Gesehen: „Philomena“ von Stephen Frears

Nachdem seine Karriere ein abruptes Ende genommen hat, muss sich der Polit-Journalist Martin Sixsmith (Steve Coogan, „The Look of Love“) neu orientieren. Genau im richtigen Augenblick wird er auf die Geschichte von Philomena Lee (Judi Dench, „James Bond 007 – Skyfall“) gestoßen. Denn die alte Dame hat nach 50 Jahren des Schweigens ihrer Tochter Jane (Anna Maxwell Martin, „Geliebte Jane“) gebeichtet, dass sie auch die Mutter eines Sohnes ist, welcher ihr aber weggenommen wurde. Ein uneheliches Kind stellte im Irland der 50er Jahre eine Schande dar und im Kloster wurde der kleine Junge schließlich zur Adoption freigegeben. Martin sieht in Philomenas Story die Chance auf abermaligen Erfolg und lässt sich auf eine ausgedehnte Suche nach dem verlorenen Sohn ein. Dabei findet er jedoch nicht nur neue Wahrheiten, sondern auch eine überraschende Freundschaft.
Philomena“ ist Kitsch, den man ertragen kann. Der auf wahren Begebenheiten basierende Film von „High Fidelity“-Regisseur Stephen Frears jongliert so gekonnt mit zuckersüßem Pathos, Stereotypen und dem Clash der Kulturen, dass man (überrascht von der eigentlich so toxischen Mixtur, die hier zu funktionieren scheint und auch noch zum Lachen und Weinen gleichzeitig bringt) immer weiter hinschauen muss. Der britische Hauptdarsteller Steve Coogan fungierte zugleich als Produzent des Werkes, das auf dem Buch „The Lost Child of Philomena Lee“ von Martin Sixsmith beruht.

„Was mich am meisten inspirierte, war ein Foto von Martin, der neben Philomena auf einer Bank sitzt. Die beiden geben einfach ein schräges Paar ab: Auf der einen Seite Martin, der Journalist mit Oxford-Abschluss, ein Intellektueller aus dem Bürgertum; auf der anderen Seite Philomena, die bodenständige Irin aus dem Arbeitermilieu, Krankenschwester im Ruhestand. Die Beziehung zwischen diesen fand ich hochinteressant.“ (Steve Coogan)

So gehen die meisten Pointen auch auf das Konto der Unverhältnismäßigkeit zwischen den beiden Protagonisten. Speziell Judi Dench kann in dem 98-minütigen Filmvergnügen als naiver Gutmensch auftrumpfen. Für sie scheint das Hotelfrühstück so ein Fest zu sein als würde Heiligabend sowie ihr Geburtstag auf ein und denselben Tag fallen. Zudem gibt sie gerne die gesamte Geschichte von einem Buch wieder und jeder Mensch ist für sie etwas ganz Besonderes. Und da die Balance zwischen dem Zynismus von Martin Sixsmith, der Tragik von Philomena Lees Schicksal und dem komödiantischen Potential in der Konfrontation der zwei so unterschiedlichen Menschen stets gewahrt bleibt, ist auch Stephen Frears’ Verfilmung „Philomena“ etwas ganz besonderes geworden.

Kinostart: 27. Februar 2014

Gesehen von: Hella Wittenberg