sehe, finde ich sie immer wieder ziemlich komisch und eklig. Sie haben halt auch diese Fühler, von denen man weiß, dass sie einen umbringen können. Ich würde jederzeit einen Hai bevorzugen.

Ist denn etwas Schlimmes in der Kindheit vorgefallen, dass du diese Angst hast?

Joel: Nein, alles drehte sich immer um Musik. Wir sind mit sehr musikalischen Eltern aufgewachsen. Jeder aus der Band. Als ich vierzehn oder fünfzehn Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand genommen und ich habe mich irgendwie wie Harry Potter gefühlt als er seine Bestimmung entdeckt hat. Juanita hat bereits mit drei Jahren die ganze Zeit gesungen. In jedem beginnt irgendwann eine bestimmte Flamme zu brennen.

Juanita: Man ändert nur hin und wieder die Art und Weise wie man sich künstlerisch ausdrückt. Aber da wir mit diesem musikalischen Spirit aufgewachsen sind, wollen und können wir gar nicht damit aufhören. Ich wollte noch nie eine Pause. Sogar wenn wir aufnehmen oder touren: wir wollen immer noch mehr Musik machen.

Joel: Wenn ich so richtig glücklich oder traurig bin, möchte ich sofort darüber schreiben. Das ist kathartisch.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg